Jozi Salzberg

99,9 %.


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ihre alten Kaiser und Könige hervorholten, oder noch schlimmer, kommunistisch würden! Den guten Onkel würde Amerika spielen, großzügig sein. Damit konnte der „Kreis“ leben, das war OK. Dann wäre das Spiel schon halb gewonnen. Wen man nicht überzeugen musste, dass waren die bedeutenden europäischen Firmen(Besitzer) beziehungsweise Großaktionäre. Sie waren schon vor dem Krieg mit den amerikanischen eng verbunden gewesen, man besaß gegenseitig Aktienpakete – also, auf den Punkt gebracht, bedeutete das: half man ihnen, dann half man sich selbst. Schließlich gehörten ausgewählte Europäer ebenso zum „Kreis“, wie die bedeutendsten Personen anderer Kontinente.

      Auf schriftliche Aufzeichnungen verzichteten die Männer des „Kreises“ auch diesmal. Nur der neue Code für das nächste Treffen wurde verteilt. Er befand sich auf Halsketten, die den Kennmarken der Soldaten glichen, nur dass das Material unauffällig edel war. Bei Tagesanbruch hob man die Gläser. Die Karten waren neu verteilt.

      Eigentlich war schon Eile geboten, denn die Europäer schlossen ihrerseits Abkommen. Schon verhandelten sie. Doch als sie am 18. April 1951 die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl beschlossen, war Europa schon für die USA gewonnen. Die Europäer waren wirtschaftlich schneller auf die Beine gekommen als gedacht. Aber sie würden den US-Konzernen nicht gefährlich werden.

      1957. 25. März. Messina. Sechs europäische Staaten gründeten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Euratom, später EG genannt, dem Vorläufer der EU. Gemeinsam wollten die europäischen Staaten eine stärkere Wirtschaftsmacht sein, auch wegen der Stärke der USA. So müssten sie sich nicht alles diktieren lassen.

      1969. London. Der 38-jährige Australier Mun-Dong, größter Medienunternehmer des Landes, expandierte nach Europa. Hier stieß er auf (ihm) unerklärlich umfangreiche Regelungen zugunsten der ArbeitnehmerInnen, so ein verdammter Sozialismus, schimpfte er. „Wohlfahrtsstaat“ nannten sich viele reiche Staaten selbstgefällig. Das Lachen würde denen schon noch vergehen. Eigentlich sollten die Mächtigen (für ihn waren das selbstredend die Reichen) klüger sein. Wie lange wollten die europäischen Kollegen denn noch dem Umverteilungstreiben zusehen? Ihm missviel das. Es machte ihm das Leben schwer. Er begann einen zähen Kampf, streckte seine Fühler aus. In der britischen (Geld)Aristokratie wurde er fündig, und zu seiner Genugtuung saßen hier die politischen Macher mit ausgezeichneten Verbindungen nach „Übersee“, zu Leuten, die ihm lieb und teuer waren. Aber diese Europäische Gemeinschaft war ein Ärgernis für Leute, die etwas auf die Beine stellen wollten, fand Mun-Dong. Zu seinem Verdruss kochte die EG ihr eigenes Süppchen, irgendwie entzogen sich zu viele Politiker der wahren Macht. Er verstand das nicht. Wieso gab es hier so viele Widerspenstige? Der „Kontinent“ war eine Nuss, die zu knacken viel Fingerspitzengefühl erforderte, mehr als Mun Dong aufzubringen bereit war. Er setzte lieber auf den Duft seines Geldes. Damit setzte er erstens auf den steten Tropfen, der den Stein höhlt. Zweitens stellte er (Mun Dong) Metternichs Spitzelwesen in den Schatten. Er rieb sich voller Vorfreude die Hände. Jahre später hatte er viele Politiker „überzeugt“, aber längst nicht alle. Diese Europäer waren wegen der vielen Nationalstaaten schwierig steuerbar, mutmaßte er.Oder waren sie nur sturer, als gedacht? Womit könnte er sie ködern? Ihn veranlassten solche Hindernisse zu Tobsuchtsanfällen. Das blieb nicht verborgen. Seine antieuropäische Haltung wurde ruchbar. Er konnte es nicht verhindern, weil die Medien in Europa auf zu viele Hände verteilt waren. Ihm schwammen schon die Felle davon. Viele seiner Polit-Connections verliefen daraufhin im Sande. Vorerst musste er das schlucken. Nun, immerhin ließ er sich nicht gehen, wenn es um die Pflege der Verbindungen zu den Reichsten und Mächtigsten Europas ging. Da riss er sich zusammen. Im Geiste klopfte er sich auf die Schulter. Man ist ohnehin gerne unter sich, nickte er selbstverliebt. Alle diese Leute seines Schlages taten dasselbe wie er, kauften sich gegenseitig überall dort im großen Stil ein, wo gute Profite winkten. Also kannte man sich. Mun Dongs Vision ging aber viel weiter. Ihm schwebte eine Vernetzung der Mächtigen und Reichen unter seiner Führung vor. Daran arbeitete er. Derzeit hatten die Amerikaner die Nase vorn. Noch. Er fände schon Mittel und Wege. An der Schwächung der aufmüpfigen europäischen Politiker arbeitete er unverdrossen weiter, heulte aber diesmal mit den Wölfen. Frontal wie bisher ging nichts weiter, also tarnte er sich vielmehr mit Wohltätigkeitsevents und solch einem Nonsens. Gleichzeitig startete er in seinen Medien eine sukzessiv e Lächerlichmachung der sogenannten „Gutmenschen“.

      1971. 15. August. USA. US-Präsident Richard Nixon verkündete das offizielle Ende des „Bretton-Woods-Abkommens“. Von nun an war das Geld nicht mehr durch Gold gedeckt. Jeder Staat konnte Geld drucken, als wäre es Klopapier. Alles sollte mehr und mehr liberalisiert werden. So wären die reichen wirklich frei, zu tun, was sie wollten. Nun ja, angeblich wären alle frei, zu tun, was sie wollten. Aber Scherz beiseite, narürlich kann sich ein Büromensch keine Jacht kaufen oder zwei flotte Flitzer auf einmal. Die braucht er auch nicht. Er hätte doch nie die notwendige Zeit, um die Welt zu umrunden, so wie er gerade. Er musste schließlich seine Firmen rund um die Welt kontrollieren. Ab und zu ein Abstecher in eine Gegend, die ihm Erholung schenkte, musste dabei drinnen sein. Für die anderen, für die Büromenschen und ihresgleichen genügte die Mittagspause zum Regenerieren vollauf, nicht wahr. Mit flottem Tempo schritt er über den Gehsteig der belebten 'Kärntner Straße' in Wien zum Casino. Der Büromensch gehörte ins Büro, nicht wahr! „Ins Büro!“, bekräftigte er seinen Gedanken für sich. Wie hieß das auf wienerisch? Er lernte ja gerne immer wieder etwas dazu: „An die Schreibmaschine!“, befahl er versehentlich laut. In seiner Umgebung lächelte man ihn wohlwollend an, denn die guten Leutchen (die höchstwahrscheinlich ihre Mittagspause gerade genossen) dachten, er treibe sich selbst an, um an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Seine Züge verdüsterten sich. Er hob sich doch deutlich von der Masse ab, wie er meinte! Ja, das sollte man meinen! Diese Narren! Denen würde er es noch zeigen!

      1977. Herbst. Mitternacht. Spezielle Männer und Frauen erhielten spezielle Einladungen per Kurier zugestellt. Auf Goldplättchen erkannten sie den nur ihnen bekannten Code. Weiters folgten die eingestanzten Koordinaten 4°41'S, 55°29'O sowie 15. August. Das Kuvert, in dem sich das jeweilige Goldplättchen befand, war mit den Insignien Mun Dongs versiegelt, einer Lanze, die sich mit einem Schwert kreuzt.

      1978. 15. August.Madagaskar. Alle Geladenen folgen dem Ruf. Auf dem Programm stand die Lagebesprechung betreffend der politischen Einflussnahme – insbesondere in Europa. Gleichzeitig saht es Mun Dong angeraten, sich mit „seinem“ Netzwerk (den handverlesenen Reichsten der Welt) wegen der neuen Möglichkeiten auszutauschen, die sich mit dem sogenannten Informationszeitalter eröffnen. Da war einiges drinnen! Gut fürs Geschäft. Gut für Manipulationen! Gut fürs Ausspionieren! Das war endlich ein Bereich, der den Politikern entzogen war, und so sollte es auch bleiben – dafür wollte man sorgen. Und wieder erhielten am Ende der Konferenz die TeilnehmerInnen ein unscheinbares Schmuckstück mit einem eingraviertem Code – diesmal überreicht von Mun-Dong.

      1979. London. Im Mai übernahm Margaret Hilda Thatcher, Baroness Thatcher of Kesteven das Amt der Premierministerin des United Kingdom. Ihr Ziel war die wirtschaftliche Deregulierung und Rückzug des Staates. Der Zweck war die totale Liberalisierung des Marktes und dadurch Förderung des Wettbewerbs. Endlich – frohlockte Mun-Dong mit seinen Mitstreitern. Erhofft wurde offiziell das Anlocken von Investoren wie Seinesgleichen, wodurch Arbeitsplätze geschaffen werden sollten. No, das war ihm herzlich egal, war ja nicht sein Problem. Tatsächlich erreichte die Arbeitslosenquote mit drei Millionen (12,5%) im Jahre 1983 einen Spitzenwert (und sollte erst ab Mitte der 1990er Jahre sinken).

      1985. New York. Mun Dong hat es geschafft, zum vordersten Kreis des Zirkels der Macht vorzustoßen. Er wurde der größte und erfolgreichste Medienunternehmer der Welt und nebenbei Amerikaner. Sein Konzern-Netz wurde auch in Amerika immer erfolgreicher, was ihm seitens des US-Gesetzgebers leicht gemacht wurde. Nun ja, mittlerweile war er auch mit den EU-Politikern zufriedener, die nicht mehr so verbissen auf „Demokratie“ machten, weil – „Hahaaa, mea culpa“ frohlockt wiederum Mun-Dong - die angeblichen „Sachzwänge“ der globalisierten, undurchschaubaren Wirtschafts- und Finanzärkte berücksichtigt werden mussten. Das würde noch viel dicker kommen, nahm sich Mun-Dong vor. Tatsache ist, dass alle ihm bekannten Konzerne jetzt schon ausgezeichnete Profite machten.

      1992. 7.Februar. Maastricht.