Jürgen Ruszkowski

Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute


Скачать книгу

und der Höhepunkt war dann, wenn die Werftflagge heruntergeholt wurde und die Reedereiflagge deren Platz einnahm.

      Nach der feierlichen Indienststellung wurde das neue Schiff beladen und die erste Reise nach Finnland angetreten. Ende September kamen wir in Helsingfors an. Das Schiff wurde über die Toppen geflaggt, und am nächsten Tag war eine große Feier an Bord. Prominente Gäste fanden sich ein wie z. B. der Handelsminister, Generalkonsul, etliche Generaldirektoren usw. Die Zeitungen brachten große Berichte über das neueste Schiff der Reederei H. M. Gehrkens und hoben besonders hervor, dass das Schiff den Namen "SUOMI" trug. Bis Mai 1910 fuhr ich als erster Offizier auf der SUOMI, dann wurde ich zum Kapitän befördert, und ich war sehr glücklich, endlich mein lang erstrebtes Ziel erreicht zu haben. Meine Eltern waren recht stolz auf ihren frischgebackenen Kapitän. Mit der SUOMI machte ich noch viele Fahrten, bis 1914 der erste Weltkrieg ausbrach.

       Johannes Hubert im ersten Weltkrieg

      Ich war gerade in Hamburg und musste sofort mein Schiff verlassen, um mich bei der Marine zu melden. In Wilhelmshaven wurde ich eingekleidet, und als Obermaat begann ich meinen Kriegsdienst. Vierzehn Tage später wurde die Nordseevorposten-Flottille gegründet und zwar fünf Gruppen, je Gruppe sechs Boote. Es waren umgebaute Fischdampfer, die vor der deutschen Nordseeküste bis nach Esberg (Dänemark) hin und her kreuzen mussten und auf diese Weise den Küstenschutz übernahmen. Ich wurde Kommandant des Vorpostenbootes "BRESLAU". Die Schiffe waren mit drei 8,8-cm-Geschützen ausgerüstet, zwei vorne und eins am Heck. Die Besatzung bestand aus 34 Mann. Sechs Tage war man dann auf See und vier Tage im Hafen. Man nannte den Dienst auf diesen Booten auch Himmelfahrtskommando. Bin zum 10. Oktober 1915 blieb ich auf der BRESLAU, am 1. Oktober bekam ich das EK 2. Dann meldete ich mich zum Reserve-Offizierkursus und wurde auf S.M.S. "SCHWABEN", dem Ausbildungsschiff für angehende Offiziere, auf das Examen vorbereitet.

      Der Kursus dauerte drei Monate. Die Artillerieausbildung fand ich nicht interessant, und die Navigationsausbildung hatte ich nicht mehr nötig, da hatte ich auf der Seefahrtschule bedeutend mehr gelernt. Immerhin war ich ja schon etliche Jahre Kapitän. So bestand ich mein Examen ohne Schwierigkeiten und wurde Vizesteuermann der Reserve und Offiziersanwärter.

      Die Reserveoffizier-Prüfung kam dann am 10. Januar 1916 auf der S.M.S. "REGENSBURG". Es war einer von unseren großen Kreuzern mit Kapitän z. S. Heinrich als Kommandant. Wir machten dann mit 12 großen Zerstörern mehrere Fahrten nach England rüber und beschossen die englische Küste. Kapitän Heinrich war ein Draufgänger, aber dennoch ein besonnener Mann. Immerhin waren diese Fahrten ziemlich gewagt. Wenn ich im Hafen an Bord meine Wache schob, kam Kapitän Heinrich oftmals zu mir, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Na, Kapitän, nun müssen wir aber bald mal wieder etwas unternehmen!“ Er nannte mich grundsätzlich nur Kapitän, weil ich im Zivilberuf ja Kapitän war.

      Am 27. Januar lagen wir auf Schillig-Reede. Es war Kaisers Geburtstag, also ein großer Tag, der auch gebührend gefeiert wurde. Man legte damals Wert darauf, festzustellen, wie sich die zukünftigen Offiziere verhalten, wenn sie eine ziemliche Menge Alkohol getrunken hatten. Also wurden die Offiziersanwärter feste unter Alkohol gesetzt. Das Kommando an Bord war prima: Kommodor Kapitän z. S. Heinrich, Kommandant Kapt. z. S. Bendemann, Funkoffizier Graf Rantzau, 1. Off. Kapt. z. S. Graf v. d. Borne, Art. Offz. Graf Metlitz und Nav. Offz. Freiherr v. Schweidnitz. Es gab also zunächst ein wunderbares Festessen und die besten Getränke. Ich hatte meinen Platz zwischen Graf v. d. Horne und Freiherrn v. Schweidnitz. Nun wurde unauffällig aber genau beobachtet, wie man sich beim Essen benahm, ständig wurde einem zugeprostet, da musste man, ob man wollte oder nicht, mithalten. Mich und zwei andere Kursusteilnehmer versuchte man so unter den Tisch zu trinken. Zwei fielen auch nach einigen Stunden aus, sie konnten einfach nicht mehr. Bei mir hatten sie aber kein Glück, denn ich konnte mehr vertragen, als sie alle zusammen, und aus der Rolle fiel ich auch nicht. Schließlich war ich nicht umsonst ein alter sturmerprobter Seebär der Handelsmarine. Wir waren andere Feste gewöhnt, und in Helsingfors dauerten die Feste oft zwei Tage und Nächte, da war ich auch etwas gewöhnt. Nun ist es aber keineswegs so, dass die Seeleute, wie man es in Liedern so oft hört, ewig mit der Rumbuddel herumlaufen, aber in ausländischen Häfen musste die Schiffsleitung sehr oft aus geschäftlichen Gründen Feste an Bord geben, um mit den ausländischen Firmen in Kontakt zu bleiben. Das geschieht am besten, wenn man in zwangloser Gesellschaft ein paar Stunden zusammensitzt. Aber das nur nebenbei. Nun, die Kaiser-Geburtstagsfeier ging bis früh um fünf Uhr durch, dann kam der 1. Off. v. Schweidnitz zu mir und sagte: „Kapitän, Ihre Prüfung haben Sie schon bestanden!“

      Die richtige Prüfung fand aber erst im April statt. Wir wurden dann einzeln examiniert, und bei mir ging das so vor sich: Der Navigationsoffizier stellte die erste Frage: "Na. Käptn, was wollen wir trinken? – Flasche Sekt?"

      Ich war natürlich nicht abgeneigt. Nach einer Viertelstunde war die Prüfung beendet, Fragen wurden kaum gestellt. Beim 1. Offizier dieselbe Geschichte, und zuletzt beim Arzt gab es auch wieder Champagner. Diese sogenannte Prüfung dauerte bis elf Uhr. Um 12 Uhr war dann eine große Sitzung beim Kommandanten in der Messe. Die Prüfer mussten dort die Ergebnisse bekanntgeben. Ich hatte mit „sehr gut“ bestanden, und meine Kollegen flogen durch, d. h. die hatten sie aber auch auf Herz und Nieren geprüft. Ich blieb noch zwei Monate als Wachoffizier auf S.M.S. REGENSBURG und wurde zum Leutnant z. S. befördert. Zufällig traf ich eines Tages auf der Straße meinen alten Kommandanten, Kapt. z. S. Forstmann, Führer der Nordseevorpostenflottille. Er erkundigte sich interessiert, wo ich z. Zt. stationiert sei, und als er hörte, dass ich auf Kreuzer REGENSBURG war, meinte er, da gehöre ich doch nicht hin. Er sagte mir, er wolle noch heute mit dem Admiral sprechen, damit ich wieder in seine Flottille käme. Ich sollte dort als Kommandant eine Vorpostengruppe bekommen. Eine Gruppe bestand aus sechs Booten. Im Stillen dachte ich: ‚Na, wie das wohl abläuft?’ Am nächsten Abend hatte ich Wache, da kam ein Funkspruch: „Der Leutnant z. S. Hubert ist sofort zur Nordseevorpostenflottille zu überweisen." – Unterschrift: Admiral Scheer.

      Als am nächsten Morgen der erste Offizier an Bord kam, machte ich gleich Meldung und zeigte ihm den Funkspruch. Er war empört und sagte, das komme nicht in Frage, dass man ihm hier so einfach seine besten Leute weghole. Aber Befehl ist Befehl, und so mussten sie mich gehen lassen. Der Kommandant bestellte mich zu sich, gab mir zum Abschied die Hand und gratulierte mir zu dem selbständigen Posten, der einer Beförderung gleichkam. Es wurde noch eine Flasche Sekt getrunken, und damit war dann mein Dienst auf der REGENSBURG beendet.

      Bei Kapt. z. S. Forstmann meldete ich mich am nächsten Tag. Ich kam als Gruppenführer der Außengruppe, welche nördlich von Esberg stationiert war, auf V.P.B. "AKLEBARAN". Mit meiner Gruppe, die sechs Boote umfasste, mussten wir Dienst zwischen Esberg und zehn Meilen nördlich davon machen. Es galt aufzupassen, dass keine feindlichen U-Boote in unsere Gewässer kamen. Wenn nun mal draußen keine dicke Luft war, vertrieben wir uns die Zeit, indem wir fischten. Zu diesem Zweck hatten wir uns Netze organisiert. Da viele Besatzungsmitglieder früher bei der Fischerei tätig waren, hatten wir auch genügend Fachleute an Bord. Einen großen eisernen Schrank hatten wir uns auf der Werft besorgt, der wurde als Räucherkammer in Dienst gestellt. So hatten wir außer Frischfisch auch immer die herrlichsten Räucherfische. Auf unserer Station waren die besten Fischgründe, und wir brachten fast alle paar Tage 2.000 bis 3.000 Pfund Fische mit. Die Beute wurde in der ganzen Gruppe verteilt, und jedes Besatzungsmitglied durfte nach jeder Fahrt 30 Pfund Frischfisch und 20 Pfund Räucherfisch nach Hause schicken. Was das im Krieg heißt, wissen wir alle, denn die Kartenzuteilung reichte doch nie. Handel durfte aber mit den Fischen nicht getrieben werden, das war strengstens verboten. Wurde jemand dabei erwischt, dass er seinen Anteil verkaufte, durfte er vier Wochen keine Fische nach Hause schicken. Die Gefahr, dass Handel mit den Fischen getrieben wurde, war aber gering, denn die Angehörigen warteten doch jede Woche sehnsüchtig auf das nahrhafte Paket. Die großen Kriegsschiffe bekamen, wenn wir genügend hatten, natürlich auch von dem Segen des Meeres etwas ab, aber sie mussten bezahlen, und zwar für Edelfische, wie Steinbutt, Seezunge etc. bekamen wir vierzig Pfennig das Pfund und für Kabeljau und Schollen 20 Pf. Dieses Geld kam in eine besondere Kasse für die bedürftigen Besatzungsmitglieder. Von dem Geld wurde das Porto bezahlt,