Alfred Broi

Genesis I


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blieb stehen und wartete, bis Shamos neben ihr war. „Ich habe jetzt Hunger!“ sagte sie nur knapp, sah ihm zunächst ausdruckslos geradewegs in die Augen und ließ ihren Blick dann an seinem Körper sinken. „Und, Shamos?“ fügte sie noch hinzu, als sie einen Schritt nach vorn tat, die hölzerne Gartentür öffnete, hindurch schritt und sie geöffnet hielt.

      „Ja?“ Shamos machte zwei schnelle Schritte nach vorn und trat ebenfalls durch die Tür in den Garten, wo in etwa zehn Metern Entfernung Kaleena, Alisha, Melia, Vilo und Mavis mit den Vorbereitungen für ihren gemeinsamen Grillabend beschäftigt waren. „Mach deinen Reißverschluss wieder zu, okay?“ Sie grinste einmal kurz freudlos, drehte sich auf dem Absatz um und rief sofort in die andere Richtung laut und deutlich. „Hallo ihr Lieben!“, noch bevor Shamos überhaupt begriffen hatte, dass er tatsächlich mit geöffneter Hose dastand.

      Durch Eshas Begrüßung aber hatte er dafür sofort die Aufmerksamkeit und die Blicke seiner überraschten und sogleich amüsierten Freunde auf sich - und seinem offenen Hosenstall.

      „Ach, sieh an!“ prustete Vilo. „Shamos zeigt seinem kleinen Mann die große Welt. Auch nicht schlecht!“

      Und alle verfielen augenblicklich in schallendes Gelächter – auch Esha.

      Shamos verzog sein Gesicht zu einer tief angesäuerten Grimasse und ordnete sein Hab und Gut wieder vernünftig. „Miststück!“ flüsterte er dabei mit einem bitterbösen Blick auf die lachende Esha. „Von wegen Sklave. Wir werden ja sehen, wir von uns beiden nachher um Gnade winselt!“

      Shamos atmete einmal tief durch und trat zu der Gruppe seiner Freunde.

      Mavis war der erste, den er erreichte. „Nenn du mich noch irgendwann mal irre oder pervers!“ grinste sein Freund breit und reichte ihm die Hand zum Gruß.

      Shamos musste ebenfalls grinsen und schüttelte sie kräftig.

      Melia trat zu ihnen und Shamos reichte auch ihr die Hand. „Hallo Melia!“

      Melia aber schaute nur gebannt auf seine Hand, dann lächelte sie verlegen, trat einen Schritt näher, legte flüchtig ihre Hände auf seine Schultern und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Ehrlich Shamos, du bist wirklich immer für eine Überraschung gut!“

      Als Mavis sah, wie Melia Shamos Hand ausschlug, fiel es ihm wie Schuppen aus den Augen, was sein Freund damit wenige Momente vorher getan hatte. Entgeistert schaute Mavis auf seine Hand, als würde sie ihm jeden Moment abfaulen, zog sie dann langsam zurück und wischte sie ausgiebig an seiner Grillschürze ab.

      Vilo kam hinzu, schaute Mavis direkt in die Augen und grinste breit. „Blödmann!“ sagte er nur, dann schlug er Shamos freundlich auf die Schulter und führte ihn zu Esha an den Tisch.

      Dort begrüßte Shamos Kaleena mit einer Umarmung und einem Küsschen. Alisha saß auf einem Stuhl und machte Anstalten, sich zu erheben, da trat Shamos zu ihr und drückte sie wieder sanft zurück in den Sitz, während er seine Arme von hinten um sie legte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. „Hallo Alisha!“

      „Hallo Shamos!“ Alisha legte ihre Hände auf seine Unterarme und streichelte sie.

      Shamos ließ seinen rechten Arm sinken und streichelte Alishas jetzt schon deutlich gerundeten Bauch. „Wie geht es dir?“

      „Ich fühle mich gut!“

      „Und der Kleinen?“

      Alisha lächelte. „Shamos, wir wissen doch noch gar nicht, was es wird. Hör auf damit!“ tadelte sie ihn sanft.

      „Natürlich wird das ein Mädchen. Stimmt es, Jungs?“ Shamos schaute zu Mavis und Vilo, die ihm zunickten. „Siehst du, ich habe recht. Wer will denn auch schon einen weiteren Bewohner haben, der aussieht wie ein zerknautschtes Sofakissen?“ Er schaute Alisha in die Augen, die schon wieder lächelte. „Dann doch lieber noch einen weiteren Engel!“

      „Du bist lieb, Shamos!“ Alisha lachte einmal auf.

      Shamos gab ihr noch einen Kuss auf die Wange, dann erhob er sich. „Wo ist eigentlich der Wischmob?“

      „Jorik ist nicht hier!“ antwortete Mavis.

      „So? Wo ist er dann?“

      „Er hat heute einen wichtigen Testflug!“ sagte Alisha. „Ein ganz neuartiges Fluggerät. Jorik durfte mir nicht mehr sagen, es ist alles noch streng geheim. Aber ich glaube auch, er wollte mir gar nicht mehr erzählen. Er war so nervös wie ein Schuljunge, total aufgeregt. Das neue Antriebssystem ist seine Erfindung. „Eigentlich...!“ Alisha schaute auf die Uhr „...müsste er jeden Moment starten!“

      „Na dann...!“ Shamos nahm das Bier, das ihm Vilo reichte. „...auf das Baby!“

      Shamos hob die Flasche und alle anderen Anwesenden stimmten mit ein.

      Alisha lächelte glücklich und streichelte sanft ihren Bauch, in dem sich das kostbarste Geschenk befand, dass sie ihrem über Alles geliebten Jorik nur machen konnte.

      Und ja – Shamos hatte recht – tief in ihrem Inneren spürte sie, dass es tatsächlich ein Mädchen werden würde, so wie Jorik es sich so sehr wünschte.

      Einhundertsiebzig Meilen nördlich befand sich die größte Forschungsstation der Imrix-Corporation, dem weltumspannenden Luftfahrtkonzern mit mehr als vierhunderttausend Mitarbeitern.

      Die riesige, weitläufige Anlage mit Dutzenden von mehrstöckigen Gebäuden und gigantischen Hallen erstreckte sich fast dreißig Kilometer entlang der Küste des galpagischen Meeres, besaß den größten privaten Flughafen des Planeten und gab jeden Tag vierzigtausend Menschen Arbeit.

      Jorik trat aus der Tür des vierstöckigen Hauptkomplexes und ließ seinen Blick über die unzähligen Rollfelder gleiten. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne warfen ein rötliches Licht auf den gesamten Komplex und ließen seine vielfach metallischen Oberflächen scheinbar pulsieren.

      Jorik atmete einmal tief durch, dann setzte er sich in Bewegung und schritt auf ein Hovercraft zu, in dem bereits ein Fahrer saß.

      Die Fluguniform, die er trug, passte wie angegossen und verlieh ihm einen schneidigen Ausdruck.

      Sein Gesicht war unbeweglich, als er den Fahrer knapp begrüßte und sich neben ihn setzte.

      In seinem Inneren aber war er tierisch nervös, viel nervöser als sonst und viel nervöser, als jemals zuvor.

      Aber das war ja auch kein Wunder, denn heute, in wenigen Minuten, würden er, sechs weitere Techniker und zwei Piloten den ersten Testflug in einem Fluggerät machen, das ein völlig neuartiges Konzept verfolgen würde und ihnen den letzten weitgehend unerforschten Lebensraum dieses Planeten zugänglich machen konnte.

      Und doch, mochte dieser Flug so wichtig sein, wie er wollte, während das Hovercraft sich in Bewegung setzte und auf eine der kleineren Hallen auf dem Gelände zuhielt, waren seine Gedanken letztlich doch stets auch an einem anderen Ort: Bei Alisha und ihrem Baby.

      Kurze Zeit später hielt der Hovercraft vor der Halle und Jorik stieg aus, nickte dem Fahrer wortlos zu und während das Fahrzeug wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückfuhr, betrat Jorik die Halle.

      Im Inneren herrschte große Betriebsamkeit. Mehr als einhundert Personen waren damit beschäftigt, die letzten Startvorbereitungen für ihren Testflug durchzuführen.

      Sofort als Jorik eintrat, wurde er von zwei Techniker vom Bodenpersonal umringt, die ihn mit letzten Informationen versorgten. Jorik hörte ihnen aufmerksam zu und nickte dann, während er immer weiter in die Halle schritt, bis er die undurchsichtige Trennwand zu seiner linken letztlich hinter sich gelassen hatte und er nun endlich auf den Hauptdarsteller des heutigen Abends schauen konnte: Die Kitaja, das erste bemannte Flugboot, das es gab.

      Der Prototyp war in Originalgröße gebaut worden, damit man die notwendigen Daten, die dieser Flug bringen sollte, auch uneingeschränkt verwenden konnte, auch wenn es