Dr. Hans Gruber

Schimmel - Geschichten über einen (un)heimlichen Gast


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aufgestellt. Und die Heizung ist ausgestellt. Bevor ich zur Arbeit fahre, schließe ich die Fenster. Und stelle den Heizungsthermostat auf "4", das bedeutet 20 °C im Schlafzimmer tagsüber. Meist bin ich kurz nach 16 Uhr wieder zuhause und lüfte mindestens einmal kräftig durch (Querlüftung). Dann schalte ich den Schlafzimmer-Heizkörper wieder aus. Und wenn ich dann gegen 22 Uhr ins Bett gehe, ist es bereits wieder angenehm kühl im Schlafzimmer.

      Bisher hatte ich keinen Schimmel.

      Allerdings sind die Heizkosten etwas höher als wenn ich durchheizen würde. Warum? Weil kalte Wände und Möbel aufzuheizen mehr Energie verbraucht als warme Wände und das Schlafzimmerinventar "auf Temperatur zu halten". Warum das so ist, erkläre ich Ihnen in der folgenden "Geschichte vom teuren Sparen".

      Die Geschichte vom teuren Sparen

      Während der kalten Jahreszeit öffnet Herr Sparsam morgens nach dem Aufstehen alle Fenster seiner Wohnung weit für 10 Minuten (brav, brav!) und stellt die Heizkörper ab (oh je). Dann geht er zur Arbeit. Gegen 18 Uhr kommt er zurück. Es ist lausig kalt in der Bude. Herr Sparsam dreht die Heizkörperventile voll auf. Je nach Außentemperatur kann man es nach ca. 1 Stunde in der Bude wieder aushalten und Herr Sparsam regelt die Ventile wieder etwas runter. Bis er schlafen geht hat er je nach Bedarf wie am Morgen drei bis fünf mal quergelüftet (Durchzug). Lob, Lob!

      Neben ihm wohnt - gleicher Wohnungszuschnitt - Frau Richtich. Die lüftet wie Herr Sparsam morgens und abends. Sie hat es aber gerne warm, auch abends wenn sie von der Arbeit kommt. Deswegen stellt sie ihre Heizkörper nie ab. Ihre Wohnung ist immer 20 - 22 °C warm.

      Irgendwann kommen beide, Herr Sparsam und Frau Richtich, beim Müll-Runterbringen ins Gespräch. Herr Sparsam schimpft über die Höhe seiner Heizkostenabrechnung. Wo er doch so spart. Frau Richtich staunt: Sie zahlt ein Drittel weniger als Herr Sparsam. Wo sie doch so großzügig mit der Heizung umgeht.

      Warum ist das so?

      Wände und Möbel in Herrn Sparsams Wohnung werden tagsüber lausig kalt, die in der Wohnung seiner Nachbarin nicht. Herr Sparsam muss deswegen seiner Wohnung abends kräftig einheizen. Wände und Möbel wieder warm zu bekommen, kostet viel Heizenergie. Seine Nachbarin muss abends nicht die Heizkörper hochdrehen. Es ist trotzdem mollig warm: Luft zu erwärmen kostet wesentlich weniger als feste Materialien wie Wände und Möbel auf Temperatur zu bringen.

      Merke: Einheizen ist teurer als durchheizen!

      Wer sich so verhält wie Herr Sparsam, strapaziert Geldbörse und Umwelt.

      Die Geschichte von der nassen Socke

      Herr Sparsam hat eine neue Spar-Strategie entwickelt: Während der Heizperiode lüftet er gar nicht mehr. Beim Raus- und Reingehen kommt eh genug Sauerstoff zum Atmen mit.

      Erst riecht die Wohnung nur nach Herrn Sparsam. Später merkt man, dass da noch jemand anders mitwohnt: Schimmel. Das ist aber nicht so schlimm, Herr Sparsam hat sich "Chlor" vom Baumarkt beschafft. Das beisst ein bisschen in den Atemwegen aber es hilft.

      Anfänglich.

      Eines Tages kommt seine Nachbarin, Frau Richtich - zu Besuch und wundert sich ob der strengen Geruchsnote zwischen Champignonzucht und Schwimmbad. Herr Sparsam gibt zwar zu, dass das nicht so schön sei - aber er würde so heftig viel Heizenergiekosten sparen. Aber sie - Frau Richtich - dagegen würde durch ihre 5 bis 8 Querlüftungen je Tag die ganze Heizenergie zum Fenster rausjagen.

      Ein Vergleich beider Heizkostenabrechnungen würde das beweisen. Dann gingen Herrn Sparsam die Augen über: Seine Abrechnung war fast doppelt so hoch wie die von Frau Richtich.

      Wie kommt das?

      Dass beim Wohnen Feuchte entsteht, hatten wir schon (siehe Geschichte "Jeden Tag einen Eimer Wasser").

      Herr Sparsam hat durch sein Lüftungsverhalten erreicht, dass die Wände seiner Wohnung immer nässer wurden. Und nasse Wände sind kalte Wände. Haben wir alle schon mal erfahren: Wenn die Socken nass geworden waren, waren auch die Füße kalt.

      Die Socken haben wir dann zuhause auf die Heizung gelegt. Als sie schließlich wieder trocken waren, fühlten sich die Füße in ihnen warm an: Die Heizungsenergie hatte das Wasser verdunsten lassen.

      Genau das geschah tagaus nachtein in Sparsam's Wohnung: Ein Teil der Heizungsenergie wurde zum Verdunsten von Wandfeuchte verbraucht, ohne dass es im Raum merklich wärmer wurde. Dann ging beim Rein- und Rausgehen und durch Undichtigkeiten in Türen und Fenstern ein Teil der sehr feuchten warmen Raumluft "verloren". Und damit nicht nur die Energie, die Herr Sparsam in das Wasserverdunsten investiert hatte, sondern dazu auch die Energie, die er in das Wasser gesteckt hatte, das nun mit der Luft die Wohnung verließ.

      Merke: Wasser zu erwärmen braucht wesentlich mehr Energie als Luft zu erwärmen. Feuchte Luft zu erwärmen braucht wesentlich mehr Energie als trockene Luft zu erwärmen.

      Daher kam Herrn Sparsam sein Verhalten teurer als Frau Richtich ihr Verhalten der Stoß- und Querlüftungen.

      Glauben Sie mir nicht? Gebe ich Ihnen ein Beispiel: Feuchter Wandverputz enthält je % Feuchte je m² ca. 40 g Wasser. Zur Verdunstung dieser 40 g Wasser wird ungefähr die gleiche Energiemenge benötigt, die gebraucht wird, um 80 m³ 10°C kalte (Außen-)Luft auf 20 °C zu erwärmen. 80 m³ entsprechend einem Appartement von knapp 35 qm. Das heißt, mit einem Bruchteil der Energie, mit der Herr Sparsam Wasser "destillierte", konnte Frau Richtich großzügigst querlüften und die einströmende kalte Außenluft aufwärmen.

      Aber das ist noch nicht alles: Mit jedem % Feuchte sinkt die Wärmedämmung einer Wand um 5 % (Ernst Vill *). Auch daher heizte Herr Sparsam mehr als seine Nachbarin: Durch Herrn Sparsams feuchte Wände ging mehr Wärme verloren als durch Frau Richtichs trockene Wände.

      Übrigens wurde Herrn Sparsam gekündigt. Weil er durch sein "Nasswohnen" die Bausubstanz geschädigt hat. Das kümmert Herrn Sparsam jedoch zur Zeit nicht: Er liegt wegen schimmelbedingter Erkrankungen der Atemwege im Krankenhaus.

      Er braucht daher zur Zeit keine Wohnung.

      * Ernst Vill, "Mauerfeuchtigkeit", S. 31, Lier-Verlag, 1997,

      ISBN 3-929240-19-X

      Ernst Vill, "Lüftungsleitfaden", Lier-Verlag, 1997,

      ISBN 3-929240-18-1

      Von der Sucht nach Kippen

      Meine Frau und ich spielen im Winter an Wochenenden manchmal folgendes Spiel: Auf dem Weg zu unserem Wochenends - Latte Macchiato in unserem Lieblingscafe zählt Eva die auf Kipp stehenden Fenster der rechten und ich die der linken Straßenseite. Wer die meisten Fenster gezählt hat, hat gewonnen und bekommt vom anderen den Latte Macchiato bezahlt.

      Es ist erstaunlich, wie viele Menschen während der Heizperiode durch Kippen der Fensterflügel lüften.

      Man sollte sie eines Besseren belehren.

      Es ist noch erstaunlicher, wie viele Handwerker immer noch Heizkörper unterhalb dichter isolierverglaster Fenster installieren.

      Man sollte es ihnen verbieten.

      Es ist überhaupt erstaunlich, dass jemand Fenster erfunden hat, die nach innen und oben statt unten nach außen (wie z.B. in Schweden) zu kippen sind.

      Man sollte ihm das Handwerk legen.

      Da geben wir uns unendliche Mühe, Heizungsenergie zu sparen und die Kohlendioxid-Emissionen zu verringern:

      - Wir bauen winddichte Fenster ein und kämpfen mit den sich dadurch ergebenden Lüftungsproblemen.

      - Wir dämmen die Wohnungen von innen und kämpfen mit den sich hieraus ergebenden Schimmelproblem.

      - Wir dämmen die Gebäude von außen, nehmen so Verschandelung in Kauf und kämpfen mit den sich anschließend ergebenden Feuchteproblemen.

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