»Vielleicht ist genau das das Problem, Kumpel. Die Mädels stehen auf so was.« Ja, ja, Pitt der große Frauenversteher. Aber wenn wir mal ehrlich sind, hat der ja auch immer nur was mit irgendwelchen Mädels, mit denen er es nicht ernst meint. Und das ist nichts für mich. Wenn ich es nicht ernst meine, dann kann ich's mir gleich sparen, dann verschwende ich nur ihre und meine Zeit. So seh ich das. Pitt nicht, der meinte, ich soll einfach mal mit den Mädels flirten. Und auch Mia war der Meinung. Sie wollen demnächst mit mir in die Disco. Ich seh jetzt schon, dass das 'ne Katastrophe geben wird. Was soll ich denn mit irgendwelchen Mädels? Ich muss schon in sie verliebt sein, wirklich hinter der ganzen Sache stehen. Ich will eine mit tollem Charakter, und den lern ich bestimmt nicht beim Tanzen in der Disco kennen. Außerdem will mich doch eh keine.
Mittwoch, 24. April, 21 Uhr
Pitts Satz geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. »Ja, so wie bei dir.« Das war schon hart. Er ist mein Freund, und er hat sich entschuldigt. Deshalb versuch ich, es zu vergessen. Aber es ist nicht schön, zu wissen, dass er genauso über mich denkt wie alle anderen. Der arme Trottel, der keine abkriegt. Oder bin ich unfair? So oder so, es tut weh.
»Und, wie sieht's aus? Biste fertig?«, fragte Pitt.
Er und Mia standen gut gelaunt vor Leons Haustür, um ihn abzuholen. Leon war weniger gut drauf. Seine beiden Freunde wollten heute ihr Versprechen einlösen und ihn in die Disco schleppen. Er sollte sich mal so richtig locker machen und versuchen, mit dem einen oder anderen Mädel zu flirten. Schon allein bei dem Gedanken daran war Leon unwohl. Er war einfach nicht der Typ, der mit irgendwelchen fremden Mädels rumflirtete. Dabei kam er sich blöd vor. Aber Mia und Pitt hatten das nicht hören wollen. Sie waren überzeugt, dass ihm nur ein wenig die Übung fehlte – und die entsprechende Umgebung.
Er hatte schließlich zugesagt. Was hatte er schon zu verlieren? Selbst wenn es daneben ging, blamierte er sich im schlimmsten Fall nur vor seinen besten Freunden. Sie würden ihn wenigstens nicht die nächsten Wochen damit aufziehen. Trotzdem war es ihm wichtig, sich nicht vor Mia und Pitt lächerlich zu machen. Aber nun waren sie schon einmal da, beide in Partystimmung, und er beschloss, sich ebenfalls zu amüsieren. Warum sollte er nicht einfach ein bisschen Spaß mit seinen Freunden haben? Immerhin war es Samstagabend, und Mia und Pitt wollten diesen Abend mit ihm verbringen. Er sollte das Ganze wirklich nicht so verbissen sehen.
»Meinetwegen können wir«, sagte er und zog die Tür hinter sich ins Schloss.
Die Aussicht auf einen netten Abend mit seinen Freunden hob nun doch Leons Laune. Seine Mutter war ohnehin nicht zu Hause, sie war Verkäuferin und arbeitete wahrscheinlich noch, und er hätte sich eh bloß gelangweilt und schließlich irgendeinen schlechten Film im Fernsehen angeschaut.
»Wohin gehen wir?«, fragte er neugierig auf dem Weg zum Auto. Auch wenn er mit dem Namen des Clubs wahrscheinlich ohnehin nichts anfangen konnte. Wann kam er schon mal in die Disco? Mia hatte ihn zwar öfter mitnehmen wollen, aber meistens waren die Hühner dabei, weshalb sich seine Lust bisher in Grenzen gehalten hatte.
»Ins Black and White. Der Club ist ganz neu«, antwortete Mia und stieg hinten ein. Sie rutschte durch, und Leon ließ sich neben sie fallen, während Pitt sich vorne neben seinen Bruder Philipp setzte. »Im Black and White gibt's angeblich die heißesten Bräute der Stadt. Bin schon gespannt, war selbst noch nicht da«, sagte Philipp und drehte sich grinsend um. Er streckte Leon die Hand hin. »Hi Leon. Na, alles klar?« »Alles bestens«, antwortete der. Er verstand sich gut mit Pitts älterem Bruder. So langsam freute er sich wirklich auf den Abend. Vielleicht würde es ja doch nett werden. »Dann woll'n wir mal«, meinte Philipp und startete den Motor. Nach einer Weile suchte er Leons Blick im Rückspiegel und meinte: »Und du willst also heut 'ne Frau aufreißen?« Leons Augen weiteten sich. »Pitt.« »Philipp«, sagte der im selben Moment, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. »Ich hab dir das im Vertrauen erzählt.« Doch Philipp lachte nur. »Was denn, Jungs? Ist doch nichts dabei. Was haste denn im Sinn, Leon?« Leon fand das Ganze etwas unangenehm, doch er wollte nicht unhöflich sein, indem er einfach nicht antwortete. Er warf Mia einen Seitenblick zu, die mit ihrem Handy beschäftigt war. »Keine Ahnung. Ich hab keinen bestimmten Typ.« Mia lachte auf, ohne den Blick von ihrem Handy zu nehmen. »Soll das 'n Witz sein? Und was ist mit Lara und Marlene?« Leon zuckte mit den Schultern. »Was soll mit den beiden sein?« »Na also wenn die zwei nicht eindeutig vom gleichen Schlag sind, dann weiß ich auch nicht«, mischte Pitt sich ein und drehte sich nach hinten um. »Sie hatten beide lange, braune Haare und diese herrlich braunen Augen«, fügte Mia hinzu. »So wie du, Mia«, bemerkte Philipp. Leon wurde warm, auch wenn er nicht so genau wusste, warum. Pitt warf ihm einen aufmerksamen Blick zu, dann drehte er sich wieder nach vorne. »Danke«, meinte Mia währenddessen lächelnd und sah Philipp kurz an, bevor sie sich wieder ihrem Handy widmete. »Purer Zufall«, murmelte Leon und schwieg den Rest der Fahrt. Er dachte an Lara und Marlene, und es waren keine schönen Gedanken. Zwei ordentliche Körbe hatte er sich damals eingefangen, erst von Marlene, dann von Lara. Über Marlene war er nur hinweggekommen, weil er sich irgendwann in Lara verliebt hatte. Marlene war damals neu in seine Klasse gekommen, und Leon hatte sich sofort in sie verliebt. Leider war er nicht der Einzige gewesen. Dank Pitt hatten sie eine Zeit lang einiges zusammen unternommen. Sie hatte die Angewohnheit gehabt, wie Mia mit ihren Liebesproblemen zu Leon zu kommen. Es hatte ihm gefallen, so auch mal ein wenig Zeit mit ihr allein verbringen zu können. Auch wenn es natürlich hart für ihn gewesen war, wenn sie mit anderen zusammen war. Irgendwann hatte er dann aber seine Chance kommen sehen und Marlene seine Liebe gestanden. Er wusste noch heute, was sie gesagt hatte: »Leon, du bist mein Freund, und ich mag dich. Aber leider nicht so, wie du es dir wünscht.« Das hatte wehgetan. Er hatte sich ein wenig von ihr zurückgezogen, bis sie schließlich gar nichts mehr miteinander zu tun gehabt hatten. Lange hatte er ihr hinterher getrauert, dann hatte er Lara kennengelernt. Lara war damals wie er ehrenamtliche Mitarbeiterin in dem Altenheim gewesen, in dem seine Oma lebte. Er arbeitete heute noch dort, sie nicht mehr. So hatten sie sich irgendwann aus den Augen verloren, und das war wahrscheinlich auch besser so gewesen. So hatte er sie wenigstens vergessen können. Er hatte sie wirklich geliebt und geglaubt, dass es was werden könnte mit ihnen. Leider hatte er sich getäuscht. Als er ihr gesagt hatte, dass er gern mit ihr zusammen sein würde, war sie aus allen Wolken gefallen. »Wie kommst du denn auf die Idee?«, hatte sie gefragt. Und dann hatte sie ihn einfach stehen lassen. Mittlerweile war Leon fast überzeugt, dass sie nur nett zu ihm gewesen war, weil seine Oma sie darum gebeten hatte. Nicht, dass seine Oma je so etwas ihm gegenüber gesagt oder gar zugegeben hätte, aber es würde zu ihr passen. Sie war immer sehr besorgt um Leons Wohl und wünschte sich mehr Freunde für ihn. Er hatte ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Oma. Sie war für ihn neben Mia und Pitt der wichtigste Mensch. Sie stand ihm näher als seine eigene Mutter, er besuchte sie regelmäßig. Sie wusste immer, wie es ihm ging. Geheimnisse hatte er keine vor ihr. Sie war der einzige Mensch, dem er wirklich alles anvertraute. »So, dann mal raus mit euch«, meinte Philipp schließlich, als er vor dem neuen Club anhielt. »Kommst du nicht mit?«, fragte Leon überrascht. »Ich geh erst noch mit ein paar Freunden was futtern und komm später nach. Muss ja nicht wie ihr um zwölf wieder nach Hause.« Er grinste. »Dann bis nachher«, verabschiedete sich Pitt und stieg aus. Mia und Leon bedankten sich noch fürs Fahren und stiegen dann ebenfalls aus. Mia hatte ihr Handy mittlerweile eingesteckt. »Mein Vater holt uns nachher ab«, sagte sie, als die drei sich in die Schlange vor dem Discoeingang einreihten. Leon nickte. Das war auch so eine Sache. Seine Mutter würde ihn nie in die Disco fahren oder wieder abholen. Dafür hatte sie überhaupt keine Zeit. Sie war freitag- und samstagabends immer viel zu müde von der Arbeit. Mias Handy piepste wieder, und sie zog es aus ihrer kleinen Tasche. Leon hätte am liebsten die Augen verdreht, verkniff es sich aber. »Wem schreibst du eigentlich die ganze Zeit?«, fragte Pitt, bevor Leon es tun konnte. Auch wenn er die Antwort schon kannte. »Patrick«, antwortete Mia wie erwartet. »Ist wohl eifersüchtig, was?« Pitt grinste und steckte die Hände in die Hosentaschen. Mia lächelte. »Ein bisschen vielleicht. Er wollte eigentlich mit, aber ich hab ihm gesagt, dass ich mal wieder was mit euch allein machen will.« Leon warf ihr einen dankbaren Blick zu. Er wollte gar nicht daran denken, wie der Abend mit Patrick verlaufen würde. Mia war in ihre Antwort vertieft, als Pitt ihr das Handy wegnahm. »Gib mal her.« Dann tippte er selbst eine Nachricht.