Jay Baldwyn

Schiff der Verdammnis


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Caleb bestimmt. »Ich bin Gentleman genug, einer Lady den Vorzug zu lassen.«

      »Und was ist mit mir? Vielleicht hätte ich gerne romantische Nächte mit dir auf See verbracht …«

      »Megan, du gehst mir gelinde gesagt auf die Nerven«, sagte Katie. »Vielleicht könntest du dich mal entscheiden.«

      »Es bleibt dabei. Wir können noch genug Nächte zusammen verbringen, Schatz.« Caleb nahm Megan zärtlich in den Arm. »So, und jetzt sehe ich mir meine Schlafgelegenheit an. Wir treffen uns dann im Salon.«

      »Na, das kann ja heiter werden«, meinte Katie und öffnete ihren Koffer, damit die Sachen nicht noch mehr knitterten.

      Wenig später richtete Terry das Wort an alle Anwesenden, indem er ihnen mit einem Glas Champagner zuprostete.

      »Herzlich willkommen, meine Lieben! Ich hoffe, ihr wisst, worauf ihr euch da einlasst. Zwischenzeitlich könnte es etwas ungemütlich werden, doch ihr seid in guten Händen. Ich habe diese Tour schon mehrmals unternommen, und wie ihr seht, weile ich noch unbeschadet unter den Lebenden. Wir legen jetzt gleich ab, und dann geht’s los. Für euer leibliches Wohl, was das Essen und Trinken angeht, ist reichlich gesorgt. Bedient euch einfach. Doch gebe ich zu bedenken, das manches Essen schneller wieder zum Vorschein kommt als gedacht. Wer also das Bedürfnis verspürt, etwas wieder loszuwerden, der möge dies bitte nicht an der Reling tun. Es könnte sonst eine ziemliche Sauerei geben, wenn wir Gegenwind haben.«

      »Keine Sorge, wir haben unsere Reiseapotheke dabei«, sagte Savannah und erntete dafür Zustimmung von allen anderen.

      Der Tag verlief heiter und gelöst. Während Terry auf seinem weichen Polstersessel hinter dem Steuer thronte und Fallon ihm nicht von der Seite wich, hatten sich die anderen an Bord verteilt. Megan, Caleb, Savannah und Chris sonnten sich auf dem Oberdeck, und Katie und Brady saßen noch immer auf dem halbrunden Sofa und schlürften einen Cocktail.

      Katie war etwas nachdenklich geworden, denn Terrys Ankündigung hatte sie ein wenig verunsichert. Sie nahm sich vor, ihn im Auge zu behalten und ihn notfalls zu bremsen, wenn er es mit der Geschwindigkeit übertreiben würde.

      Brady schien ihre Gedanken erraten zu haben.

      »Ich hoffe, Terry hat nicht vor, die Yacht auf volle fünfunddreißig Knoten zu beschleunigen«, sagte er plötzlich. »Also, mir kommt es auf eine Stunde mehr oder weniger nicht an.«

      »Mir auch nicht. Megan meinte, die Yacht macht nur fünfundzwanzig Knoten …«

      »Dann hat sie geflunkert. Wahrscheinlich wollte sie dich nicht beunruhigen.«

      »So ein Biest. Sag mal, was geschieht eigentlich nachts? Terry wird doch auch ein paar Stunden die Augen zumachen wollen. Hat die Yacht einen Autopiloten wie ein Flugzeug?«

      »Soviel ich weiß, ja. Der Autopilot berücksichtigt auch Schlingerbewegungen, die durch Seegang, Windböen oder Strömungen auftreten. Aber Chris will Terry später ablösen, der hat nämlich auch einen Bootsführerschein, den man für solch große Schiffe braucht.«

      »Dann bin ich ja beruhigt«, atmete Katie auf. »Ich hatte schon Sorge, wir treiben führerlos übers Meer. Kein besonders ermutigender Gedanke. Der Technik vertraue ich nämlich nicht restlos.«

      »Hast du Angst, wir könnten das gleiche Schicksal wie die Titanic erleiden?«, witzelte Brady. »Ich kann dich beruhigen, Eisberge sind in dieser Gegend eher selten.«

      »Sehr komisch. Nein, aber es soll hier sehr gefährliche Strömungen geben und plötzlich auftretende orkanartige Stürme. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Yacht diese Umstände von allein berücksichtigt.«

      »Doch, soll sie wohl, aber ich war nie so ein Junge, der sich für Autos und alles Technische interessierte. Lieber habe ich meiner Mom einen neuen Fummel genäht.«

      Katie lachte herzhaft. »Dann scheint es zu stimmen, was man hinter vorgehaltener Hand über dich munkelt.«

      »Du meinst, dass ich gay bin? Ich würde eher sagen, metrosexuell. Ich weiß durchaus die Vorzüge beider Geschlechter zu würdigen.«

      »Vielen Dank für deine Offenheit.«

      »Warum nicht? Ich habe nichts zu verbergen. Wenigstens habe ich dich einmal zum Lachen gebracht. Für einen Augenblick waren deine Augen weniger traurig.«

      »Nun ja, du wirst ja vielleicht wissen … was ich hinter mir habe … Ich fange gerade erst an, aus meinem Schneckenhaus hervorzukriechen.«

      »Ja, ich habe davon gehört … eine schreckliche Geschichte. Sei dir meines aufrichtigen Mitgefühls bewusst … und meiner Bewunderung, wie du das alles verkraftet hast.«

      »Danke, doch ich habe Jahre dafür gebraucht. Und ob ich es letztendlich verkraftet habe, würde ich nicht so ohne Weiteres unterschreiben. Manchmal fühle ich mich wie ein Automat, der seiner Beschäftigung nachgeht und im Leerlauf läuft, weil ihn niemand abstellt.«

      »Meinen Glückwunsch, dass du dich uns angeschlossen hast. Du wirst sehen, wir werden viel Spaß haben. Und wenn dir mal mehr nach einem ernsthaften Gespräch zumute ist, ich stehe jederzeit zur Verfügung.«

      »Lieb von dir, du beschämst mich. Wenn du so weitermachst, glaube ich noch, dass es ein Fehler war, nicht mit dir die Kabine zu teilen …«

      »Stand das zur Diskussion? Ach so, wegen der Pärchen. Andererseits habe ich es mit Caleb nicht so schlecht getroffen. Ich mag reifere Herren, besonders, wenn sie so männlich sind.«

      Katie kicherte. »Lass das bloß nicht Megan hören. Die ist schon ganz krank vor Sorge, behauptet aber, Caleb sei gegenüber männlicher Zuwendung immun.«

      »Dann wollen wir ihr den Glauben lassen. Bis sie eines Besseren belehrt wird.«

      »Das kann ja heiter werden, wiederholte sich Katie innerhalb weniger Stunden, musste aber dabei lächeln.

      Kapitel 2

      Die Ruhe vor dem Sturm

      Nach gut zwei Tagen erreichten sie ohne besondere Vorkommnisse die Bermudas, eine Inselgruppe aus etwa dreihundertsechzig Koralleninseln beziehungsweise einhundertachtzig kleinen Inseln, wobei nur etwa zwanzig als bewohnt galten. Terry steuerte nicht den Hafen der Hauptstadt Hamilton an, sondern den der ehemaligen Hauptstadt St. George’s auf Saint George’s Island im Nordosten.

      St. George’s, 1612 als erste Siedlung auf den Bermudas gegründet und heute die älteste durchgehend bewohnte englische Siedlung in Amerika, zeichnete sich durch ein interessantes Spektrum für Touristen aus. Neben historischen Gebäuden des 17. bis 19. Jahrhunderts gab es vier sehr schöne Strände und die Möglichkeit für sportliche Aktivitäten wie Schwimmen, Schnorcheln und Tauchen.

      Zu den Besonderheiten der Inselgruppe der Bermudas gehörten, dass große Kreuzfahrt- oder Containerschiffe nur an einer Stelle im östlichen Bermuda die Riffe passieren konnten, dass es keine Flüsse und Seen auf den Inseln gab, dass Regenwasser in Zisternen gesammelt wurde und keine Pkws erlaubt waren. Man konnte nur mit Bussen, Fahrrädern, Motorrollern oder zu Fuß die Inseln erkunden, die allerdings allesamt durch Brücken verbunden waren.

      Zu der charakteristischen subtropischen Vegetation zählten Gummibäume, Salbei-Arten und der sogenannte Bermuda-Wacholder. Stellenweise sah man auch Mangrovenbäume an manchen Küstenabschnitten. Die Bermudas galten als das nördlichste Vorkommen von Mangroven im Atlantik. Die fast ausgestorbene Vogelart, der Bermuda-Sturmvogel hatte hier ihre Brutstätten.

      Fallon Walker hatte sich in den Kopf gesetzt, einen der Strände mit rosa Sand zu besuchen. Am liebsten die Horseshoe Bay Beach, eine gekrümmte Strecke im Süden der Inselgruppe, die nach wie vor als einer der Top-Strände der Welt in internationalen Zeitschriften rangierte. Durch seine Bekanntheit und Beliebtheit war er allerdings auch meist hoffnungslos überfüllt. Positiv war, dass es dort ein Café, Toiletten und Duschen gab, negativ, dass man etwa fünfunddreißig Minuten mit dem Bus brauchte, um dort hinzukommen.

      Die