Verena Dittrich

Auf jeden Fall nichts mit Menschen


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inbrünstig dem leicht nasalen Singsang samt Versprecher, Huhu's und Tschüssi's von Heidi Klum, Moderatorin der "sensationellen" Show. Das war ein "absoluter Wahnsinn", als die Heidi mit ihren 35 Zentimeter hohen Absatzschuhen auf die Bühne stakste, ganz oft "keine Spucke mehr im Mund" hatte, weil sie "wirklich sehr sehr aufgeregt" war, in einer Riesenhalle eine Riesenshow vor einem Riesenpublikum zu moderieren. Live! Alle (Publikum inklusive!) sahen "supertoll" und "Hammer" aus und freuten sich. Wir natürlich auch. "Sensationell, Wahnsinn, einfach großartig", diese Topmodels! Was die alles geleistet und auf die Beine gestellt haben! Ja, das muss ich schon zugeben, verdient Respekt. Ist bestimmt ja auch nicht so einfach, für ein Foto-Shooting in Amerika so lange von zuhause weg zu sein, in blöden Millionen-Villen zu wohnen, die in den meisten Fällen - wie furchtbar! - über einen hauseigenen Pool verfügen. Nicht zu vergessen, dass die armen Models dieser Show nach Hawaii, New York und sogar ins Meer mussten. Zum Arbeiten! Wie doof ist das denn?

      Wenn man als Fernsehzuschauer nicht das Glück hatte, bereits während der Show vor Fremdschämen gestorben zu sein, ist man spätestens fünf Minuten nach dem Finale schamdurchpulst hinter das heimische Sofa gekippt. Und dennoch war ich überrascht, dass sich die Mädchen so "unheimlich" wünschten, auf dem Cover einer deutschen Modegazette zu sein. Meines Erachtens zählen diese Heftchen zu den oberflächlichsten, und werbelastigsten Lesematerialien, die wir im Lande haben. Wenn ich schon an deren Chefredakteurinnen denke, die keine C, D und F-Promi-Party mit ihrer Abwesenheit verschonen, möchte ich ihnen am liebsten morgens auflauern, wenn sie in Schlappen und mit Falten am Hintern durch ihre sonnendurchfluteten Zimmer auf die Dachterrasse schlurfen und verpennt in ihr Knäckebrot beißen. Für die Falten möchte ich ihnen dann zu gern eine dieser Proben reichen, die sich zwischen den Seiten ihrer Zeitschriften lümmeln. Vermutlich würden sie die Dinger selbst nie benutzen, denn Frau Chefredakteurin schwört garantiert auf Hyaluronsäure und Turn around Visible Skin Renewer für einen ebenmäßigen Teint. Wahnsinn!

      Ich mag Mode! Ich ziehe gern neue Sachen an und probiere Verschiedenes aus, aber es passiert nur noch selten, dass ich mich von Frauenzeitschriften inspirieren lasse. Neulich hatte ich, wie gesagt, seit Ewigkeiten mal wieder eine Frauenzeitschrift in der Hand. Ich blätterte und blätterte und Folgendes fiel mir dabei auf: Wozu noch Journalistinnen für Reportagen und Interviews losschicken, wenn man die interessantesten Leute in den eigenen Reihen sitzen hat? Da ist man doch nicht blöd und berichtet über Lindsay Lohans Trendbewusstsein, wenn das der hauseigenen Redakteurin Nancy Schmidt mindestens genauso groß ist! Also wird die Nancy fotografiert und aufpoliert und auf Seite fünf geklatscht. Den Brüller lieferte aber die Chefredakteurin dieser Zeitschrift: Weil die Frau W. immer so hart arbeitet, dabei aber trotzdem gut aussieht, hat sie es verdient, mal so richtig schön in Urlaub zu fahren. Nett und kollegial wie sie ist, natürlich mit dem gesamten Kamerateam! Selbiges folgte der Chefin überall hin wie ein Hündchen und war deshalb stets: "Bei Fuß!" Alle im Urlaub geschossenen Fotos (minimal retuschiert) waren im Heft zu sehen, verpackt in einer knackigen Urlaubsreportage mit Tipps und Tricks von Frau Chefin herself. Ganz wichtig für uns Frauen, den Leserinnen der Frauenzeitschrift: die käuflich zu erwerbende Cartier-Uhr!!! Für nur schlappe 40.000 Euro sollte Frau sie unbedingt am Mann bzw. Arm haben, um zu wissen, wann es Zeit für einen "Rosè am weißen Strand ist". Ich bin in letzter Zeit sowieso schon total verzweifelt, weil ich überhaupt nicht weiß, wohin mit meinen ganzen Millionen. Und ich weiß wirklich nie, wann es Zeit für einen eisgekühlten Rosé am Strand ist. Noch schlimmer, ich hab nicht mal welchen! Doof genug, dass ich keine Cartier-Uhr besitze, besitze ich auch keinen Rosé und keinen Champagner. Und noch doofer: es ist mir bis dato nicht mal negativ aufgefallen, dass ich die Uhrzeit von einer normalen Quarzuhr ablese, die ich für Fünf Mark auf dem Flohmarkt erworben habe.

      Natürlich hat die Frauenzeitschrift-Chefredakteurin uns Frauen auch erklärt, dass man im Urlaub nicht nur gut aussehen, sondern auch gut riechen muss! Weil wir im Urlaub nämlich alle durch die Bank dermaßen abstinken, wir gemeinen Frauenzeitschriften-Leserinnen. Deshalb empfahl sie uns gleich mal das neue Chanel-Parfüm für 2000 Euro. Es ist nämlich so, dass wir Frauen jeden Monat ein Heidengeld verdienen, mindestens 5000 Euro und mehr! Wir wissen wirklich nicht mehr, was wir mit der Kohle anstellen sollen. Und natürlich tragen wir alle edelste Markenklamotten und Trinity-Ringe von Tiffany. Nicht kleckern, klotzen heißt die Devise. Ja, diese Chefin ist ein Vorbild! Und die Vorbildfunktion erfüllt sie, indem sie uns Sonnencreme von Lagerfeld empfiehlt, denn von der guten alten Florena kriegt man bestimmt Hautkrebs. Ja, is' klar.

      Sowieso sind sich die Frauen in den Frauenzeitschrift-Redaktion ihrer Vorreiterrolle bewusst. Deshalb wachen die meisten Redakteurinnen dieser Zeitschrift morgens schon mit Lidstrich auf, kennen die "Must Haves" des Monats auswendig, tragen nie Taschen aus der letzten Saison und wissen sogar, ob Frau unten rum "Landebahn" oder "aalglatt" tragen sollte. Wildwuchs war gestern! Das ist unerotisch und weil Frauen heutzutage nicht nur sexy aussehen, sondern sich auch sexy fühlen, wissen sie genau, wo rasiert, epiliert, entfernt, gepolstert, geschnippelt, gefüllt, abgesaugt und ran geklebt wird.

      Klingt gemein? Nicht doch! Es gab in dieser Zeitschrift auch Seiten mit Niveau: Seite 10: Bindenwerbung, Seite 11: Joop-Werbung, Probepackungen auf den Seiten 24, 36 und 45 und auf Seite 99 erfuhr Frau, was sie tun muss, wenn sie mal Liebeskummer hat. Tipp Nr. 1: Nicht mehr an ihn denken! Daaaaanke! Da wären wir Trottel ja im Leben nicht drauf gekommen! Auch die ganz Anspruchsvollen unter uns kamen in dieser Gazette auf ihre Kosten: Auf Seite 2 wurde verraten, dass 7/8 Hosen im kommenden Frühling ein "absolutes No-Go" und Nerd-Brillen wieder "in" sind, weil sie "unsere" intellektuelle Seite betonen. Wahnsinn, denn jetzt, wo die dicken Brillen, Marke Kassenmodell, wieder getragen werden dürfen, muss Frau nicht mehr zum Augenlasern latschen. Das alles und noch viel mehr gab es für schlappe drei Euro.

      Ich habe kurz überlegt, ob ich mich für diese wichtige Lektüre bedanken soll und denen einen Leserbrief schicke. Aber selbst dort beweihräucherten sie sich bereits selbst. Ich weiß inzwischen: Die Leserbriefe sind gefaked. Bestimmt gibt es auch gute Zeitschriften für Frauen, mir fällt nur auf Anhieb keine ein.

      Jedenfalls: zurück zu meinem Kleiderschrank. Wir waren beim Aussortieren. Ich hatte es vor, ja doch, ich wollte ihn auf Vordermann bringen, denn wie gesagt, habe ich viel zu viel Kram. Jesus Maria, haben die Motten meines Kleiderschrankes ein Haufen zu fressen. Da ist von der Vorspeise bis zum Dessert alles dabei! Die Motten meines Kleiderschrankes führen, abgesehen von der Diktatur dort, ein glückliches Leben. Sie kriegen viele kleine Mottenkinderchen und sind alle miteinander verwandt. Ich wollte die eng gestrickte Familien-Fehde natürlich nicht zerreißen, aber so ein inzestuöses Familienverhältnis in meinem Haushalt ist auf Dauer auch nicht die feine englische.

      Also wurde ausgemottet, anprobiert, fotografiert und ein paar Sachen zum Verkauf erneut auf Ebay gestellt. Die ersten Momente auf dieser Plattform haben meines Erachtens ein Drittel Heiliges. Da sitzt du vor deinem PC, guckst, lädst hoch, lutscht am Daumen, wackelst, rutscht auf dem Stuhl hin und her und wartest die ersten Reaktionen ab. Schließlich willst du die Angelegenheit ja so schnell wie möglich hinter dich und die Klamotten an die neue Frau bringen. Meine erste Reaktion in der Ebay-Kategorie: Damen/ Jacken und Mäntel/ Trenchcoat kam aber von [email protected] und lautete: "Hallo, ist der weiße Trenchcoat noch zu haben?" Oh Gott, dachte ich: Was will dieser Robert mit meinem unschuldsfarbigen, weißen Trenchcoat? Ich habe ihm geschrieben: "Robert, wenn du den guten, weißen Mantel einsauen und schmutzig machen willst, gebe ich ihn lieber dem Vetter 6. Grades von Motte Nr. 21, ist das klar?"

      Also, vergessen Sie niemals: Sie sind cool, Sie sind viel cooler als alle Chefredakteurinnen sämtlicher Frauenzeitschriften dieser Welt. Wenn Sie sich heute nicht wohl in Ihrer Haut fühlen, verzagen Sie nicht, denken Sie einfach an mich: ich hab mich schon gestern nicht wohl in meiner Haut gefühlt. Und es glatt vergessen. Sie haben keinen flachen Bauch? Scheiß drauf! Nix im Kleiderschrank? Egal! Sie haben ja jetzt mich. Schreiben Sie mir! Der Motten-Boss in meinem Kleiderschrank-Ressort kann gewiss ein kleines Ensemble für Sie zusammenstellen. So oder so: Allein Ihr Lächeln ist mehr wert als hundert Modekollektionen! Es sei denn natürlich, Sie leiden gerade an einer ruinierten Zahnfront. Obwohl, wenn ich genau drüber nachdenke: Sie könnten mit zwei abgebrochenen Schneidezähnen zur Stil-Ikone avancieren. Einen Fan hätten Sie schon mal. Mich!

      Die Lügen des Genossen Ulbricht