Walter Rupp

Wake up - Gedanken-Wecker


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aus den unteren Gesellschaftsschichten gegenüber den Kindern aus den oberen Gesellschaftsschichten im Nachteil sind. Aber dieses Niveaugefälle ist nicht durch Kindertausch auszugleichen! So bleibt die Frage: Wie hebt man Bildung an?

      Bildung kann man nicht allein Bildungsexperten überlassen, die zu wissen meinen, was als wissenswert zu gelten hat. In unserer Zeit, die Bildung nur als Mittel für Ansehen und Vorankommen nützt und weithin auch, damit man höhere Gehaltsansprüche stellen kann, ist eine Einstellungsänderung in den Familien und in der Gesellschaft dringend nötig. Wir brauchen wieder ein Milieu, das die geistigen Werte höher als die materiellen schätzt.

      Es ist kein Zufall, dass die großen Musiker weithin aus Musikerfamilien kamen. Dort lernten sie die Liebe zur Musik. Und viele große Dichter kamen aus Elternhäusern in denen Kultur und Wissen etwas galten. Ein Kind profitiert – mehr als von Bildungsplänen - von dem Klima, in dem es aufwächst. Kein noch so guter Lehrer und kein noch so guter Lehrplan können dieses Klima – das heute zu schwinden scheint - ersetzen.

      Bücher

      Wenn Bücher sich über Leser äußern könnten, käme wohl nicht viel Schmeichelhaftes dabei heraus. Vielleicht wären die Unterhaltungsromane mit ihren Lesern, die sich so leicht zerstreuen lassen, zufrieden. Aber die Krimis könnten ihre Verwunderung nicht verbergen, dass die Leute so viel Spaß an Gaunereien haben und davon nicht genug bekommen können. Preisgekrönte Romane würden sich beschweren, dass sie schon oft die ganze Nacht hindurch neben einem Bett lagen, weil der Leser eingeschlafen war. Die Klassiker würden sich entrüsten, dass man mit ihnen oft nicht viel mehr anzufangen weiß, als eine Bücherwand damit zu dekorieren. Und die Lyrik-Bände würden laut aufschreien, weil man ihnen beim Rezitieren jedes Mal von neuem wehe tut.

      Vielleicht würden Bücher, wenn sie sich äußern könnten, darauf bestehen, dass jeder, der ein Buch benutzen möchte, seine Lese-Tauglichkeit durch einen Führerschein nachweist. Wahrscheinlich würden sie den Lesern den Vorwurf machen, dass sie es stets zu eilig haben und wie beim Joggen, von einem Satz zu einem anderen Satz springen, als ginge es darum, eine Strecke hinter sich zu bringen. Mit Sicherheit würden sie sich beschweren, dass man sie ständig missversteht und jedem raten, Wörter und Gedanken nicht hastig zu schlucken, sondern wie Früchte erst einmal in die Hand zu nehmen, sich an ihrem Anblick zu erfreuen, ehe er sie langsam im Mund zergehen lässt. Viele müssen lesen lernen, obwohl sie keine Analphabeten sind.

      Christlich

      Der Kirchenlehrer Tertullian vertrat die Ansicht, die menschliche Seele sei von Natur aus christlich, das Christliche in uns müsse nur zur Entfaltung gebracht werden. Wir machen jedoch die Erfahrung, dass in jedem - auch wenn er sich taufen ließ - ein kleiner Heide steckt, der sich nicht vertreiben lässt und uns einredet, der Glaube sei ein Hindernis für die Entfaltung der Persönlichkeit, weil er verbietet oder fordert, und so unsere Freiheit einschränkt. Wir sind deshalb versucht, die markierten Wege zu verlassen und einen bequemen Pfad zu gehen. In Wahrheit ist jedoch, wer nach den Maßstäben des Evangeliums lebt, mehr Mensch und wäre der bessere Mensch, wenn er ein besserer Christ wäre. –

      Der Heide in uns redet uns auch ein, Gott, der die Welt vielleicht geschaffen habe, habe sich dann hinter die Milchstraße zurückgezogen, und führe dort ein Eigenleben. Diese Sicht, Gott sei weit weg, verführt dazu, den Kontakt mit Gott nicht zu suchen. Die Bibel beteuert das Gegenteil, dass Gott dem Menschen nahe ist und nahe bleibt, ja in uns lebt. –

      Der kleine Heide in uns souffliert uns gern, Gott sei stumm, er antworte auf Gebete nicht und lasse uns allein mit unseren Fragen. So verführt er uns, dass wir den Dialog mit Gott nicht suchen und ihm gegenüber verstummen. Aber Gott ist nicht stumm. Was er uns sagen wollte, hat er gesagt, es ist im Wort Gottes, in der Bibel festgehalten. Der Mensch kann nur eine lebendige Beziehung zu Gott haben, wenn er nicht verstummt.

      Dahinter stehen

      Wenn uns jemand begegnen würde, der pausenlos den Satz vor sich hinspricht: „Die Welt ist rund!“, „Die Welt ist rund!“, wir würden kopfschüttelnd an ihm vorübergehen und ihn für verwirrt und nicht zurechnungsfähig halten, obwohl seine Aussage, stimmt. Die Welt ist wirklich rund. Aber wir würden uns fragen: Warum sagt er überhaupt etwas, was niemand bezweifelt? Was uns stört, ist dieses monotone Wiederholen eines Satzes und der Eindruck: dass da jemand über etwas redet, was er nicht begriffen hat und was ihn nicht berührt.

      Kinder sprechen öfter Wahrheiten aus, die sie gar nicht verstanden haben können. Und Irre sind zuweilen zu verblüffenden Erkenntnissen fähig. Sie äußern nicht selten die vernünftigsten Einsichten, aber so teilnahmslos und kühl, wie das nur einer tun kann, der davon nicht berührt wird und nichts damit zu tun hat.

      Einer, der sich nicht hinter seine Aussage stellt und nicht dahinter stehen will, gleicht einem Irren. Man darf Wahrheiten nicht einfach isoliert und nackt hinstellen. Eine Person und ihre Aussage gehören immer zusammen. Wir erwarten von einem Professor – der ja, wie sein Name sagt, ein Zeugnis ablegen soll – dass er sich zu seinen Aussagen bekennt. Das gilt für den Prediger, den Politiker und Redner: Er soll nicht Wahrheiten aussprechen, die für andere gelten, aber nicht für ihn. Er sollte, ehe er zu reden beginnt, sich den Inhalt zu Eigen gemacht haben.

      So wie es die Angst des Tormanns beim Elfmeter gibt, gibt es die Angst des Redners vor der Aussage: Er könnte mit einem Wort verraten, was er wirklich denkt und fühlt. Die Angst, man könnte ihm beim Wort nehmen und ihn an seiner Aussage messen. Jeder, der nicht zu seiner Überzeugung steht, verdient es nicht, dass man ihm zuhört.

      Demokratie

      Demokratische Gesellschaften kommen – wenn überhaupt – immer nur in Torkelbewegungen voran, weil man von ihnen erwartet, dass sie in jede Richtung einen Schritt tun. Möchte ein Politiker das Gesundheitssystem reformieren, fügt ein anderer hinzu: Aber die medizinischen Leistungen dürfen dabei auf keinen Fall verringert werden. Ein Dritter wird daraufhin erklären, er werde nur zustimmen, wenn der Beitragszahler spürbar entlastet werde. Ein Vierter wird sich dann veranlasst sehen, darauf hinzuweisen, dass man den Blick nicht allein auf das Gesundheitswesen – so wichtig es auch sei - richten dürfe, die Erweiterung des Kindergartenangebotes sei noch dringlicher. Ein Abgeordneter einer anderen Partei wird dagegen einwenden: Man versuche da, an der verkehrten Stelle etwas zu verbessern. Die Erweiterung der Plätze bringe nichts, wenn nicht auch mehr Kindergärtnerinnen eingestellt werden. Ein Fünfter wird ihm sofort ins Wort fallen und ihn belehren: dass nicht die Zahl der Kindergärtnerinnen entscheidend sei, sondern wie gut sie ausgebildet sind. Daraufhin wird einer aus den Reihen der Opposition über ihn herfallen: ob er denn nicht wisse, dass für jedes Kind einmal die Zeit komme, wo es den Kindergarten verlasse, um eingeschult zu werden. Eine gute Schulausbildung, die seine Partei schon seit Jahren fordere, sei weitaus wichtiger. Einer wird ihm dann den Rat geben, einmal die Augen aufzumachen, dann müsse er bemerken, wie dringend kleinere Klassen sind. Er wäre sogar dafür, jedem Kind das Recht einzuräumen, sich seine Lehrer zu wählen, so würde die Lust am Lernen gesteigert. Dem wird ein Parlamentarier zynisch entgegenhalten, dass die beste Ausbildung nichts nütze, wenn Jugendliche am Ende keine Lehrstelle fänden. Ein Parteifreund wird ihm zu Hilfe eilen und diese Forderung mit der Forderung überbieten: Man müsse das Lehrstellenangebot erweitern, damit jeder Jugendliche, je nach seiner Begabung, den Beruf ergreifen kann, der seinen Begabungen und Neigungen entspricht.

      In demokratischen Parlamenten ist es üblich, jede Forderung durch Einwände zu blockieren, durch Einschränkungen abzumildern oder durch noch radikalere Forderungen zu überbieten, und Anträge durch Gegenanträge zu entkräften. Jeder versucht zu beweisen, dass das, was ein anderer eben gefordert hat, von ihm schon seit Jahren gefordert wird, und dass die Probleme, von denen jetzt gesprochen wird, längst gelöst wären, wenn man seine Vorschläge nicht verworfen hätte. Regierungen beteuern stets, dass man auf die Leistungen, Oppositionen dagegen, dass man auf das, was verhindert werden konnte, stolz sein könne.