Jay Baldwyn

Schiff der Verdammnis


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zur Yacht war Katie sehr still und in sich gekehrt. Caleb sprach sie darauf an.

      »Was geht dir durch den Kopf? Einen Penny für deine Gedanken …«

      »Wie? … Ach, ich überlege, ob ich nicht lieber zurückfliegen sollte …«

      »Hat dich die Geschichte der alten Lady so verunsichert?«

      »Nein … doch … ich weiß nicht«, druckste Katie herum. Sie konnte doch Caleb nicht sagen, dass sie für einen Moment die Gestalt von Don am Nebentisch wahrgenommen hatte. Es war, als hätte er den Bericht der Lady bestätigen und sie warnen wollen. Doch Caleb kannte sie noch zu wenig, um ihm die Vision zu gestehen.

      »Du bist natürlich ein freier Mensch«, sagte Caleb verständnisvoll. »Niemand hat das Recht, dir Vorschriften zu machen. Ist es vielleicht doch wegen Megan?«

      »Nein, wirklich nicht. Ich kenne sie zu lange, um mir über ihr Verhalten Sorgen zu machen. Nur du solltest dich eventuell etwas mehr um sie kümmern …«

      »Um sie in ihren Launen zu bestärken? Dazu fehlt mir, ehrlich gesagt, die Lust. Entweder sie kriegt sich von selbst wieder ein oder sie lässt es bleiben.«

      Plötzlich kam ihnen Brady entgegen und winkte stürmisch.

      »Na, euer Tag war wohl nicht so angenehm, bei den bedribbelten Gesichtern, die ihr macht«, sagte er grinsend.

      »Doch, doch, wir hatten viel Spaß«, beeilte sich Caleb zu sagen.

      »Und wo habt ihr Megan gelassen?«

      »Die hat es vorgezogen, sich abzuseilen. Wahrscheinlich, um Hardcore Shopping zu betreiben. Und du, hast du deinen Wachposten einfach verlassen?«

      »Ja, aber Terry und Fallon sind zurück. Bei denen herrscht auch dicke Luft. Das Blondchen schmollt, weil es nicht zu dem Strand gekommen ist, der ihm vorgeschwebt hat.«

      »Strände gibt es hier doch weiß Gott genug …«

      »Ja, aber nicht alle sind rosa, wie es eine Barby nun mal wünscht.«

      »Verstehe«, lachte Caleb. »Terrys Zugeständnisse halten sich wohl in Grenzen.«

      »Genau, und Recht hat er. Man soll Frauen nicht alles durchgehen lassen.«

      »Hört, hört«, sagte Katie. »Dieses Thema hatten wir heute auch schon.«

      »Deshalb seht ihr so vergnatzt aus?«

      »Nein, wir haben gerade eine unerfreuliche Geschichte gehört, und Katie überlegt, ob sie die Heimreise mit dem Flieger antritt.«

      »Das kommt doch gar nicht infrage. Mitgefangen, mitgehangen. Nein, im Ernst, die Herfahrt war doch ein Kinderspiel. Warum sollte es zurück anders sein?«

      »Weil es auf See immer unvorhergesehene Ereignisse geben kann«, sagte Caleb. »Ich finde, wir sollten Katie die Entscheidung überlassen. Schon deshalb, damit sich nachher niemand etwas vorzuwerfen hat.«

      »Sehr richtig, danke Caleb«, sagte Katie leise.

      »Meine Güte, wenn man euch so reden hört … Was meine Person betrifft, ich werde jetzt das hemmungslose Vergnügen auf der Insel suchen.«

      »Na, dann viel Spaß. Wir sagen Bescheid, dass man nicht auf dich warten soll.«

      Die Zeit verging wie im Fluge. Man lag faul in der Sonne, erkundete die Stadt oder machte kleine Ausflüge, je nach Temperament oder Laune. Terry ließ sich doch noch erweichen, Fallon ihren Traum vom rosa Strand zu erfüllen. Er besuchte mit ihr die nächst gelegene, nur eine Meile von St. George’s entfernte John Smith Bay Beach. Und die meisten schlossen sich sogar an. Diesmal war es Savannah, die zurückblieb, weil ihr immer noch der Tauchgang zum Schiffswrack des griechischen Frachtdampfers Pelinaion in den Knochen saß, auch wenn sie dabei noch so viele bunte Fische und Korallen gesehen hatte.

      An der John Smith Bay Beach, einem eher ruhigen Familienstrand, gab es Toiletten und sogar Rettungsschwimmer. Weiterhin in unmittelbarer Nähe das Spittal Pond Nature Reserve Vogelreservat und das Devil's Hole Aquarium. Außerdem fuhr ein Lunch Wagen mit kalten Getränken, Burgern, Fish Cakes, Pommes Frites und Eiscreme herum. Jeder konnte also auf seine Kosten kommen.

      Auch die Hauptstadt, Hamilton, das „Schaufenster des British Empire“ und Heimat von literarischen Figuren Mark Twains und Eugene O'Neills, besuchten alle gemeinsam. Diesmal blieb Chris zurück, denn Sightseeing war nicht so unbedingt sein Ding.

      Hamilton bot das Fort Hamilton, das Bermuda Historical Society Museum, die Bermuda National Gallery und zwölf Kirchen, von denen sie nur zwei besichtigten. Daneben fand man elegante Geschäfte mit hochwertigen Waren aus dem Vereinigten Königreich, die umgehend die Herzen der Frauen höher schlagen ließen.

      Der Ausflug war ein schöner Abschluss ihres Bermudaaufenthaltes. So machten sie sich nach einer Woche mehr oder minder erholt auf den Rückweg.

      Kapitel 3

      Das Unglück

      Katie hatte sich entschlossen, sich den anderen anzuschließen, hoffte aber, ihren Entschluss später nicht bereuen zu müssen.

      Gleich in der ersten Nacht befand sie sich auf einem langen Gang mit unzähligen Türen. Es musste ein Schiff sein, weil der Fußboden leicht schwankte. Für die Yacht war der Gang viel zu lang, aber wo war sie?

      Als das Schiff sich leicht zur Seite neigte, sprang eine der Türen auf. Katie blickte in eine große Kabine mit gediegener, aber altmodischer Einrichtung und einem großen Doppelbett. Darauf lagen zwei Personen, die vollständig angezogen waren. Der Ähnlichkeit nach Mutter und Tochter. Beide hatten die Augen geschlossen und die Hände über der Brust gefaltet. Ihre Haut war eigentümlich weiß, fast durchsichtig. Wie aufgebahrt, schoss es Katie durch den Kopf. Und bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass die Brustkörbe der beiden sich weder hoben noch senkten. Voller Grausen wandte sich Katie ab, als das Schiff erneut heftig zu schlingern begann. Plötzlich packte sie jemand hart am Arm …

      »Katie, aufwachen!«, sagte Megan, die neben ihrem Bett stand.

      »Was ist denn los? Ich kann doch höchstens eine Viertelstunde … Und was hast du eigentlich für eine komische Jacke an?«

      »Das ist eine Schwimmweste. Terry hat verlangt, dass wir alle eine anlegen. Die Yacht scheint in Seenot geraten zu sein. Wir haben schon zwei Signalraketen abgeschossen, aber noch keine Rückmeldung erhalten. Es gibt auch keine Funkverbindung, keiner kommt ins Internet und all unsere Uhren sind stehen geblieben.«

      »Ich sage nur Bermuda-Dreieck«, meinte Katie sarkastisch und schlüpfte in Windeseile in ihre Schuhe und die Schwimmweste, die Megan für sie bereithielt.

      Im Salon standen alle dichtgedrängt zusammen, während Terry am Steuer versuchte, der Naturgewalten Herr zu werden. Niemand sagte etwas, alle waren wie versteinert, doch man hätte bei dem Sturmgeheul ohnehin kein Wort verstanden. Fallon zitterte wie Espenlaub und versuchte, sich an Terry festzuklammern, aber der stieß sie immer wieder weg. Durch die schmalen Fenster konnte man die schwarze Wand der Wolken sehen, die sich draußen aufgebaut hatte.

      Dann ließ der Sturm etwas nach. Dafür gab es meterhohe Wellen, die zuvor vom Sturm flachgehalten und schaumig gewesen waren. Terry steuerte die Yacht geschickt mit dem Wind. Die Wellen waren bisher unter ihr durchgeschlüpft, sodass die Yacht förmlich auf ihnen geritten war. Dann wurde sie urplötzlich von einer riesigen Woge erfasst und augenscheinlich bis in den Himmel getragen, um anschließend wie bei einer Achterbahnfahrt wieder in die Tiefe zu stürzen. Die Frauen schrien vor Angst laut auf. Und auch aus den Gesichtern der Männer war alles Blut gewichen. Alle klammerten sich an irgendetwas fest, das sie gerade zu fassen bekamen.

      »Alle raus hier!«, erklang Terrys schrille Stimme. »Ihr müsst an Deck, falls das Boot kentert. Haltet euch am besten an der Reling fest!«

      Doch die Yacht tauchte nicht ins Wasser, sondern schien in Schaum eingehüllt darüber hinwegzufliegen. Alle stürmten nach oben und klammerten