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Galina Hendus
Beziehungen
Geschichten ohne Grenzen
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Inhaltsverzeichnis
Die Fahrt
Als Journalist mit langjähriger Berufserfahrung hatte ich einen reizvollen Auftrag erhalten. Man erwartete extraordinäres – oder auch nur interessantes – Material. Wie spannend, das war vor Ort zu klären, aber dazu musste ich eiligst eine Dienstreise antreten. Verschiedene Gedanken rund um den Auftrag kreisten in meinem Kopf, die ich jedoch noch nicht klar formulieren konnte. Als Erstes überhaupt musste ich entscheiden, wann ich fahren würde. Für einen Journalisten, der sich mit einem neuen Thema beschäftigt, ist eine rasche Einarbeitung wichtig. Aus diesem Grund galt es, mir so schnell wie möglich eine Fahrkarte zu besorgen.
Ich betrat die große, helle Halle des vor Kurzem modernisierten Bahnhofs und schaute mich nach dem Schalter für Fernzüge um. Zwei junge Mädchen, vielleicht Studentinnen, die davorstanden, nannten ihr Reiseziel, erhielten umgehend ihre Fahrkarten und gingen wieder, vergnügt plaudernd. Ich beugte mich zum Schalter vor und sagte: „Eine Fahrkarte nach Swiburg für morgen, bitte.“
Bei dem Wort „Swiburg“ zuckte die Kassiererin zusammen und nahm ihre dunkle Brille ab, wahrscheinlich, um mich besser betrachten zu können. Ich fand ihr Gebaren seltsam, aber es gibt viel Seltsames auf der Welt!
„Falls Sie nach Swiburg reisen wollen, müssen Sie rechtzeitig am Bahnhof sein“, sagte die Kassiererin, setzte ihre Brille wieder auf und tippte meine Angaben in den Computer ein, um zu sehen, ob es noch freie Plätze gab.
„Wie im Flughafen: Check-in zwei Stunden vor der Abreise!“, scherzte ich und freute mich, dass es diesen Anlass zum Scherzen gab. Überhaupt bin ich ein fröhlicher Mensch und kein Kind von Traurigkeit.
„Wir haben kein Check-in“, seufzte die Kassiererin und betrachtete mich voller Ernst über den Rand ihrer Brille hinweg, wohl fassungslos darüber, dass ich die simpelsten Sachen nicht zu wissen schien. „Es ist einfach so, dass Sie große Probleme bekommen, falls Sie den Zug verpassen. Man muss ja auf alles im Leben vorbereitet sein, was leider nicht alle Menschen begreifen. Viele nehmen ihre Gegenwart auf die leichte Schulter, und später bereuen sie es bitter.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte ich, diesmal ohne Lächeln, weil ich wirklich kein Wort von dem verstand, was die Kassiererin geäußert hatte. Ich las ihren Namen auf dem schmucken Namensschildchen, das an ihrer Uniformjacke befestigt war, und versuchte die Situation zu klären:
„Tanja, verzeihen Sie, aber ich verstehe nur Bahnhof. Können Sie mir noch einmal erklären, was das alles zu bedeuten hat?“
„Was haben Sie denn nicht verstanden, Oleg? Ich habe mich doch klar und deutlich ausgedrückt.“
„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte ich ziemlich unbeholfen und fühlte, wie ein diffuses Angstgefühl meine Seele befiel.
„Das steht auf Ihrer Stirn geschrieben“, sagte die Kassiererin streng.
Die Antwort brachte mich dermaßen aus der Fassung, dass ich unwillkürlich meine Stirn berührte, als könne ich dadurch die Richtigkeit des Gehörten überprüfen.
„Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, hören Sie mir lieber noch einmal aufmerksam zu.“ Die Kassiererin nahm erneut ihre Brille ab und sah mich an. Ihr Blick war ernst, aber eigentlich nicht streng, sondern eher mitfühlend, so, als ob sie mir helfen wollte, wozu sie sicherlich gar nicht verpflichtet war:
„Versuchen Sie, Ihren Zug nicht zu verpassen – das ist enorm wichtig. Wenn Sie heute diesen Fehler machen, wird es morgen für Sie vielleicht unmöglich sein, ihn zu berichtigen. Unsere heutigen Fehler können wir morgen nur unter größten Schwierigkeiten, meistens aber gar nicht mehr ausräumen, da der Zug schon abgefahren ist. Sie können den Zug nicht einholen, Sie können nicht ausmerzen, was Sie aus eigener Unachtsamkeit vermasselt haben. Versuchen Sie, immer und überall rechtzeitig zu sein, und schenken Sie jeder Kleinigkeit die größte Aufmerksamkeit. Kleinigkeiten sind nicht so klein, wie oft gedacht wird. Sie sind ein wichtiger Bestandteil Ihrer Gegenwart, ohne die es Ihre Zukunft nicht gibt.“
„Warum reden Sie von meiner Zukunft? Ist es bei Ihnen denn anders? Haben Sie keine Zukunft?“ Mein Mund war schneller als mein Verstand.
„Zukunft hat jeder, der es will. Aber manchmal bauen sich die Menschen eine Zukunft, die nicht einmal ein Osterhase gerne hätte, geschweige denn ein normaler Mensch.“
„Verzeihen Sie, was für ein Osterhase? Was hat denn ein Hase damit zu tun?“ Ich fasste mir erneut an die Stirn, um mich zu vergewissern, dass ich kein Fieber hatte. Meine Stirn war leicht feucht, aber nicht heiß.
„Ein gewöhnlicher Osterhase, der Eier in einem Körbchen bringt. Suchen Sie nie Ostereier, die der Osterhase versteckt hat? Das ist doch interessant.“