Alfred Broi

Genesis I


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mehr gekostet hatte, als ein Modell mit etwa 75 % der Ausmaße, hervorragend angelegt sein würden.

      So also hatten sie das Flugboot hier in dieser Halle endgefertigt und mit einer Länge von knapp sechzig Metern war es eine recht imposante Erscheinung, wenn es auch gegen die irrsinnig gewaltigen Flugzeuge mit Längen von bis zu zweihundert Metern und einer Kapazität von achthundert Tonnen oder tausendsechshundert Personen, die die zivile Luftfahrt seit einiger Zeit nutzte, recht unscheinbar wirkte.

      Doch die Zeiten, in denen Flugboote eine derartige Kapazität benötigen würden, lagen noch in weiter Ferne. Ein Fassungsvermögen von max. hundertfünfzig Personen und zwanzig Tonnen Frachtgut waren zunächst mehr als ausreichend.

      Das Flugboot selbst war schon in seinem Aussehen nicht mit den herkömmlichen, zivilen, aber auch militärischen Flugzeugen zu vergleichen.

      Während es beim Militär auf Schnelligkeit und Wendigkeit ankam und im Bereich der zivilen Luftfahrt auf Transportkapazität und Kostennutzen, würde es bei der Kitaja hauptsächlich auf die Stabilität ankommen.

      Das Flugboot wies daher auch nur kleine Seitenflügel auf, die auf Befehl eingefahren werden konnten. Das Heck verjüngte sich zwar, wie bei einem Flugzeug, jedoch nur in der Höhe, kaum jedoch in der Breite. Am Ende waren kompakte Aufsätze aufgebracht, die die Höhenruder beinhalteten.

      Der Boden des Flugbootes blieb auch zum Bug hin abgeflacht, während die Oberkante sich nach vorn in die Höhe wölbte und erst zum Cockpit hin wieder absenkte, wo sie in eine große, konvexe Glasfront überging. An ihrem unteren Ende formte sich eine Art platte Nase nach vorn, bevor sie sich zum abgeflachten Boden hin verjüngte.

      Das Flugboot besaß keine wirklichen Ecken und Kanten, alles war so konstruiert, dass die notwendigen Konturen in wohlgefälligen Rundungen eingebettet waren.

      Die Triebwerke, die auch bei der Kitaja für die Fortbewegung unerlässlich waren, waren seitlich eng an den Rumpf direkt unterhalb der Flügelansätze angebracht und aus der horizontalen in die vertikale Schubrichtung schwenkbar.

      Und diese Triebwerke waren - neben der neuartigen Form des Flugbootes - die größte technische Herausforderung und schließlich Errungenschaft gewesen, doch würden sie ihr grandioses Geheimnis erst während des Testfluges offenbaren.

      Hoffentlich, dachte Jorik bei sich, denn sie waren noch nie in dieser Größe und unter Volllast getestet worden.

      Aber Jorik war sehr sicher, dass ihr Testflug ein voller Erfolg werden würde. Er hatte nicht umsonst die letzten vier Zyklen, anfangs in jeder freien Minute, später dann als Leiter des offiziellen Forschungsprojektes, damit verbracht, die perfekte Lösung für dieses wahnwitzige Problem zu finden.

      Und jetzt, heute, war es endlich soweit, dass er sich persönlich davon überzeugen konnte, was er und sein Team in so vielen Stunden geleistet hatten.

      Jorik betrat das Flugboot über eine seitliche Einstiegsluke.

      Im Inneren konnte Jorik auf den prall gefüllten hinteren Bereich des Laderaums schauen, in dem unzählige quaderförmige Boxen verstaut waren. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck ging er nach links auf eine kleine dreistufige Treppe zu, erklomm sie und fand sich sogleich im eigentlichen Cockpit des Flugbootes wieder. Im hinteren Teil, in dem er jetzt stand, waren alle nur erdenklichen Instrumente angebracht. Einige davon waren für den ordnungsgemäßen Flugbetrieb des Bootes unerlässlich und würden auch in einem seriengefertigten Exemplar vorhanden sein und von zwei Flugtechnikern bedient werden.

      Heute jedoch waren zusätzliche Instrumente angebracht, die quasi jeden Quadratzoll des Bootes in jeder Sekunde des Testfluges genauestens unter die Lupe nehmen würden, um so wichtige Daten über Materialverformung, Hitzeentwicklung, Druckermüdung und noch tausend andere, hochkomplizierte Erscheinungen während des Fluges zu sammeln. Zur Bedienung dieser Instrumente befanden sich vier weitere Ingenieure an Bord.

      Jorik grüßte alle sechs Männer freundlich, gelassen und mit einem Lächeln, verharrte jedoch nicht bei ihnen, sondern ging weiter zum Bug des Flugbootes.

      Auf der rechten Seite konnte er ein Kontrollpult erkennen, dessen Sitz davor noch leer war. Dies war sein Platz, von dem aus er die sechs Ingenieure und all Ihre Instrumente kontrollierte und von wo aus er direkten Ausblick aus der Kanzel in Flugrichtung hatte und letztlich den beiden Piloten die Befehle über die geplanten Flugmanöver geben würde.

      Ja, Jorik war der Kommandant des Flugbootes, der allein entschied, welche Flugmanöver wie auszuführen waren, um einen Test auf Herz und Nieren zu gewährleisten.

      Fliegen aber konnte Jorik das Boot nicht, das mussten die beiden Piloten für ihn erledigen, die sich ebenfalls in langen Tests auf diesen Flug vorbereitet hatten, da hier letztlich ja nicht nur die herkömmlichen Pilotenfähigkeiten erforderlich waren, sondern auch die eines Seemanns.

      Jorik trat neben die beiden Pilotensitze.

      Der Co-Pilot, ein junger Mann von sechsundzwanzig Zyklen namens Tagh, erkannte ihn und erhob sich von seinem Sitz. „Kommandant an Bord!“ sagte er laut und reichte Jorik die Hand.

      Jorik schüttelte sie und nickte ihm zu, während sich aus dem anderen Sitz der Pilot erhob.

      „Jorik!“ sagte der Mann, der achtundzwanzig Zyklen älter war als Jorik selbst und schaute ihm dabei geradeheraus in die Augen. Er war nur unmerklich kleiner als Jorik, etwas untersetzt, aber dennoch körperlich durchtrainiert und auf seinem Kopf prangte eine sorgfältig polierte Glatze.

      Jorik reichte ihm die Hand und lächelte ihm zu. „Captain Cosco!“ Jorik war sehr froh, ihn als verantwortlichen Piloten bekommen zu haben. Er war der beste seines Fachs und absolut zuverlässig.

      „Wie weit sind die Vorbereitungen?“ wollte Jorik wissen.

      „Vor einer Minute abgeschlossen!“ antwortete Cosco, während er sich wieder setzte. „Alle Systeme sind online und funktionieren einwandfrei. Die Verbindungen zu ihrem Terminal sind hergestellt und gesichert!“

      „Ist das Boot korrekt beladen worden?“

      „Ja Sir!“ sagte Tagh. „Ich habe den Vorgang selbst überwacht. Wir haben exakt 21,4 Tonnen Fracht an Bord. Stahlteile, ein Hovercraft, Lebensmittel, einen gefüllten Fünftausend-Liter-Wassertank, alles wie befohlen asymmetrisch eingelagert!“

      Jorik nickte ihm zufrieden zu. „Zusätzlich noch drei Kisten Wein, drei Kisten Whiskey und eine Kiste Zigarren direkt aus Is Minardo!“ Während Captain Cosco bei dem Wort Is Minardo beeindruckt die Augenbrauen anhob, ohne den Blick von seinen Instrumenten zu nehmen, schaute Tagh Jorik neugierig an. „Darf ich fragen, wozu wir diese Dinge mit uns nehmen?“

      Jorik lächelte. „Falls wir im Wasser Probleme bekommen sollten, müssen wir nicht nüchtern sterben!“

      „Besteht Grund zur Annahme, dass es so kommen könnte?“ Cosco drehte sich auf seinem Sitz zu ihm um.

      Jorik schüttelte gelassen den Kopf. „Ich habe ihnen ein gutes Boot gebaut, Captain. Es besteht kein Grund zur Sorge!“

      Cosco nickte.

      „Aber die Zigarren Sir!“ hakte Tagh ein. „An Bord darf nicht geraucht werden!“

      „Was glauben sie, was mich das auf dem Grund des Meeres noch interessieren würde!“ erwiderte Cosco sofort.

      Doch Jorik schüttelte den Kopf. „Die Zigarren sind für den Fall, dass dieser Testflug erfolgreich beendet wird. Und dann werden wir hier drinnen rauchen. Und zwar die teuersten Zigarren, die man für Geld bekommen kann. Wenn wir Erfolg haben, dann werden sich einige Dinge hier auf diesem Planeten ändern und dann soll Imrix ruhig einmal der Arsch bluten!“

      Jorik schaute Tagh direkt ins Gesicht und dieser nickte ihm beeindruckt zu. Auch Cosco nickte lächelnd.

      „Captain Cosco!“ sagte Jorik. „Holen sie uns die Starterlaubnis und dann nichts wie weg hier!“

      „Ay!“ Cosco setzte sein Headset auf.

      Jorik