er sich nach kurzen Überlegungen, ihrem Rat zu folgen, umso mehr, da Aranka ihm nicht aus dem Kopf ging.
Weil aber Michael nichts unternahm, ohne vorher alles gründlich zu durchdenken, beschloss er, sich in seiner Entscheidung nochmals vergewissern. Er wollte das hübsche Mädchen wiedersehen: Es konnte ja sein, dass sie ihn schon vergessen oder einen anderen, jüngeren Mann kennengelernt hatte. Zudem gab es zwischen ihnen einen stolzen Altersunterschied – mehr als zwanzig Jahre. Michael nahm eine Woche Urlaub und flog nach Kischinew. Bereits ein halbes Jahr später, nachdem alle Formalitäten erledigt worden waren, holte er Aranka nach Deutschland.
„Möchtest du ein Glas Wein mit mir trinken?“, wandte sich Michael an mich, indem er seine Erinnerungen unterbrach.
„Ja, gerne“, antwortete ich, ohne mich zu zieren.
Seine Lebensgeschichte machte mich sehr neugierig und ich wartete gespannt auf die Fortsetzung. Als der Kellner unsere Gläser gefüllt hatte und wegging, fuhr mein Vis-à-vis fort:
„Aranka und ich liebten uns sehr. Sie war jung und schön, ich voller Energie und Leidenschaft.“ Michaels Englisch war ausgezeichnet, und ich hörte, begeistert vom Klang seiner Stimme und der interessanten Geschichte, seiner melodisch klingenden Erzählung mit großer Verzückung zu.
Direkt zu Beginn seines Ehelebens erklärte Michael seiner jungen Frau ohne Umschweife, dass er sich bei seinem Bildungsniveau und seiner sozialen Stellung nicht erlauben dürfe, eine Ehefrau zu haben, die selbst keine gute Ausbildung genossen hatte. Aranka war zu diesem Zeitpunkt schon neunzehn und hatte vier Semester an der Hochschule für Fremdsprachen absolviert. Michael riet ihr, weiter zu studieren, indem sie zum Fernstudium wechselte, was Aranka ohne große Lust tat. Parallel meldete Michael Aranka zum Englisch- und Deutschkurs an. Seiner Meinung nach musste sie dringend ihr schlechtes Englisch verbessern und mit Deutsch sogar bei null anfangen. Michael war gegenüber seiner Frau sehr geduldig und zärtlich, und sie hatte einen weichen, nachgiebigen Charakter, daher folgte sie in allen Angelegenheiten gerne den Ratschlägen ihres Ehemannes. Er konnte sehr gut mit Frauen umgehen!
Michael war sehr oft und lange auf Dienstreisen, auf die er nicht verzichten konnte. Das war Teil seiner Arbeit, und deshalb hatte Aranka mehr als genug Zeit zum Lernen. Zudem musste sie nicht arbeiten: Sogar im Haushalt hatte sie eine sehr tüchtige Hilfe, die schon zur Zeit des Junggesellenlebens des Hausherrn tätig gewesen war. Das war Michaels Hauptbedingung: Seine Frau musste genug Zeit für eine gute Ausbildung haben, sich nur auf das Lernen konzentrieren und keine Zeit für alltägliche Kleinigkeiten verschwenden. Allerdings bestand das Leben der jungen Frau nicht nur aus Lehrbüchern. Auf beharrliche Bitte ihres Ehemannes bemühte sie sich außerdem, auch all jene Kleinigkeiten des Lebens, die das Selbstbewusstsein fördern und eine Frau charmant machen, nicht an sich vorbeigehen zu lassen. So verbrachte Aranka die freie Zeit, die ihr nach dem Lernen blieb, mit Besuchen von Fitnessclubs, Massage- und Kosmetiksalons oder dem Einkauf nötiger wie unnötiger Dinge. Außerdem fuhr sie gerne mit ihrem nagelneuen Auto, das sie von ihrem Mann geschenkt bekommen hatte, in die nahe liegenden Städte.
Michael selbst mochte keine Kaufhausbesuche. Er hörte lieber zu, wie abwechslungsreich und interessant seine Frau die Zeit seiner Abwesenheit verbracht hatte. Mit Stolz beobachtete er, dass sich Aranka im Vergleich zu den meisten Frauen durch ihre Jugend und Ausstrahlung, ihre stolze Haltung und ein ständiges Lächeln auf ihren schönen vollen Lippen von ihrem Umfeld abhob.
Nach jeder Heimkehr von einer Dienstreise veranstaltete Michael mit seiner Ehefrau spielerisch eine Art kleine mündliche Prüfung, um sich ein weiteres Mal zu vergewissern, dass sie bei der schwierigen Aufgabe des Sprachenlernens den nächsten Schritt nach vorne gemacht hatte. Er war stolz auf jeden kleinen Fortschritt seiner Frau – immerhin war er das Ergebnis seiner Bemühungen, seines Engagements, und damit auch sein Erfolg!
Die Eheleute Stein reisten sehr viel und versuchten, wenn auch nur in Ansätzen, sich die Sprache des besuchten Landes anzueignen. Aranka gewöhnte sich schnell an die besondere Art ihres Mannes, alles Neue kennenlernen und erforschen zu wollen, und teilte diese Leidenschaft gerne mit ihm. Sie fühlte sich schon längst als Europäerin und nahm es ihrem Mann übel, wenn er sie zufällig an ihre Herkunft erinnerte.
„Ich bin keine Russin, bitte erinnere mich nicht daran. Ich wurde nur in der Sowjetunion geboren!“
„Aber deine Mutter ist doch Russin“, widersprach Michael verlegen.
„Ja, aber mein Vater ist Ungar, und ich habe einen ungarischen Namen, deswegen bin ich Europäerin und keine Russin!“ Aranka fühlt sich zunehmend als junge Lady, die das Recht hatte, dem erfolgreichen Ehemann ihre Launen zu zeigen.
„Ja, ich weiß, dass dein Name im Ungarischen ‚Goldene‘ bedeutet und nichts mit Russland zu tun hat“, lachte Michael versöhnlich. „Meinetwegen bist du Europäerin, meine Goldene. Trotzdem meine ich, dass man sich für eine russische Herkunft nicht schämen, sondern stolz darauf sein sollte.“
Wie dem auch sei, große Auseinandersetzungen gab es zwischen Aranka und Michael kaum. Er war sehr taktvoll, aufmerksam und löste jeden kleinen Konflikt auf der Stelle, damit daraus kein großes Feuer entstand. Michael, der von seinen liberalen Eltern so erzogen worden war, alles Geschehene positiv wahrzunehmen, mochte keinen Streit und versuchte geflissentlich, darauf zu verzichten.
„Mein Liebling“, begann Aranka oft ein Gespräch beim Kuscheln mit ihrem Mann, „wann bekommen wir ein Kind?“
„Meine Liebe“, umarmte Michael seine Frau, während er spürte, wie das heiße Lustgefühl seinen gesamten, nicht mehr ganz jungen Körper packte und wie eine scharfe Pfeilspitze durchdrang. Was das sexuelle Leben anging, war Michael ein vollwertiger Mann, aber der Wunsch, aus seiner Frau eine Business-Lady zu machen, war noch größer und wurde immer mehr zum Ziel seines Lebens. Er wusste, dass ihnen eine endlose Liebesnacht bevorstand, und so versuchte er, seine Lust zu beherrschen.
„Wir waren uns doch einig, dass du zuerst die deutsche Sprache lernst, dann eine gute Ausbildung machst und einen interessanten Beruf ausübst. Du bist doch eine intelligente junge Frau und möchtest nicht dein ganzes Leben als Hausfrau verbringen. Glaube nicht, dass das Leben einer Frau nur aus Kochtöpfen und Haushalt besteht. Der Mensch wird geboren, um erfolgreich und glücklich zu werden, und nicht zum passiven Zeitverbringen. Ich möchte, dass du dich als Teil unseres Universums fühlst – je mehr Wissen du erlangst, desto höher kannst du fliegen. Du musst dich zuerst deiner Karriere widmen, und dann können wir über ein Kind reden. Ich möchte, dass es genauso stolz auf seine Mutter wird, wie ich auf deine Erfolge bin.“
Zehn Jahre des gemeinsamen Lebens vergingen wie im Traum. Aranka sprach inzwischen fast akzentfrei Deutsch, außerdem konnte sie sich gut, wenn auch nicht perfekt, in drei anderen Sprachen verständigen. Ihr Diplom war in Deutschland anerkannt worden und sie hätte als Englischlehrerin an einer Grundschule arbeiten dürfen. Doch das war nicht das, wovon Aranka träumte, daher wählte sie eine interessantere Beschäftigung: Mit Unterstützung ihres Mannes machte sie eine zweijährige Ausbildung und arbeitete als Reisebürokauffrau in einem Reisebüro. Nach ungefähr einem Jahr, als sie gerade als Beraterin in einer sehr erfolgreichen Reiseagentur zu arbeiten begonnen hatte, bekam sie das Angebot, eine Filiale zu leiten – eine Stelle, die sehr angesehen war und auch besser bezahlt wurde. Für diese Position musste man einen zusätzlichen sechsmonatigen Kursus absolvieren, um die Erlaubnis zu erhalten, eine Filiale mit dreißig Angestellten zu leiten.
Ungefähr zum selben Zeitpunkt endete Michaels Arbeitsvertrag und er bekam einen neuen im selben Unternehmen. Fortan musste er keine Dienstreisen mehr machen, sondern arbeitete in der Nähe seines Wohnortes an der Entwicklung neuer Projekte.
„Micha“, sagte eines Abends Aranka zu ihrem Mann, „ich habe die Stelle abgelehnt.“
„Abgelehnt? Warum?“
„Sie wollen, dass ich Pauls Platz besetze, und darauf habe ich keine Lust.“
„Aber wieso möchtest du nicht? Das ist doch eine hervorragende Position! Paul geht sowieso in Rente, und so einen angesehenen Posten bekommst du nicht so schnell wieder, wenn du etwas Ähnliches überhaupt findest. Ich verstehe dich nicht“, klangen