Werner Karl

Königin der Spiegelkrieger


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den zuvor geöffneten Mund seines Glaubensbruders fallen. Danach schloss er den Mund wieder und beugte sich tief zu ihm hinunter. Aber dies tat er in Wahrheit nur, damit niemand auch nur eine Chance hatte, die Worte zu verstehen.

      Mit leiser Stimme sprach er zu dem Toten.

      «Fy mbrawd wedi marw, llongyfarchiadau i ti! Cymer fy rhodd, defnyddia dy ail gyfle di a wranda: Fydd yna ddim un arall, felly ei ddefnyddia e yn iawn! Bydded ti'n cael dy rwymo arna i am byth a chyfodi di'n fuan!

      Beim letzten Teil des Spruches wusste er, dass sich der Wiedererweckte nicht an ihn gebunden fühlen würde. Schließlich hatte Sétanta dem Trank nicht von seinem eigenen Fleisch und Blut gegeben. Trotzdem hatte er die Worte gesprochen. Er wagte es nicht, an der uralten Magie auch nur eine Silbe zu verändern. Und einen vollständig neuen Ansatz eben mit seinen eigenen Zusätzen konnte er nicht brauen, da er nicht im Besitz des Rezeptes war und schon gar keine Kenntnis der richtigen Dosierungen hatte.

      Nun, das wird sich hoffentlich bald ändern, grinste er in sich hinein und konnte gerade noch seine Heimtücke in diesem Grinsen verbergen, ehe er sich erhob und immer noch lächelnd an Arianrhod herantrat.

      »Wie ich hörte, hast du schon einer Erweckung beigewohnt. Also wird es dir keine Angst mehr bereiten, wenn du bei ihm bleibst. Ich bin davon überzeugt, dass es für ihn von Vorteil ist, wenn du bei ihm bist, wenn er erwacht.« Mit gespielter Fürsorge fasste er sie an den Schultern und drückte sie leicht. »Freue dich, meine Königin. Dein Mann wird bald wieder bei dir sein.« Er lächelte immer noch und Arianrhod war so aufgeregt, dass sie die Falschheit darin nicht sah. »Und es spricht nichts dagegen, dass ich euch in den Bund der Ehe führe, sobald sich seine anfängliche Verwirrung gelegt hat.«

      Er verneigte sich kurz vor ihr und verließ die Kammer.

      Inga und Swidger hatten sich an den Händen gefasst und traten nun zu Arianrhod mac Ruith und ergriffen auch ihre zitternden Hände.

      Es dauert länger als damals bei Swidger und Trebius, dachte Arianrhod und auch die beiden Germanen wurden langsam unruhig. Aber vielleicht liegt es daran, dass er schon so lange … tot ist … war. Sorge und Aufregung verwirrten ihre Gedanken und mit jeder Sekunde, die verging, konnte sie weniger klar denken. Längst hatte sie sich erhoben und eine seiner Hände ergriffen, erschrocken über die anhaltende Kälte diese sofort wieder losgelassen, nur um sie schließlich erneut zwischen ihre bebenden Hände zu nehmen.

      Von den Fackeln waren einige erloschen, aber drei brannten noch und verbreiteten ein gespenstisches Dämmerlicht. Es musste mittlerweile schon nach Mitternacht sein und draußen verharrte nur noch ein Bruchteil der anfänglichen Massen. Kälte und Müdigkeit trieben viele in ihre Zelte und Hütten.

      Gerade wollte auch Arianrhod die beiden in ihre Behausung schicken, als sich das Licht im Raum änderte. Ein grüner Schein mischte sich in das goldgelbe Licht der letzten verbliebenen Fackeln.

      Erleichtert wandte sich Arianrhod an ihre Freunde.

      »Es beginnt.«

      Beide antworteten mit einem gequält aufmunternden Lächeln und beobachteten mit wachsender Spannung das Ansteigen des Leuchtens. Keiner der Drei konnte sagen, wie viel Zeit verging, bis das Licht eine Intensität erreicht hatte, dass es die Leuchtkraft der Fackeln übertraf. Arianrhod sah natürlich an dem vor ihr liegendem Körper das Licht unmittelbar.

      Wie eine zweite Haut schmiegte sich der grüne Schimmer um Túan. Einzelne Schwaden züngelten wie Schlangen über den Leichnam und wanden sich unstet kreuz und quer über Kleidung und Haut. Selbst durch die wenigen Kleidungsstücke drang das immer stärker und stärker werdende Licht. In dem Moment, als Arianrhod glaubte, nicht mehr hinsehen zu können, bildeten sich an beiden Beinen und am Kopf blendend helle Sonnen und umspielten die Wunden. Rasch schloss sie ihre Augen, doch sie musste beide Hände davor legen, um nicht geblendet zu werden. Auch Inga und Swidger wandten sich ab, als das Licht mit seiner Helligkeit das ganze Grab auszubrennen schien. Doch das Grün gab keinen wärmenden oder Freude vermittelnden Schein von sich, sondern hatte einen grausamen, giftigen Ton angenommen, der allen Drei unheimliche Schauder über die Rücken fahren ließ.

      Und plötzlich wand sich Túans Körper wie in Krämpfen und zuckte mit allen Gliedern. Swidger hatte auf Folterbänken schon Menschen gesehen, die sich ähnlich gebärdeten. Immer heftiger wurden Túans Qualen, die er offensichtlich erlitt. Niemand sagte ein Wort, aber jeder – selbst der sonst so unerschrockene Germane – spürten, dass hier eine Veränderung im Gange war, die sich von der Wiederbelebung anderer Picten unterschied.

      Unvermittelt begann der Druide Töne von sich zu geben, ein Wimmern wie von alten Weibern. Innerhalb von Augenblicken steigerte sich das Wimmern zu Trauergeschrei wie von Witwen am Grab eines Verstorbenen. Schlagartig stieß der Halbtote heftige Schreie voller Schmerz und Pein aus.

      Von draußen kamen Catriona und Fionnghal hereingestürmt und blickten verwirrt auf die Szenerie. Auch Maelchon mac Cean wollte in die Kammer, doch für mehr als fünf Personen um den Aufgebahrten bot sie keinen Platz. Also blieb er im Eingang stehen und blickte entsetzt auf das unheimliche Leuchten.

      Zehn Hände versuchten Túan zu bändigen und mussten alle Kraft aufwenden, um seiner Stärke etwas entgegensetzen zu können. Wäre er bei vollem Bewusstsein gewesen, so hätte ihre gesammelte Kraft nicht ausgereicht um seiner Herr zu werden. Eine dämonische Macht hatte ihn ergriffen und Arianrhod betete zu allen Göttern – römischen wie cruithischen -, dass er die Prozedur überstand.

      Und wieder schob jeder für sich den außergewöhnlichen Verlauf der Erweckung auf den Umstand, dass eben eine lange Zeit verstrichen war, bevor der Trank verabreicht wurde. Alle traten an die Liegestatt heran und versuchten, den sich aufbäumenden, zitternden Körper zu beruhigen oder wenigstens davon abzuhalten, auf den Boden zu stürzen.

      Túan schrie nun mit seltsam veränderter Stimme auf und brüllte unverständliche Worte so laut heraus, dass die vor der Gruft wartenden Cruithin unruhig wurden und nervös um sich blickten. Doch kein Feind oder Dämon zeigte sich.

      Arianrhod verfolgte mit wild schlagendem Herzen und verkrampften Fingern, wie sich die Wunden endlich schlossen, als hätte es sie nie gegeben. Mit dem letzten Schorf, der verschwand, erlosch auch das grüne Glühen und verebbte das Geschrei ihres Geliebten und sie war für beides dankbar. Recht viel länger hätte sie diese Tortur nicht ertragen können. Fast war es ihr vorgekommen, als packe eine alte Macht aus uralten Zeiten nach ihrem Herzen und umfing es mit eiskaltem Griff.

      Nur langsam beruhigte er sich und sie begriff, dass der Vorgang abgeschlossen war. Statt einer kalten, scheinbar toten Hand, hielt sie neues Leben in der ihren, spürte verhaltene Wärme aufkommen. Endlich lag er wieder völlig still da und sie fürchtete schon, der Zauber hätte trotz des vorherigen Tobens nicht gewirkt. Sie führte ihre Rechte auf seinen Brustkorb und hielt den Atem an, so als könnte sie seinen nicht wahrnehmen, wenn sie selbst atmete.

      Und tatsächlich; seine Brust hob und senkte sich. Ruhig, gleichmäßig, als hätte sie nie aufgehört, Luft in seine Lungen zu pumpen.

      Als er schließlich seine Augen öffnete und im schwachen Schein der wenigen Fackeln um sich blickte, brach es aus Arianrhod hervor. Sie warf sich auf seine Brust und weinte mit ohnmächtigem Schluchzen. Fast hätte sie seine leise Stimme nicht vernommen, als er ihr zuflüsterte:

      »Hab keine Angst, ich bin wieder bei dir.«

      Kapitel III

       A. D. 183, Februar

       Zusammenkünfte

      Túan saß stumm an der Liege des Jungen und beobachtete fasziniert dessen Schlaf. Seit Stunden sog er jedes Detail seines Sohnes in sich auf und genoss den Frieden, den das Kind seiner Meinung nach ausstrahlte. Immer wieder entdeckte er Merkmale von dessen Mutter und sich selbst an ihm und freute sich über die verhaltenen Bewegungen des Kleinen.

      Brannon hatte das schwarze Haar seiner Mutter, dazu ihre vollen Lippen und - wie Túan in wachen Stunden bemerken konnte -, auch deren dunkle