Ana Marna

Wächterin


Скачать книгу

sie entschuldigend. „Aber heute Abend ging bei mir alles drunter und drüber.“

      „Sie können ihre Jacke dort an der Garderobe abgeben. Darf ich fragen, wen sie suchen?“

      „Natürlich. Jasmin Lenz. Soweit ich weiß, ist sie seit zwei Jahren ein begeistertes Mitglied.“

      Valea konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, während sie ihren Parka auszog.

      „Können Sie mir einen Tipp geben, wo ich sie eventuell finden kann? Oder können Sie sie vielleicht ausrufen lassen?“

      Der Türsteher schüttelte den Kopf.

      „Tut mir leid, das geht nicht. Die Mitglieder sind weitgehend anonym hier, und Ausrufe würden die Intimsphäre verletzen. Ich weiß aber, dass Miss Lenz noch anwesend ist. In welchen Räumlichkeiten kann ich Ihnen aber nicht sagen.“

      Valea zuckte die Schultern.

      „Na, dann werde ich sie wohl suchen müssen. Ich beeil mich auch.“

      „Darf ich sie noch um Ihren Führerschein bitten?“

      Valea stutzte. „Warum?“

      Der Türsteher setzte ein unverbindliches Lächeln auf.

      „Nun, sie sind noch kein Mitglied, und deshalb muss ich darauf bestehen. Sobald Sie uns wieder verlassen, werden Sie ihren Ausweis selbstverständlich zurückerhalten.“

      Valea zog achselzuckend ihre Börse heraus und händigte das Gewünschte aus.

      Dann stieg sie gespannt eine Wendeltreppe nach unten.

      Jasmin hatte ihr ja schon oft von diesem Club vorgeschwärmt. Hauptinteresse der Mitglieder war Sex, und angeblich gab es keine Tabus. Dies war eine absolut neue Welt für Dr. Valea Noack, und bisher hatte sie auch noch nie den Wunsch verspürt, dieses Milieu kennenzulernen. Doch an diesem Abend musste sie sich wohl oder übel dazu entschließen. Es ging immerhin um Jasmins Zukunft und ihre Freundin hatte ihr das Versprechen abgerungen, sie sofort zu benachrichtigen.

      Als sie die Kellerräume betrat, blieb sie erst einmal verblüfft stehen.

      Der Saal vor ihr war riesig und großzügig mit Stühlen, Tischen, Couchs und einer zentralen Bar ausgestattet. Alles wirkte gediegen und edel, aber nicht überladen. Nie hätte sie in einem Keller solch luxuriöse Größe vermutet. Und er schien gut besucht zu sein. An allen Tischen saßen Gäste und freizügig bekleidetes Personal. Jasmin konnte sie allerdings nirgendwo entdecken.

      Als etwas gegen ihre Beine stieß, blickte sie nach unten und gewahrte einen riesigen schwarzen Hund, der interessiert an ihrer Hose schnüffelte.

      Lächelnd hielt sie ihm ihre Handfläche vor die Nase.

      „Hallo, mein Hübscher. Magst du meinen Geruch? Das wundert mich wirklich. Ich stinke bestimmt fürchterlich nach Chemikalien, Blut und Leichen.“

      Der Hund schaute auf und ihr direkt in die Augen.

      Verblüfft registrierte sie, dass diese von einem tiefen Blau waren.

      „Na so was“, lächelte sie. „Ein blauäugiger, schwarzer Riesenhund. Das gefällt mir.“

      Sie hockte sich nieder, so dass sie mit dem riesigen Hundekopf auf einer Höhe war und kraulte den haarigen Hals.

      Der Hund legte den Kopf etwas zur Seite und blinzelte sie an. Ein zufriedenes Grollen drang aus seiner Kehle.

      Valea lachte.

      „Du lässt dich wohl gerne verwöhnen, was? Aber ein so hübscher Kerl wie du findet da bestimmt immer jemanden, der dazu bereit ist.“

      Das Grollen verstummte und ehe Valea sich’s versah, hatte der Hund seine Pfoten auf ihre Schultern gestellt.

      Von dem plötzlichen Gewicht überrascht kippte sie nach hinten gegen das Treppengeländer. Kichernd wehrte sie den Hund ab, der spielerisch nach ihrem Arm schnappte.

      „Cato, benimm dich!“, kam ein barscher Befehl.

      Frau und Hund blickten wie ertappt auf.

      Vor ihnen stand ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann, etwa Ende Dreißig, der streng auf den Hund sah. Dieser zog sofort den Schwanz ein und machte ein paar Schritte rückwärts.

      Der Mann hielt Valea die Hand hin.

      „Ich hoffe, er hat Sie nicht allzu sehr belästigt.“

      Valea erhob sich mit seiner Hilfe.

      „Oh nein, ganz und gar nicht. Er ist wirklich ein netter Kerl.“

      „Finden sie?“ Er warf dem Hund einen belustigten Blick zu. „Normalerweise ist er der Schrecken der Gäste. Er sollte gar nicht hier herumlaufen. – Sie sind zum ersten Mal hier, Miss …?“

      „Noack“, half Valea. „Valea Noack. Jawohl, bin ich, und ich bin auch kein Mitglied.“

      Er betrachtete sie ausgiebig.

      „Und wie haben sie Lex überredet, sie hereinzulassen?“

      „Sie meinen diesen reizenden Türsteher? Ich habe ihm erzählt, dass ich dringend meine Freundin suche.“

      „Soso, und das hat er ihnen geglaubt?“

      Valea blitzte ihn empört an.

      „Natürlich, schließlich ist das ja auch die Wahrheit. – Wer sind sie eigentlich? Der Club-Detektiv?“

      Der Mann lachte leise.

      „Nein, ich bin Raz Gor.“

      „Oh.“ Valea war peinlich berührt. „Jasmin hat mir von Ihnen erzählt. Sie sind der Besitzer dieses Etablissements, nicht wahr? Tut mir leid.“

      Raz Gor nickte und Valea hätte schwören können, dass es in seinen blauen Augen spöttisch blitzte. Nachdem sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatte, betrachtete sie ihn etwas genauer.

      Raz Gor war etwa einen Kopf größer als sie und sah zweifellos sehr gut aus. Seine braunen Haare waren kurzgeschnitten und wirkten gepflegt. Genauso wie sein gesamtes Äußeres. Überhaupt strahlte seine ganze Haltung Selbstbewusstsein und Autorität aus.

      Valea war sich überhaupt nicht sicher, ob sie ihn sympathisch fand oder eher beängstigend.

      „Nun, Miss Noack, ich will Sie nicht von ihrer dringenden Suche abhalten. Wenn Sie ihre Freundin gefunden haben, lade ich Sie gerne noch zu einem Glas ein.“

      Valea zögerte.

      „Das ist ja sehr nett von Ihnen, aber ich schätze, ich verschwinde lieber so schnell wie möglich von hier, sonst werde ich noch von Ihrem Türsteher gesteinigt.“

      Raz Gor lachte wieder leise.

      „Ich denke, er wird darüber hinwegsehen, wenn ich ihn darum bitte.“

      Valea errötete leicht.

      „Äh, ... natürlich. Ja also, dann … bis später.“

      Etwas hastig zog sie sich von Raz Gor zurück. Innerlich schalt sie sich wütend. Wie konnte sie sich nur so dumm benehmen, beinahe wie ein Schulmädchen. So etwas war ihr schon jahrelang nicht mehr passiert, dafür war sie viel zu selbstbewusst. Aber irgendetwas an diesem Mann verunsichert sie. Kurz blitzte Roman Rothensteins Gesicht vor ihr auf. War es diese überhebliche Selbstsicherheit, die sie von ihm kannte?

      Sie schüttelte das unwohle Gefühl ab, und durchstreifte den Raum, um nach Jasmin Ausschau zu halten.

      Aber diese war nirgends zu sehen.

      Schließlich betrat sie die Nebenräume.

      Waren in dem großen Raum allenfalls schmusende Pärchen und trinkende Singles zu finden, so ging es in den anderen Räumen schon härter zu Sache.

      Unangenehm berührt beobachtete Valea die mehr oder weniger bekleideten Gäste, die teilweise recht hemmungslos miteinander umgingen. Es war viel nacktes Fleisch