Jürgen Ruszkowski

Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute


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ein paar Tage länger, weil wir dort unsere Hauptladung löschen mussten. Hier haben wir in unserer Freizeit herrliche Ausflüge gemacht. Wir waren in Athen und Umgebung, alles wurde besichtigt, die Altertümer bestaunt, und wir waren sehr beeindruckt von all den Sehenswürdigkeiten. Aber auch die Bewohner dieses Landes sahen uns gern als ihre Gäste, und wir wurden häufig eingeladen. Die Bevölkerung war überhaupt sehr deutschfreundlich. Unsere Ladung bestand hauptsächlich aus Südfrüchten, und wir versorgten uns auch damit. Viele Fahrgäste stiegen hier aus, sie wollten länger in diesem schönen Land bleiben. Wir hatten aber immer noch 31 Passagiere an Bord.

      Am 23. Mai machten wir uns auf den Weg nach Saloniki. Auch dort holten wir Südfrüchte an Bord, und am 27. Mai 1899 kamen wir nach Smyrna, dem Teppichland. Hier war nun wieder Gelegenheit, kleine Nebengeschäfte zu machen. Ich habe mir dort einen Teppich eingehandelt, wo der aber später geblieben ist, weiß ich nicht mehr, sicher habe ich ihn versilbert. Die Fahrt durch die Dardanellen war herrlich, wie es wohl immer besonders schön ist, wenn man etwas zum ersten Mal sieht. Konstantinopel ist eine einzig schöne Stadt und beeindruckte uns sehr. Die Bauten machten auf uns einen großen Eindruck, und wir hätten gerne einmal gewusst, wie es hinter den Haremsmauern aussah.

      Von der Reederei aus wurden verschiedene Feste auf unserem Schiff gefeiert. Viele Damen und Herren, die in Konstantinopel ansässig waren, wurden eingeladen, und es ging dann an Bord hoch her. Wir erlebten das aber nur als Zaungäste, denn noch waren wir ja nicht Kapitäne, und bis dahin war es noch ein weiter Weg. Wir hatten aber auch so unseren Spaß.

      Durch den Bosporus setzten wir unsere Reise fort. Die Durchfahrt war sehenswert, all die herrlichen Bauten, prunkvollen Paläste mit märchenhaften Gärten. Wir schauten uns bald die Augen aus dem Kopf. Haremsdamen konnten wir aber nirgends entdecken, die interessierten uns nun mal ganz besonders. In Konstantinopel blieben wir nur vier Stunden, am 5. Juni 1899 verließen wir Odessa und fuhren weiter nach Batum. In Konstantinopel hatten uns alle Passagiere verlassen, wir waren nun wieder nur Frachtdampfer. Batum am Schwarzen Meer wird die russische Riviera genannt. Die Gegend ist aber auch wunderschön, und es gab viel zu sehen. Heute nach sechzig Jahren sind mir alle meine Reisen noch so gegenwärtig, als hätte ich sie erst gestern erlebt. In Hamburg kamen wir am 24. Juni 1899 an. Der Hannes musterte gewohnheitsgemäß mal wieder ab, aber dieses Mal für längere Zeit, denn jetzt musste ich erst mal die Navigationsschule besuchen, denn mein Ziel war ja, ein waschechter Kapitän zu werden. Der häufige Schiffswechsel war aber früher üblich, das hatte nichts mit Unbeständigkeit zu tun.

       Johannes Hubert: Steuermann auf großer Fahrt und Einjähriger

      So war ich denn Navigationsschüler geworden und machte am 1.4.1900 mein Examen als Steuermann auf großer Fahrt.

      Als frischgebackener Steuermann musterte ich am 18.4.1900 auf dem Dampfer "WAGRIEN" an mit einer Heuer von 85 Mark im Monat. Verschiedene kleine Fahrten machte ich mit diesem Schiff und zwar zwischen Hamburg und Manchester. Aber das Schiff gefiel mir ganz und gar nicht, es war ein dreckiger Pott, mit viel Ungeziefer, und die Wanzen peinigten uns die ganze Nacht. Kakerlaken wimmelten überall herum, na von den Ratten ganz zu schweigen. Ich war froh, als ich am 15. September 1900 wieder aussteigen konnte. Vierzehn Tage blieb ich erst mal in Cranz, und dann wurde ich als Einjähriger eingezogen. Kiel war die Garnison. Die dreimonatige Kasernenhofausbildung war damals sicher ebenso unbeliebt wie heute, aber sie gehörte nun mal dazu.

      Auf dem Schulschiff "OLDENBURG" machte ich meine Reserveoffiziersausbildung durch. Bald wurde ich zum Obermatrosen befördert, und nach weiteren drei Monaten bekam ich Kommando. Scheibenkommando nannte es sich, dauerte aber nur vier Wochen. Anschließend kam ich als Aspirant auf den Kreuzer "AEGIR", wo ich bis zum 1. Oktober 1901 blieb. Nun bekam ich dummerweise einen argen Gelenkrheumatismus, konnte fast kein Glied mehr bewegen und wurde im Lazarett buchstäblich in Watte gepackt.

      Eine schmerzhafte Angelegenheit war diese Krankheit, aber nach sechs Wochen wurde ich für einen Monat auf Erholungsurlaub geschickt. Durch diese Krankheit hatte ich nun aber das Pech, mit meinem Reserveoffizierskursus nicht fertig zu werden, denn am ersten Oktober war meine Dienstzeit zu Ende, und ich konnte wieder ziviler Seemann werden. Reserveoffizier wurde ich dann im ersten Weltkrieg, aber davon später. In der Einjährigenzeit brauchten wir nicht immer in der Kaserne wohnen, und ich hatte mir mit noch zwei Kameraden ein Zimmer in der Stadt gemietet, so eine richtige Junggesellenbude. Eingerichtet war die Bude nicht besonders, aber besser als in der Kaserne. Unser Geld reichte natürlich nie, wie sollte es auch anders sein. Mein Freund kam aber auf die grandiose Idee, sich eine Freundin anzulachen, so eine richtige Bratkartoffelliebe, möglichst eine Mamsell, die an die Fleischtöpfe herankam.

      Er hatte auch Glück, sie war Mamsell im Bahnhofsrestaurant. Für ihn mit ihren 40 Lenzen schon etwas ältlich, aber sie verliebte sich in ihn. Dick war sie auch, und als schön konnte man sie gerade nicht bezeichnen, aber darum ging es uns ja gar nicht, wir hatten ganz andere Gedanken dabei. Als er uns das neue "Glück" vorstellte, mussten wir aber doch lachen. Wir sagten auch später zu ihm, das wäre "Liebe zum abgewöhnen".

      Am Tage konnte er sich mit der "Schönen" sowieso nicht sehen lassen, und so lud er sie am Abend gegenüber vom Bahnhof in ein Gartenlokal ein. Es versteht sich von selbst, dass sie nicht mit leeren Händen kommen durfte, wenn er "treu" bleiben sollte. Unsere Lebensmittelversorgung war wenigstens für lange Zeit sichergestellt. Ob es von uns nun gerade ein feiner Zug war, bleibt dahingestellt, aber wir waren jung und für jeden Streich zu haben. Kathrine war jedenfalls restlos glücklich, und unser böses Spiel hat sie nie durchschaut. Wenn sie heute noch lebt, denkt sie vielleicht noch ab und zu an den feschen Einjährigen, den sie damals in Kiel so verwöhnen konnte. Zweimal in der Woche füllten wir so unseren Proviant auf, und wenn alles aufgefuttert war, hieß es: „Hein, es wird Zeit. Du musst wieder mit Kathrine ausgehen.“ Sie war eine dankbare Liebe, die gute Kathrine.

       Bei H. M. Gehrkens auf Finnlandfahrt

      Als Obermaat der Reserve wurde ich entlassen und landete wieder in Cranz, wo ich mir drei Wochen lang das Zivilleben schmecken ließ. Auf dem Dampfer "FÖHR" musterte ich als 2. Steuermann mit 90 Mark Heuer an. Die Fahrten gingen zwischen Hamburg und Schweden (Stockholm, Gefle, Hudiksvall, Sundsvall, Hernösand, Pitea, Skeleftea). Drei Wochen dauerte jeweils eine Tour. Zehn Reisen machte ich auf dem Schiff, aber der Kapitän war ein schrecklich nervöser Kerl. Ich hielt es also nicht länger aus, wollte nun endlich auch bei einer Reederei, die mir gefiel, festen Fuß fassen. So kam ich dann am 22. Mai 1902 auf den Dampfer "HERNÖSAND" der Reederei H.M. Gehrkens, und hier blieb ich, bis ich mich zur Ruhe setzte, aber das kam erst viele, viele Jahre später. H.M. Gehrkens war eine alte Reederei mit zwölf Schiffen, die hauptsächlich Tourenfahrten nach Finnland und Schweden machten. Die Haupthäfen waren Helsingfors, Abo, Hangö, Kotka und Wiburg. Bis zum 6. Februar 1903 blieb ich auf HERNÖSAND und wurde noch am selben Tag auf die "PITEA" versetzt. Kapitän Brauer war unser ältester Kapitän und der beste der Flotte. Leider blieb ich aber nur 23 Tage bei ihm an Bord, denn ich wurde erster Offizier und kam auf ein anderes Schiff. Einige Reisen machte ich dann noch auf Dampfer „STOCKHOLM", einige auf PITEA und musterte dann ab, um die Navigationsschule zu besuchen.

      Der Unterricht dauerte gewöhnlich ein halbes Jahr, aber ich hatte schon vorgearbeitet und kam am 20. Juni 1903 in den ersten Kursus hinein. Am 30. gab es 14 Tage Sommerferien. Nun hatte ich auf der Schule einen alten Freund von der THEKLA wiedergetroffen, der den ersten Kursus vollständig mitgemacht hatte. Er bot mir an, mit mir alles durchzupauken, was ich durch mein verspätetes Einspringen in den Kursus versäumt hatte. Paul Haenike hieß er, hatte keine Eltern mehr und wusste nicht, wo er seine Ferien verbringen sollte. Ich nahm ihn mit nach Cranz, er konnte dort bei meinen Eltern wohnen, und so war uns beiden geholfen. Wir verlebten eine herrliche Zeit in Cranz, es war gerade Kirschenzeit. Unsere Tageseinteilung hatten wir uns genau aufgestellt. Um sechs standen wir auf, frühstückten