Nadja Christin

Samuel, der Tod 2


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      Nadja Christin

      Samuel, der Tod 2

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel Eins

       Kapitel Zwei

       Kapitel Drei

       Kapitel Vier

       Kapitel Fünf

       Kapitel Sechs

       Kapitel Sieben

       Kapitel Acht

       Kapitel Neun

       Kapitel Zehn

       Kapitel Elf

       Kapitel Zwölf

       Impressum neobooks

      Kapitel Eins

      Es ist eine ungewöhnlich, warme Novembernacht, in Valle Leventina, ein Tal im Kanton Tessin, in der Schweiz.

      Alle erwarten den ersten Schnee, der dieses Jahr auf sich warten lässt. Die Einwohner der kleinen Stadt Airolo werfen jeden Morgen besorgte Blicke gen Himmel, als könnten sie, alleine durch ihre Gedanken, den baldigen Schnee erzwingen. Sonst ist der Kanton bereits ab Ende Oktober überzuckert mit der weißen Pracht, aber in diesem Jahr – Nichts.

      Das lässt die gläubigen Schweizer hinter vorgehaltener Hand miteinander tuscheln und Mutmaßungen anstellen. Als auch der November außerordentlich mild begann, wurden die Befürchtungen lauter. Die Einwohner schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Jeder wurde verdächtigt, an der Misere Schuld zu haben. Außenseiter, Säufer, Frauen, die alleine lebten, alle wurden angeklagt. Obwohl sie im 21. Jahrhundert leben, und weiß Gott, aufgeklärt sein müssten, begannen die Schweizer sich zusammenzurotten und Methoden laut werden zu lassen, die stark an die Hexenverbrennungen im fünfzehnten Jahrhundert erinnerten.

      Dennoch war kein Schnee in Sicht.

      Pfarrer Borelli, der hiesige Geistliche, sprach mit den ältesten Einwohnern der Gemeinde. Sie waren sich schnell einig, dass niemand anderes, als der Fleischer Schwery dafür zur Verantwortung gezogen werden muss. Er ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge, nur er kann Schuld haben, an den Wetterkapriolen und den damit verbundenen Auswirkungen für sie alle.

      Auch wenn jeder Außenstehende den Kopf über so viel Ignoranz schütteln würde, so wären doch alle sehr erstaunt, wie nahe die Einwohner der kleinen Stadt Airolo der Wahrheit kamen.

      Selbstverständlich ist der Metzger nicht für das milde Wetter verantwortlich, Eugenio Schwery kann nur für die kontinuierlich schwindende Zahl an Rehen, Wildschweinen und Hasen verantwortlich gemacht werden. Nicht, dass der Fleischer ein Wilderer ist und das Bret in seiner Metzgerei zum Verkauf anbietet. Er jagt für den Eigenbedarf, für sich selbst, zum Verzehr. Aber nicht, als Sonntagsbraten, mit Preiselbeersauce und Kartoffeln. Auch jagt er nur einmal im Monat – zu Vollmond.

      Denn Eugenio Schwery ist ein Werwolf.

       Es ist der 9. November, der Vollmond wirft sein mattes Licht auf das Tal Leventina. Eugenio läuft in seiner Werwolfgestalt durch die Wälder. Er denkt nicht über das Wetter nach, oder über die Einwohner, allen voran Pfarrer Borelli, die hinter ihm her sind und in diesem Moment die Privaträume der Gemeindekirche verlassen, um sich, bewaffnet mit Gewehren und Baseballschlägern, Schwerys Haus zu nähern. Eigentlich denkt der Werwolf an gar nichts mehr, er handelt nur noch nach seinen Instinkten. Er wird verfolgt, doch sein Jäger hat nichts Menschliches an sich. Der Metzger rennt um sein Leben, läuft wie ein gehetztes Wild über offene Wiesen, durch Tannenwälder, tief hinein in die dichte Vegetation des Valles Leventina.

      Schon am Morgen, dieses unsäglichen Tages, hatte Eugenio Schwery so ein merkwürdiges Gefühl. Er stand bereits mit einer Vorahnung auf, dass der heutige Vollmond einige Überraschungen für ihn bereithielt. Allerdings hat der Metzger an den Gemeindepfarrer und seine gläubigen Anhänger gedacht, genauso, wie er überlegte, dass es an der Zeit sei, dieser Gemeinde den Rücken zuzukehren um woanders sein Glück zu versuchen.

      Bereits seit Jahrhunderten macht Eugenio es so, wenn ihm der Boden zu heiß unter den Wolfspfoten wird, dann flüchtet er in eine andere Stadt, in ein anderes Land, oder wechselt gleich den Kontinent.

      Doch jetzt kamen seine Überlegungen zu spät, dieses Vieh ist hinter ihm her und sollte es ihn erwischen, dann ist es aus mit dem Werwolf Schwery, getarnt als Metzger der Gemeinde Airolo.

      Eugenio spürt, wie seine Kräfte schwinden. Er ist ein großer, starker Kerl und auch als Werwolf keine kleine Ausgabe, doch so langsam verlässt ihn der Mut und die Hoffnung, diese Nacht zu überleben. Denn was da hinter ihm her ist, das darf es eigentlich nicht geben – oder vielmehr nicht mehr.

      Der Metzger lebt bereits seit vielen Jahrhunderten, hat das Mittelalter erlebt und kennt die verschiedenen Anderswesen, die es damals gab. Doch die Sensenmänner der Superior haben viele der Wesen ausgerottet.

      Sie gehörten ebenso dazu. Dennoch ist ihm in dieser Novembernacht einer dieser - angeblich von der Erde getilgten Rasse - auf den Fersen.

      Eugenio war noch ein kleiner Wolf, als ihm seine Mutter von den Drachenwesen erzählte, die sich von Werwölfen ernähren. Doch bereits damals war seine Rasse vom Aussterben bedroht und auch Drachen gab es nicht mehr viele.

      Es war eine klare und bitterkalte Nacht, als zwei der Drachen, ihr kleines Dorf überfielen. Der kleine Eugenio konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Aus seinem Versteck heraus musste er mit ansehen, wie diese Biester über seine Mutter, seinen Vater, und seinen kleinen Bruder herfielen und sie genüsslich auffraßen. Zwei Sensenmänner töteten schließlich die Drachen, aber der kleine Eugenio war der einzige Werwolf, der das Massaker überlebte. Damals glaubte er fest daran, dass mit dem qualvollen Tod der beiden Drachen, auch die Rasse gestorben wäre, aber jetzt, sechs Jahrhunderte später, wurde er eines Besseren belehrt.

      Der Werwolf bleibt auf einer kleinen Anhöhe stehen, er kann nicht mehr weiter, ist viel zu erschöpft. Bereits seit Stunden flieht er vor dem Drachen.

      Er überlegt, ob er einfach aufgeben soll. Er, der schon so vieles erlebt hat, denkt ernsthaft darüber nach, ob es nicht besser sei, wenn er sich einfach seinem drohenden Schicksal ergibt. Reste seiner Instinkte, schreien tief in ihm auf, protestieren dagegen. Ich muss überleben, schießt es ihm durch den Kopf, und sei es nur, um andere vor dem Drachen zu warnen. Niemand seiner Artgenossen hielt es für möglich, dass in dieser Welt noch Drachenwesen existieren.

      Während Eugenio noch darüber nachsinnt, und keuchend, mit heraushängender Zunge, auf der kleinen Anhöhe steht, hört er hinter sich ein leises Rascheln. Der Werwolf dreht rasch seinen massigen Schädel, aber es ist bereits