Sandra Grauer

Mehr als Freundschaft?


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lieber als das.«

       Nachdem ich ihm den Rücken eingecremt hatte, reichte ich ihm die Tube und legte mich mit dem Bauch auf mein Handtuch. Das hätte ich allerdings lieber nicht tun sollen, denn bevor ich reagieren konnte, hatte er mein Bikinioberteil mit zwei schnellen Bewegungen aufgeknotet.

       »Hey, geht’s noch?«, protestierte ich.

       »So komm ich besser dran.«

       Ich rollte mit den Augen. »Aber danach wieder zumachen, nur damit das klar ist.«

       »Mal seh'n.«

       Ich konnte ihn nicht sehen, hörte an seiner Stimme aber deutlich das verschlagene Grinsen. Also hielt ich still, damit nichts verrutschte. Nachdem er fertig war, machte er tatsächlich wieder eine Schleife ins Oberteil. Um sicher zu gehen, ließ ich mir danach von Jasmin eine neue Schleife machen. Eine Doppelschleife. Schließlich wusste man nie. Wir würden noch eine ganze Weile am See bleiben, und da konnte einiges passieren.

       Patrick lachte. »Traust du mir etwa nicht?«

       »Würdest du dir trauen?«, konterte ich.

       Er zuckte mit den Schultern. »Punkt für dich.«

       »Wer will ein Eis?«, fragte Jasmin in die Runde.

       Alle stimmten zu, und schließlich machten wir Mädels uns auf den Weg quer über die Liegewiese zur kleinen Bude.

       »Warum hast du ihn eigentlich mitgenommen?«, fragte Jasmin, als wir außer Hörweite waren. Ich sah sie von der Seite an. »Ich hab keine Ahnung, wen du meinst«, erwiderte ich, obwohl mir natürlich sofort klar war, dass nur Leon gemeint sein konnte. »Na wen schon. Den Langweiler.« Sie verdrehte die Augen. Ich seufzte. »Mensch, Jasmin. Leon ist mein Freund, das weißt du doch. Also reiß dich gefälligst mal zusammen.« »Ich versteh immer noch nicht, warum du mit ihm rumhängst. Es gibt so viele süße Jungs.« »Du musst es auch nicht verstehen. Hauptsache, du akzeptierst es und lässt ihn in Ruhe. Außerdem muss nicht jeder Freund so süß sein, dass man theoretisch mit ihm ins Bett will.« »Gott bewahre«, entfuhr es Anne, die würgende Geräusche machte. Ein böser Blick von mir reichte jedoch, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich wusste, dass meine Freundinnen Leon weder sexy noch süß fanden, aber das war schließlich Geschmackssache. So schlecht sah er gar nicht aus. »Apropos«, meinte Jasmin grinsend. »Wie steht's mit dir und Patrick?« »Was meinst du?«, fragte ich. »Na ja, habt ihr schon …?« Ich sah sie entrüstet an. »Hallo? Wir sind erst seit ein paar Tagen zusammen!« Was dachte die eigentlich? »Na und? Das ist ein Grund, aber kein Hindernis.« Wir mussten lachen. »Wenn wir schon beim Thema sind«, sagte Wencke nun. »Ich find Pitt echt süß. Hat er grad 'ne Freundin?« »Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte ich und sah sie überrascht an. »Aber ich kann ja mal in Erfahrung bringen, ob er momentan Interesse an einer hat.« Nicht, dass das Pitt von einem Abenteuer abhalten würde, aber das musste Wencke ja nicht wissen. »Das wär echt cool. Was ist denn so sein Typ?« Ich betrachtete Wencke einen Moment. Sie war groß und schlank, vielleicht sogar ein bisschen zu schlank, und sie hatte rotblonde, lange Haare. Eigentlich sah sie nicht übel aus. Trotzdem bezweifelte ich, dass sie Pitts Typ war. Andererseits, für ein bisschen Spaß war Pitt fast immer zu haben, solange das Mädel halbwegs gut aussah. Er war da so ganz anders als Leon. Und Wencke suchte wahrscheinlich auch nicht mehr als ein Abenteuer, so wie ich sie kannte. »Hauptsache, sie ist hübsch, unkompliziert und gut drauf«, antwortete ich also. »Alles andere ist erst mal egal.« »Klingt gut«, sagte Wencke zufrieden.

      »Hey Pitt, Wencke findet dich süß«, flüsterte ich Pitt zu.

       Wir saßen zusammen mit Leon auf der Wiese, während die anderen mit Slacklining beschäftigt waren. Anne versuchte gerade, auf der Line das Gleichgewicht zu halten.

       Pitt grinste und schaute sofort zu Wencke hinüber. »Ach nee.«

       Ich verdrehte die Augen. »Bitte tu mir den Gefallen und steck's ihr nicht gleich. Wenn sie rauskriegt, dass ich's dir gesagt hab, bringt sie mich um.«

       »Auch, wenn ich was mit ihr anfange?«

       »Ist das dein Ernst?«, meinte Leon und musterte erst Pitt und dann Wencke skeptisch.

       »Würdet ihr beide bitte nicht dauernd zu ihr rüberstarren«, zischte ich.

       »Warum denn nicht?«, meinte Pitt zu Leon und ignorierte mich einfach. »Sie sieht doch ganz nett aus.«

       »Mein Geschmack wär sie nicht, aber egal. Achte doch einfach mal nicht nur aufs Aussehen. Dann hält's vielleicht auch länger als nur ein paar Tage.«

       »Ja, so wie bei dir«, erwiderte Pitt.

       Ich sah sofort, dass ihm die Bemerkung leidtat, aber nun hatte er es schon gesagt.

       »Sorry, Mann«, murmelte Pitt zerknirscht.

       Leon zuckte nur mit den Schultern und reagierte ansonsten auf keine der beiden Bemerkungen.

       »Weißt du, ein bisschen recht muss ich Pitt ja schon geben«, sagte ich fast etwas kleinlaut zu Leon. Überrascht und fast ein bisschen sauer sah er mich an. »Sei mir nicht böse, Leon, aber ich finde manchmal, du solltest einfach mehr Spaß haben im Leben. Du nimmst immer alles viel zu ernst.«

       »Also soll ich mit 'nem x-beliebigen Mädel was anfangen, nur weil sie gut aussieht?« Er sah von mir zu Pitt und wieder zurück.

       »Das sag ich doch gar nicht«, verteidigte ich mich.

       »Keiner verlangt das von dir«, sagte auch Pitt. »Das wär ja auch total absurd, du bist halt nicht der Typ dafür. Und das ist okay. Aber deshalb kannst du doch trotzdem ein bisschen mit den Mädels flirten.«

       »Als ob sich auch nur eine darauf einlassen würde«, murmelte Leon.

       »Versuch's doch einfach«, riet Pitt. »Natürlich nicht bei Jasmin und Konsorten, da ist Hopfen und Malz verloren. Aber vielleicht bei fremden Mädels, bei denen du noch keinen Ruf weg hast.«

       »Und wie soll ich die kennenlernen?«

       »Wir gehen halt mal zusammen in die Disco oder aufs nächste Fest. Wenn man will, lernt man überall nette Mädels kennen.«

       Leon sah Pitt skeptisch an, erwiderte aber nichts. Eine Weile saßen wir schweigend da und beobachteten die anderen auf der Line.

       Dann sagte ich: »Wir wollen doch bloß, dass du ein bisschen Spaß hast, Leon.«

       »Genau«, stimmte Pitt mir grinsend zu. »Und deshalb fangen wir auch gleich damit an. Los, ich vorne, du hinten.«

       Ehe ich begriff, was er vorhatte, hatte Pitt mich auch schon unter den Armen gepackt. Leon zögerte einen Moment, doch dann griff er meine Beine. Gemeinsam schleppten die zwei mich zum See und warfen mich im hohen Bogen hinein. Die anderen folgten mit Gebrüll.

       Leon

       Mittwoch, 24. April, 19 Uhr

       Ich war heute mit Pitt, Mia und den üblichen Verdächtigen am Baggersee: die Hühner halt, Patrick und ein Freund von ihm. Mia hat mich solange bequatscht, bis ich zugesagt hab. Ich hatte ehrlich geglaubt, dass es vielleicht doch funktionieren könnte, mit ein bisschen gutem Willen von beiden Seiten zumindest, Mia zuliebe. Tja, so kann man sich täuschen. Obwohl ich zugeben muss, dass es schlimmer hätte kommen können. Größtenteils haben sie mich einfach ignoriert. Ich musste mir meinen Rücken deshalb mal wieder selbst eincremen, aber das bin ich ja schon gewohnt. Ignoriert zu werden ist zwar nicht toll, aber auf jeden Fall immer noch besser als blöd angemacht zu werden. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie kann ich mit den anderen einfach nichts anfangen. Und sie nicht mit mir. Mia war ziemlich beschäftigt. Sie hat mal wieder 'nen Neuen und scheint voll verknallt zu sein. Die ganze Zeit waren sie am rumknutschen und all so was. Ganz ehrlich, ich hätte den Nachmittag lieber beim Zahnarzt verbracht, als Mia und Patrick beim Turteln zuzuschauen, aber hab ich eine Wahl? Wenn ich nicht bereit wär, mich ab und zu auch mal mit ihren anderen Freunden zu treffen, würd ich sie ja kaum noch sehen. Und das wär auch nicht besser. Und dann hat Patrick doch echt die Frechheit besessen, Mia einfach ohne zu fragen das Bikinioberteil aufzumachen, als er ihr den Rücken eincremen