Helfried Stockhofe

Familienlieben


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       Helfried Stockhofe

       Familienlieben

      Familienlieben

      Helfried Stockhofe

      Copyright: © 2018 Helfried Stockhofe

      Verlag: Helfried Stockhofe, 93455 Traitsching

      helfried.stockhofe(at)web.de

      Druck: epubli, ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

       Helfried Stockhofe

      Familienlieben

      Kriminalgeschichten

      Vorbemerkung

      Wie schon in den Kriminalgeschichten des Taschenbuchs „Birtele, reißen Sie sich zusammen!“ versuchen die beiden Kommissare Flinker und Birtele, Licht in das Dunkel der oberpfälzischen Verbrecherszene zu bringen – und bekommen dabei natürlich wieder die Hilfe gescheiter Psychologinnen!

      Man muss zum Verständnis der Handlung das Vorgänger-Buch nicht gelesen haben, denn nur an ganz wenigen und unbedeutenden Stellen wird hier darauf Bezug genommen.

      Die Namen der Personen wurden von mir wiederum assoziativ gewählt und die Handlungen frei erfunden.

      Helfried Stockhofe

      Neid, Eifersucht, Ehrgeiz und jede Art von Gier

      sind passiones, die Liebe dagegen ist eine actio,

      die Betätigung eines menschlichen Vermögens,

      das nur in Freiheit und nie unter Zwang

      möglich ist.

      (Erich Fromm: Die Kunst des Liebens)

      Kapitel 1

      Die Schicksalsbefragung

      1

      Als ich in den Spiegel schaute, sagte der Mann, der sehr meinem Vater ähnelte: „Ich bin keine fünfzig mehr“. Nach dem ersten Schreck wegen meines Selbstgesprächs, nahm ich an, ich hätte es gesagt, um mich über das alt gewordene Gesicht hinwegzutrösten – sagen wir besser das reif gewordene - oder vielleicht aus Selbstmitleid oder gar zur Verteidigung gegen Kritik. Letzteres hätte gut sein können, weil ich mir ein Leben lang Bemerkungen zu meinem Gesicht anhören musste, allerdings meist zu seiner Farbe: Bist du aber blass! Du solltest nicht ständig hinter dem Schreibtisch sitzen! Gab´s keine Sonne auf Mallorca? Und ähnlichen Quatsch. Aber nein, ich wehrte mich vor dem Spiegel nicht gegen Kritik, sondern hatte mich vielmehr mit meinem Vater identifiziert, der gerne solche Sprüche losließ. Nicht nur vor dem Spiegel. Und den Altersspruch sagte er vermutlich, weil er sich wirklich alt und verbraucht vorkam.

      Früher bereitete man sich ab Anfang 50 auf die Rente vor, heutzutage hat man endlich die Midlifecrisis hinter sich und beginnt in gefestigter Existenz seinen dritten Berufsabschnitt. Einen Abschnitt, der frei ist von weiteren Aufstiegen und in dem man als Beamter den berühmten silbernen Löffel stehlen muss, um seinen Job zu verlieren.

      Ich merke schon, ich rede wieder nur von meinem Vater und von mir, also einerseits von dem Fabrikarbeiter, der in meinem Alter mit genügend Behinderungen in die vorzeitige Rente ging und andererseits von dem 56-jährigen Kriminalhauptkommissar, der keine Ambitionen mehr hat, sich besondere Fleißkärtchen zu verdienen. Ich muss nicht mehr buckeln und anderen gefallen, lebe hier in der Oberpfalz eher ruhig – aber keineswegs mit gelangweilter Miene! - und denke mir: Flinker, das wird noch eine gute Zeit bis zur Pensionierung!

      Ich gehöre offenbar zu den Privilegierten!

      Auch privat ist alles in trockenen Tüchern. Weder bin ich ein besonders kauziger und schon gar nicht schwieriger Typ. Ja, ich bin völlig normal, keine verkrachte oder seltsame Existenz wie die Kommissare in Kriminalromanen und Fernsehkrimis. Vielleicht bin ich ein Langweiler. Auch meine familiären Verhältnisse sind in Ordnung. Es fehlt mir an nichts. Selbst gesundheitlich bin ich – im Großen und Ganzen - auf dem Posten, wenngleich man mir das, wie eben gesagt, nicht ansieht. „Der Flinker ist heute wieder einmal besonders blass!“, flüstern manche Kollegen hinter meinem Rücken. Blödsinn, rufe ich denen zu, die es noch nicht wissen: Ich bin immer blass! Schon seit meiner Kindheit! Weil es meiner Mutter nie gelang, mir mit dem Rotbäckchensaft die nötige „gesunde Farbe“ einzuflößen! Inzwischen trauen sich nur noch wenige, meine Blässe anzusprechen. Den meisten fällt sie ohnehin nicht mehr auf. Sie haben sich daran gewöhnt.

      Außer meinem blassen Teint ist also alles ganz normal. Deshalb gibt es bei mir, wie bei jedem Menschen, auch Ungewöhnliches:

      Meine Mutter ist viel zu früh gestorben und mein Vater hat sie lange überlebt. Das ist ungewöhnlich. Aber jetzt ist er auch schon lange tot. Auch zu früh gestorben. Ich bin also ein Waise. Sagt man das auch bei einem erwachsenen Mann? Etwas verwaist fühle ich mich jedenfalls ab und an, besonders weil hinzukommt, dass ich weder Geschwister habe – was vielleicht mit Mutters frühem Tod zusammenhängt – noch Kinder, was damit zusammenhängt, dass … Doch das tut hier nichts zur Sache. An meiner Frau lag es jedenfalls nicht! Aber dieses Verwaistsein, so hat mir das einmal meine Freundin Alina erklärt, sei für mich eine Grundlage für besondere Außenbeziehungen. Die Psychologin muss es ja wissen …

      Also, ich habe eine Frau und eine Freundin. Und natürlich nette Kollegen! Besonders meine „Rechte Hand“, den Birtele. Aber damit kein Missverständnis aufkommt: Die Psychologin Alina ist wirklich nur eine Freundin, keine Geliebte! Sie spielt mit ihrer Bemerkung an auf meine Beziehung zu einer früheren Kollegin, auf meinen engen Kontakt zum Birtele und wohl erst ganz, ganz am Schluss auf mein Faible für sie selbst. Sie weiß, dass ich sie mag! Suche ich Eltern, Kinder, Geschwister in den mir nahestehenden Mitmenschen? Fehlt mir also doch etwas?

      Birtele merkt wahrscheinlich gar nichts davon, dass ich ihn ins Herz geschlossen habe. Daran sei mein besonderer Charme schuld, meint Alina. Dass er nichts merkt. Ich weiß nicht so genau, was sie darunter versteht. Aber ich frage lieber nicht nach.

      Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ich mich mit Birtele gelegentlich nach Dienstschluss treffe. Manchmal wundert es mich, dass er nicht endlich einmal privat sein will, wo er mich doch den ganzen Tag über sieht. Vermutlich hat er auch nichts Besseres vor. Aber immer windet er sich, schaut in seinem Terminkalender nach … Doch dieses Mal wollte er unbedingt mitkommen, weil ich mich mit Alina verabredet hatte. War er eifersüchtig? Natürlich ließ sich sein Interesse auch beruflich erklären – und das hat er dann auch ausführlich getan. Was wollte ich da schon dagegen sagen!

      Wir warteten in einem „Restaurant“ auf Alina, nicht einfach nur in einem „Wirtshaus“. Nun es war nichts Vornehmes, aber etwas Besonderes. Seltsame Stahlsäulen stützten eine Stuckdecke und alles hatte einen Jahrhundertwende-Charme. Da meine ich den Beginn des 20. Jahrhunderts. Woher der Stuck kam, weiß ich nicht. Und welchem Zweck früher einmal dieses Gebäude diente … Na, ja, vielleicht würde mir Alina das verraten.

      Mir fiel auf, dass nur wenige Paare den Weg hierher gefunden hatten. Nein, eigentlich ist das falsch: Überall saßen Paare, aber nicht Mann und Frau, sondern gleichgeschlechtliche Paare. Waren das „Paare“? Also ich meine, es könnten auch „nur“ Freunde oder Freundinnen gewesen sein, nicht einmal homosexuelle - aber vielleicht auch „nicht verpartnerte“, „verpartnerte“ oder richtig verheiratete Schwule und Lesben. Bewege ich mich auf dünnem Eis?

      Doch, es waren wohl „Paare“, die meisten jedenfalls, denn statt Alina tauchte ein Rosenverkäufer auf und bat uns „Blumen für den Liebsten“ an. Natürlich wandte er sich an den Älteren, also an mich. Nicht, weil er selbst schon recht alt war – oder vielleicht doch deswegen? Der Ältere muss dem Jüngeren Blumen kaufen! Ich verlor bei dieser Ansprache meine Blässe, aber nur kurz, später amüsierten wir uns aber darüber, weil er glaubte, Birtele und ich wären schwul. Vorher aber erklärte ich dem alten Mann, dass meine Liebe zu meiner Frau keines Rosengeschenkes bedürfe. Für den anderen war damit aber nicht klar, ob ich Birtele als „meine Frau“ bezeichnete oder ich meine daheimgebliebene Frau mit Birtele betrog. Der Verkäufer zog aber davon, als ich zu Birtele sagte, dass meine Frau daheim wohl misstrauisch sein würde,