Mahlzeit. Womöglich war es gar Sancho Panza, jener zum Wegbegleiter des leicht verrückten Landadeligen Don Quijote ernannte Bauer, der der Gemüsesuppe zum Durchbruch verhalf: In dem Anfang des 17. Jahrhunderts erschienenen literarischen Meisterwerk wünscht er sich eine Gazpacho, um ihn vor dem Hungertod zu retten.
Das eine Rezept für Gazpacho Andaluz gibt es übrigens nicht, vermutlich gibt es sogar so viele Variationen wie Familien in Andalusien leben. Die einen mögen die Suppe fein püriert, andere stückig, die einen löffeln, die anderen trinken sie, es gibt rustikale und elegante Versionen und sogar solche mit Einlage, zum Beispiel gekochte Eier, Chorizo (spanische Paprikawurst) oder Meeresfrüchte. Tendenziell enthält die Gemüsesuppe im Westen Südspaniens viele Tomaten, ist also rot. Für Màlaga, Córdoba und Granada ist die helle Gazpacho typisch, die stattdessen mehr Gurke und Joghurt oder auch fein gemahlene Mandeln enthält. Und in den Bergen (Sierra Morena, Siera de Huelva) gibt es Rezepturen, die eher ins Grünliche gehen.
Spätestens seit der EXPO, die 1992 in Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens, stattfand, ist der Suppensalat weit über die Grenzen Spaniens hinaus bekannt. Wie praktisch, dass ein cleverer Geschäftsmann sie kurz darauf pasteurisiert und im Tetrapak in die Kühlregale brachte. Dass durch das Haltbarmachen ein Teil der Vitamine und Antioxidantien flöten gehen, tut dem Erfolg keinen Abbruch. Wer schon mal bei über 40 Grad im Schatten einer geregelten Arbeit nachgehen musste, weiß, wie bereitwillig man sich schweißtreibende Beschäftigungen wie etwa Kochen abgewöhnt. Dass man aber Gazpacho im Sommer sogar bei amerikanischen Fast-Food-Ketten in andalusischen Städten bekommt, geht dann doch einen Schritt zu weit.
9 Algen: Gesundes Lieblingsessen statt Sommerplage
Name: Wakame, Miyog
Region: Japan, Korea, China
Verzehr: Roh oder gegart
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Algensalat – das beschwört Bilder von Urlaubsstränden, die mit angespültem, glitschigem Grünzeug gesäumt sind, welches in der Sonne vor sich hin trocknet und erst intensiv nach Fisch und dann nach Verwesung riecht. Es erinnert auch an die jeden Sommer wiederkehrenden Meldungen von der »Algenpest«, die sich so stark vermehrt hat, dass sie das ökologische Gleichgewicht des nächsten Badesees hat kippen lassen. Dabei sind Algen der Ursprung allen Lebens. Vor drei Milliarden Jahren waren sie die ersten Sauerstoff produzierenden Organismen auf unserem Planeten und verwandelten die giftige Ursuppe in eine lebensfreundliche Atmosphäre. Heute gehören zur großen Algenfamilie, die alle Klimazonen und Lebensräume unseres Planeten besiedelt, Exemplare in ganz unterschiedlichen Farben, vom mit dem bloßen Auge unsichtbaren Einzeller bis zum hundert Meter langen Seetang.
Die Alge ist der Ursprung unserer Nahrungskette – und in Asien steht sie bis heute auch an deren Ende. Vor allem in Japan, Korea und China landet die vielseitige Wasserpflanze mit dem leichten Meeresaroma gerne in Töpfen, Tellern und Schüsseln, denn sie hat von Natur aus so viele Supereigenschaften, wie sie sich kein verrückter Professor oder Gentechniker jemals hätte ausdenken können.
Auch in der traditionellen chinesischen Medizin werden sie deshalb schon seit tausenden von Jahren verwendet, etwa um den Blutdruck und Cholesterinspiegel zu senken, das Blut zu reinigen, den Körper zu entgiften, die Immunabwehr zu stärken und Magen und Darm zu regenerieren. Meeresalgen enthalten mehrfach ungesättigte Fettsäuren, lebenswichtige Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine in hoher Konzentration. Hierzulande kennt man sie immerhin schon als Bestandteil der Thalasso-Therapie, bei der Packungen mit Algen und Schlick unter anderem bei Rheuma, Neurodermitis, Stress und Rückenschmerzen helfen sollen.
In Asien ist Algensalat eine Lieblingsspeise, die zum Beispiel mit Glasnudeln, Sojasoße, Essig, Sesam, Chili, Knoblauch und Koriander angemacht gegessen wird. Auf dem Teller sieht das aus wie ein grüner Berg aus Wackelpudding, den jemand zu Fäden gesponnen hat. Ganz so glibberig ist die Konsistenz aber nicht, eher eine seltsame Mischung aus erst weich und wabbelig auf der Zunge und wenn man dann kaut, doch irgendwie mit Biss.
Auf deutschen Tellern findet man diesen speziellen Wackelpudding noch eher selten, obwohl er doch so gesund und Götterspeise ja durchaus beliebt ist. Aber ein Anfang ist gemacht, denn Sushi ist hierzulande inzwischen fast so weit verbreitet wie Cocktails mit Schirmchen und das leicht salzig-bittere grüne Papier rings um die Reisröllchen besteht ebenfalls aus Alge – Nori heißt sie und ist die am häufigsten verzehrte Art. Wer sich auf der Karte schon bis zur Miso-Suppe vorgetastet hat, kennt sogar bereits die Wakame-Alge. Die spinatähnlichen Fetzen in der Suppe stammen nämlich genau wie der Glibbersalat von jener Pflanze, die Platz zwei auf der asiatischen Algen-Verzehr-Rangliste einnimmt.
Unsere Nachbarn sind da aufgeschlossener. In der Bretagne an der Westküste Frankreichs, wird die Wasserpflanze seit den 1980ern erforscht und inzwischen auch kommerziell angebaut – als Lebensmittel sowie für kosmetische und medizinische Zwecke. Vielleicht trauen wir uns eher an den Meeressalat heran, wenn wir im Supermarkt die Aufschrift auf der Verpackung verstehen und nachlesen können, wo es geerntet wurde. Denn Algen sind auch ein sensibles Produkt: Wachsen sie in verschmutzten Gewässern, reichern sie die Schadstoffe an. Nicht erst seit Fukushima ein brisantes Thema.
10 Artischockenlikör: Die Zunge protestiert, der Magen freut sich
Name: Liquore carciofo
Region: Italien
Verzehr: Pur, auf Eis, als Cocktail
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Fettlöser, Verteiler, Rachenputzer, Absacker. Es gibt viele Kosenamen für den Verdauungsschnaps nach dem Essen. In unserer kollektiven Vorstellung ist es total logisch, nach einer fettigen, schweren Mahlzeit mit Alkohol nachzuspülen. Was beim Hausputz hilft, Fettränder zu beseitigen, sollte doch auch im Magen funktionieren. Gerade die beliebten Obstbrände und klaren Schnäpse tun das aber nicht. Statt das Essen zu verarbeiten, hat der Körper nun erst mal damit zu tun, den Alkohol abzubauen. Es gibt allerdings Ausnahmen – nicht wegen ihrer Umdrehungen, sondern der ätherischen Beigaben: Kräuterliköre zum Beispiel. Und Artischockenlikör.
Wie bitte? Schnaps aus diesem seltsamen Gemüse, von dem kaum einer weiß, wie man es zubereitet, geschweige denn isst? In Deutschland fristet das leckere und gesunde Distelgewächs völlig zu Unrecht ein Schattendasein. Nur bei Menschen, die Gallen- und Verdauungsprobleme haben, sich nach fettem Essen schlaflos im Bett wälzen oder deren Cholesterinspiegel zu hoch ist, gelten sie als Geheimtipp. Allerdings eher in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel. Auch ein großer italienischer Spirituosenhersteller, der seinen Artischocken-Kräuter-Likör schon vor Jahren auf den deutschen Markt brachte, konnte die Schnapsgetreuen nicht zu seiner Wunderwaffe gegen die klassische Kopfleere nach teutonisch-schwerer Mahlzeit bekehren.
Wen wundert’s? Während selbst billiger Obstler oder Grappa zuverlässig eine Schneise bis in den Magen hinunterbrennt (und guter noch feine Aromen mitschickt), macht sich der herbe, bittere Likör unangenehm lange im Mund breit und weckt Erinnerungen an Hustensaft. Bitter, das Stiefkind der Geschmacksfamilie, das die Geschwister Sauer und Scharf und die Lieblingstochter Süß nur ungern mitspielen lassen, hat es nicht leicht bei uns. Da hilft auch nicht der gut gemeinte Rat der italienischen Exporteure, es müsse ja nicht immer la dolce vita sein. Doch, muss es! Das Leben in Deutschland ist auch ohne Artischockengesöff bitter genug! Leider trägt auch das Flaschenetikett, auf dem sich eine jener schuppigen, grün-braunen Kugeln räkelt, weder zum Sexappeal noch zur Coolness des Getränks bei.
In Italien sieht die Sache freilich ganz anders aus. Neben dem Großexporteur gibt es in Norditalien auch traditionsreiche, familienbetriebene Destillerien, die aus den Distelgewächsen Liköre und höherprozentige Spirituosen wie beispielsweise Grappa herstellen. Und wie schrieb eine italienische Frauenzeitschrift so schön? Ein halbes Glas davon,