Hanna Perlmann und Ilonka Svensson

Das Paradies hat einen Namen


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weida, Saubazi, sakrischa, pfui daife, oide Sau, oide“ , Gaugigl vom Nachbarhaus beschimpfte mal wieder die Paarungsversuche seines Rauhaardackels Purzel mit einer Mischlingshundedame. Sein Türabstreifer, der inzwischen im ganzen Viertel berühmt geworden war, trug die provozierende Aufschrift: „Fuck in oder schleich di“. Zahlreiche Nachahmer hatten sich bereits gefunden.

      Maximilian Gernleitner zog erheitert einen handschriftlich verfassten Zettel für das anstehende Interview mit dem Journalisten Gustl Wachtmeister von der Abendzeitung aus seiner Jackentasche. Ein Blick darauf ermunterte ihn, die Schlagworte leise vor sich hin zu deklamieren:

      “ Leichte Schalen, sinnliche Hüllen haben mein Leben bestimmt. Die Edeldemokratisierung der Mode ist die Vision meines Konzepts. Toplösungen für Geschäftsleute beruflich und privat, elegant und leger. Mode kann und soll nicht Sünde sein.Casual Wear als sportliches Outfit für Millionen.....“

      Damit würde er mit Sicherheit die schlechte Presse seiner letzten Modenschau wieder wettmachen und sein renommiertes Modeunternehmen „All about Adam“ gebührend positionieren. Er zahlte, nahm Jacky an die Leine, stand auf und schlenderte wieder zurück in die Hans-Sachs-Straße.

      Das Bestattungsinstitut Denk parkte mit einem schwarzen Leichenwagen vor der Eingangstür des Friseurgeschäftes von Sascha Sand. Ein Sarg wurde gerade herausgetragen. Gaugigl kommentierte ungeniert das Geschehen:

      „Kimm I grad daher, siag des, der Sascha, furt is er, der kimmt nimmer net, der Wahnsinn! Kimm, geh weiter, Purzel, Depp damischer.“

      Genaueres erfuhr Gernleitner von einem der anwesenden Polizisten. Sascha Sand war am frühen Morgen in seinem Friseursalon tot aufgefunden worden, erdrosselt mit dem Stromkabel eines Haarföns.

      Die Spurensicherung wurde gerade abgeschlossen und der Sarg unter den Augen zahlreicher Schaulustiger und eintreffender Journalisten in den Leichenwagen getragen. Gernleitner erkannte Gustl Wachtmeister von der Abendzeitung, der gierig vor Sensationslust, aber vergeblich die Absperrung der Polizei zu überwinden suchte. Als er Gernleitner erblickte, stürzte er auf ihn zu und stellte ihm hastig mehrere Fragen.

      „Ja natürlich hab ich den Sascha gekannt. Einer meiner besten Kunden und auch ich einer seiner besten Kunden. Ah geh, Feinde hat der doch nicht gehabt, nein niemals, Sascha war bei allen sehr beliebt. Ein äußerst talentierter und erfolgreicher Hairstylist, schrecklich, wie konnte das nur passieren?“

      Sie verschoben das anstehende Interview über „All about Adam“ auf den nächstenTag.

      Das Böse hatte sich heimlich in das Paradies geschlichen und sich in die sicherste Stadt Deutschlands verirrt.

      Kapitel 2

       Rom ruft

      Maximilian Gernleitner parkte seinen schwarzen Porsche vor dem Bogenhausener Kirchplatz und betrat gedankenversunken den kleinen Friedhof. Dass der Tod so schnell Einzug in seiner Familie halten würde, hätte er sich noch vor einer Woche nicht träumen lassen.Verloren blickte er in die dunkelgrauen Wolken und warf einen kurzen Blick nach rechts auf das Grab seines Lieblingsschriftstellers Erich Kästner:

      Liebe das Leben, und denk an den Tod!

      Tritt, wenn die Stunde da ist, stolz beiseite.

      Einmal leben zu müssen

      Heißt unser erstes Gebot.

      Nur einmal Leben zu dürfen,

      lautet das zweite.

      Großartig, dieser Erich Kästner, der genauso wie er an seiner Mutter gehangen hatte. Er öffnete die Eingangstür der St. Georg Kirche und schmunzelte, wie schon so oft, über das Deckenfresco des Schutzpatrons St. Georg, dessen debiler Gesichtsausdruck über den Eintretenden schwebte.

      Die Trauergemeinde schien bereits vollzählig zu sein. Das Blumengebinde auf Mutters weißem Sarg passte vorzüglich, rote Rosen, verflochten in weißem und grünem Efeu, gebunden zu einem Kranz.

      Er nahm in der ersten Reihe neben seiner Schwester Barbara Platz. Während die sonorige Stimme des Pfarres Hochgruber kryptisch diffus in seine Ohren drang, dachte er an das letzte Telefonat mit Mama.

      Sie hatte wohlauf, ja sogar beschwingt geklungen. Zumindest hatte sie nicht leiden müssen, schnell und schmerzlos war sie nach einer kurzen Herzattacke in eine andere Welt verschwunden.

      Nach dem Trauergottesdienst folgte Gernleitner gemessenen Schrittes dem Sarg der Mutter. Seine handgenähten Haferlschuhe der bayerischen Traditionsfirma Meindl knirschten auf der feuchten Kieselerde beim letzten Geleit.

      Welch eine hervorragende Ruhestätte für Rosa Gernleitner. Hinter ihr lag Prof. Dr. Felix Burda, zu ihrer linken Josef Schörghuber und zu ihrer rechten ihr Lieblingsschauspieler Sigfrid Lowitz, auf dessen Grabstein sein Neffe Archi Platz genommen hatte.

      Mit verquollenen Augen ließ er eine weiße Rose auf den Sarg von Mama fallen, dann waren seine Schwester Barbara an der Reihe und ihr Mann Klaus, der es selbst bei diesem Anlass fertiggebracht hatte, einen farblich völlig deplazierten und geschmacklosen Anzug zu tragen. Archi tippte verstohlen eine SMS.

      Eins war klar: Daphne, Mamas cremeweiße Perserkatze, wird er auf jeden Fall nach München mitnehmen. Schon rein optisch gesehen würde sie sehr gut zu seiner Wohnungseinrichtung passen. Und Jacky, sein Jack Russell, würde sich im Laufe der Zeit an sie gewöhnen. Leicht unbehaglich wurde ihm beim Gedanken an die anfänglichen Jagden zwischen Hund und Katz – einige seiner schneeweißen Pilati-Diwane würden dran glauben müssen. Na ja, das Erbe würde für etliche Neubezüge reichen. So ist´s halt – was reingeht, geht auf die ein oder andere Weise wieder raus.

      Geradezu gelitten hatte Mama jahrezehntelang an ihrer Ehe mit Alois Gernleitner, einem despotischen stockkonservativen Mühldorfer, dessen zäher pflichtversessener Ehrgeiz ihm schließlich in der Staatskanzlei die Position eines Staatssekretärs eingebracht hatte. Seinen sensiblen, der Kunstästhetik zugeneigten Sohn hatte er regelrecht gehasst und ihn deshalb vor 10 Jahren in seinem Testament komplett übergangen. Leichte Schadenfreude keimte in ihm beim Gedanken an die Gesichter von Barbara und Klaus auf, wenn das mütterliche Testament verlesen würde. Auch sie würden sich dann der Herausforderung stellen müssen, nicht aus dem Erfolg, sondern aus Krisen zu lernen. Ihre voraussehbare Wut wäre dann nicht sein Problem. Als erfolgreicher Münchner Modedesigner und Inhaber des Unternehmens “All about Adam” wusste Gernleitner zu gut, wie wichtig es ist, Bedenkenträgereien gleich optimistisch nach vorne zu korrigieren.

      Auf seiner Porscheheimfahrt nach München kreisten seine Gedanken noch um den Leichenschmaus für Mama, für den er eigens ihren einstigen Lieblingsplatz am Starnberger See ausgesucht hatte, das Hotel Kaiserin Elisabeth. Ungeachtet des In-Titels "Golfhotel" schien die Zeit dort dank nicht stattgefundener Sanierungen stehengeblieben zu sein. Die Verzauberung bemächtigte sich unwillkürlich aller Besucher und Gernleitner hätte sich nicht gewundert, wenn seine Mutter plötzlich lächelnd auf einem der alten Fauteuils gesessen hätte. Alle ihre ehemaligen Freundinnen aus dem Bridge Club waren nach der Beerdigung zum Leichenschmaus, einem hervorragenden Tafelspitz, gekommen. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester waren sie feine kultivierte Damen, allen voran Freifrau von Gumppenberg-Pöttmeß-Oberbrunnberg. Sie hatte es sich trotz des traurigen Anlasses nicht nehmen lassen, nach dem dritten Prosecco hemmungslos mit Maximilian zu flirten und mehrmals auf die "so sehr gegensätzlichen Charaktere von Vater Alois und Sohn" anzustoßen. Diese heitere Runde ließ Barbara und Familie wie Fremdkörper erscheinen – fast schon amüsiert beobachtete er die demonstrative Eitelkeit des Oberstudienrats Klaus, die verkrampfte Verbissenheit seiner Schwester und seinen Neffen Archi, diesen überbehüteten Klugscheißer. Der einzige Wortwechsel mit seiner Schwester bestand darin, dass sie sich kühl bei ihm für die Begleichung der gesamten Rechnung bedankte.

      Na ja, diese Bagage war er erst mal los. Im Foyer des Bayerischen Hofes warteten schon Kiki mit Hund Daisy bei einem Gläschen Taiti.

      “Maxl, du musst jetzt erst amol zu dir selbst kimma, i war a beim Tod meiner Mama lange Zeit down. I woaß, wie dir zumut ist ! “ Diese Worte