Uwe Plesotzky

Schnell mal gelacht


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des nun folgenden Gespräches, überlegte ich die ganze Zeit fieberhaft, woher ich ihn kennen könnte. Aber trotz aller Anstrengungen und geistigen Verrenkungen meinerseits fiel mir absolut nichts zu ihm ein. Dabei hätte mir schon ein winziges Detail oder ein einziger gemeinsamer Ort gereicht. So hätte ich ihm ja auch ganz deutlich zu erkennen geben können, dass auch ich wusste, wer er war. Aber ich konnte mit absolut nichts was er erzählte etwas anfangen. Er schien allerdings nichts davon zu bemerken, denn ohne groß auf die Feinheiten des Gesprächs einzugehen, erzählte er mir von seiner Familie. Davon, dass sein ältester Sohn jetzt eine Lehre angefangen hatte, seine Frau letztes Jahr im Krankenhaus lag, und er sich demnächst ein neues Auto zulegen wollte. Aber wer um alles in der Welt war dieser fremde Mann eigentlich?

      So unterhielt ich mich mit ihm eine ganze Zeit lang, eigentlich war es mehr eine einseitige Unterhaltung, ein Monolog seinerseits. Er redete, und ich hörte zu, was mir natürlich in meiner momentanen Situation mehr als recht war. Was hätte ich ihm auch erzählen sollen? Wer weiß, vielleicht verwechselte er mich ja sogar mit einem anderen, den er von früher her kannte. So beschränkte ich mich eben auf das Zuhören und nickte ab und zu sehr bedächtig mit dem Kopf. Dies, zusammen mit einem interessierten Ah ja, schien ihm vollkommen ausreichend, und eine Bestätigung dafür, weiterzuerzählen.

      Die Sekunden flossen erschreckend langsam dahin, und ich überlegte schon sehr verzweifelt, wie ich hier fortkommen könnte, ohne ihn aufs Äußerste zu beleidigen. Aber genauso, wie ich nicht wusste, wer er war, oder was er wollte, genauso fiel mir keine Möglichkeit ein, diesem mittlerweile recht unangenehmen Gespräch zu entfliehen. Ich saß in der Falle, wie ein Fisch am Haken. So stand ich also da, und gab vor äußerst interessiert an dem erzählten zu sein, während ich innerlich vor Langeweile gähnte, und am liebsten einfach abgehauen wäre. Wer immer der Fremde auch war, er hatte eine außergewöhnliche Begabung, er konnte so langweilig erzählen, dass auch der stärkste Wille nicht ausreichen würde, um zu verhindern, dass man beim Zuhören einschläft. Es gab in seinen Erzählungen weder witzige Stellen noch interessante Details.

      Krampfhaft unterdrückte ich einen Gähner nach dem anderen. Zu meinem Glück schien er dies aber gar nicht zur Notiz zu nehmen. Oder war es ihm gar vollkommen gleichgültig, und er suchte nur jemanden, dem er seine extrem langweilige und trostlose Geschichte erzählen konnte.

      Genau in dem Moment, in dem ich am Verzweifeln war, und mir schon überlegt hatte einen Schwächeanfall vorzutäuschen, nur um diesem Gespräch zu entkommen, kam meine Rettung um die Ecke. Meine Frau ging den langen Gang hinunter in Richtung der Kassen. Schnell hob ich die Hand und rief sie. Ich verabschiedete mich bei dem Fremden mit den Worten, dass es mir leidtut und ich gerne noch lange mit ihm reden würde, aber ich müsste jetzt los, denn meine Frau hat noch einen wichtigen Termin, den sie unter gar keinen Umständen verpassen dürfte. Zum Glück braucht man bei einer Verabschiedung auch keinen Namen, und so entkam ich dem uninteressanten und wirklich extrem langweiligen Monolog des Fremden.

      Diese wirklich seltsame Begegnung hatte mich dermaßen mitgenommen, dass ich später im Getränkemarkt nicht aufpasste. Da dieser Getränkemarkt in einem extra Laden ist, gehen wir immer anschließend dorthin. Heute aber ging ich als Erster dorthin, während meine Frau noch beim Bäcker anstand.

      Nun gibt es dort einen Automaten für das Leergut. In die obere Öffnung legt man alle Flaschen einzeln hinein, und ganz unten gibt es ein Förderband, auf das man die leeren Getränkekisten stellen kann. Ich nahm also unseren Korb und legte die Flaschen in die obere Öffnung, um anschließend unseren Korb auf das untere Förderband zu stellen. Dumm nur, dass dies ja keine leer Kiste war, sondern eben unser Korb. So blieb mir denn auch nichts anderes übrig, als sehr kleinlaut eine Verkäuferin zu bitten, mir meinen Korb wiederzugeben. Wahrscheinlich kann man das Echo ihres Lachens noch heute hören. Mittlerweile war auch meine Frau in den Getränkemarkt gekommen und hatte sich zu mir gesellt. Wir stellten alle Getränke, die wir mitnehmen wollten, auf unseren Einkaufswagen, und gingen dann zur Kasse. Ausgerechnet an die Kasse, an der jene Verkäuferin saß, die mir meinen Korb wieder herausgegeben hatte. Mit leicht gesengtem Kopf und der Hoffnung, dass sie nichts sagen würde, stand ich also neben meiner Frau an der Kasse. Leider erfüllte sich mein Wunsch nicht. Die Verkäuferin erkannte mich auf Anhieb und begrüßte mich auch prompt mit den Worten: „Ah der Mann mit dem Korb“. Dies wiederum interessierte dann meine Frau, und so kam eins auf das andere. Mir blieb nichts anderes übrig, als einfach mitzulachen, und so zu tun, als ob es mir weder peinlich, noch unangenehm wäre. Ich weiß noch ganz genau, lieber hätte ich in einer Apotheke, voller Nonnen, ein Päckchen Kondome gekauft, als dort so zu stehen. Um der ganzen Angelegenheit noch die Krone aufzusetzen, fragte meine Frau mich dann auch noch, wer das denn vorhin gewesen war, mit dem ich mich so angeregt unterhalten hatte. Ich zuckte nur mit den Schultern. Auch auf die dann folgende Frage, warum ich ihn nicht einfach gefragt habe, wer er denn nun sei, konnte ich keine wirklich gute Antwort geben.

      Den Blick der Verkäuferin kann ich hier nicht mehr wiedergeben. Aber eines wusste ich ganz sicher, egal wer es war, wenn ich ihn das nächste Mal hier treffen würde, dann könnte ich meiner Frau schon vorher sagen, dass sie mich nach zwei Minuten erlösen sollte. Denn eins steht ja mal fest, man kann immer mal vergessen, wen man früher kannte, aber wenn man gar nichts vergisst, und sollte es noch so langweilig gewesen sein, und es dann anderen unaufgefordert erzählt, dann kann dabei tödliche Langeweile aufkommen.

      Der Zug nach Aschaffenburg

      Es war ein sonniger Tag Anfang September, und im Nachhinein bin ich auch sehr froh darüber, dass es ein warmer Tag war. Nicht unbedingt, dass es im September war, aber das es sonnig war, andernfalls wäre dieser Tag wirklich nur schlecht in der Erinnerung geblieben. Wir machten uns schon recht früh auf den Weg nach Aschaffenburg. Genau genommen machten wir uns erst mal auf dem Weg zum Bahnhof, den dieser liegt von unserem Haus eineinhalb Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt. Wir hatten um vierzehn Uhr einen wichtigen Termin in Aschaffenburg, und den wollten wir auch ganz gerne einhalten. Zu unserem Glück wussten wir erstaunlicherweise das es bei der Bahn im Allgemeinen, und im Nahverkehr im Besonderen, ab und zu mal zu leichten Verspätungen kommen kann. Mit diesem Wissen gewappnet machten wir uns also wirklich rechtzeitig auf den Weg. Da wir über moderne Technik verfügen, war es auch gar kein weiteres Problem sich die Fahrtstrecke und die Verbindungszüge aus dem Internet herauszusuchen und aufzuschreiben. Mit diesem geballten Wissen und hoch motiviert verließen wir also sehr früh morgens das Haus. Alles war bis ins kleinste Detail geplant, die Tür war verschlossen, das Wasser aus und es hatte auch ganz sicher niemand das Bügeleisen angelassen.

      Da wir gerne genau planen, meine Frau wohl ein klein wenig mehr wie ich, gingen wir am Bahnhof noch einmal zur Information und ließen uns unsere aufgeschriebenen Daten bestätigen und noch einmal ausdrucken. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen, denn das die Bahn und wir uns irrten, das wäre schon recht unwahrscheinlich gewesen. So standen wir dann etwa eine halbe Stunde zu früh am Bahnsteig und warteten geduldig auf unseren Zug, der uns nach Aschaffenburg bringen sollte. Auf jeden Fall sollte er uns aber in etwa dort hinbringen, denn wir mussten unterwegs dreimal umsteigen. Aber das sollte uns ja keine Probleme bereiten, wir waren ja gut vorbereitet. Es vergingen ein paar Minuten, dann fuhr der Zug langsam in den Bahnhof ein. Wir waren außergewöhnlich beeindruckt, denn das die Bahn so pünktlich ist, damit hatten wir wirklich nicht gerechnet. Froh darüber, dass wir nun sehr pünktlich abfahren würden, stiegen wir schnell in den Zug um uns einen guten Platz zu sichern. Es stellte sich aber schnell heraus das wir uns gar nicht zu hetzen brauchten, denn der Zug war nicht besonders voll. So bekamen wir einen ausgezeichneten Sitzplatz und konnten einer entspannten Fahrt entgegenblicken.

      Es kam uns schon ein wenig seltsam vor, als der Zug sich fast eine viertel Stunde zu früh in Bewegung setzte. Dass die Bahn unpünktlich ist, gut. Dass sie gerade mal so pünktlich abfährt, auch gut, aber das sie früher losfährt! In Panik zogen wir unseren Plan hervor und suchten nach den Zeiten. Es stimmte alles genau, jeder Bahnhof zum Umsteigen, jeder Zug, alles bis auf eine winzige Kleinigkeit. Wir saßen im falschen Zug!

      Jetzt wurden wir doch ein klein wenig nervös. Was sollten wir jetzt tun, hatten wir doch einen wichtigen Termin in Aschaffenburg. Es stellte sich zum Glück heraus, das der Zug trotz allem in die richtige Richtung