Katherina Ushachov

Zarin Saltan


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Problem, wie viel er trank.

      Kurschakov lehnte sich vor und blickte ihn an. »Beruhige dich. Es wird dir guttun. Mal ein bisschen Abwechslung. Ins Fernsehstudio fahren, endlich die drei Promifrauen Nora, Violetta und Regina live sehen, die das immer moderieren, vielleicht tatsächlich am Ende jemanden kennenlernen. Vielleicht sind die drei Damen, die um dich kämpfen, ja heiß.«

      »Kann ich mich da nicht vielleicht wieder abmelden?« Viktor schüttelte verzweifelt den Kopf, doch das war keine gute Idee. Schwindel erfasste ihn und er musste sich an der Tischplatte festhalten. Er brauchte dringend eine Aspirin.

      »Nein. Die Anmeldung ist verbindlich und die Gebühr hast du auch schon bezahlt.« Kurschakov blätterte in den Briefbögen. »Vor zwei Monaten schon.«

      Viktor seufzte. »Ich habe für diesen pinken Unfug auch noch Geld ausgegeben?«

      Sein bester Freund grinste. »Aber hallo. Wusste gar nicht, dass das so teuer ist.«

      »Und ich kann es mir nicht zurückholen?«

      »Nein.«

      Viktor fluchte.

      »Kein Grund, sich gleich so auszudrücken!« Kurschakov seufzte.

      »Raus aus meinem Büro, du bist nicht mein Kindermädchen!« Viktor drohte ihm mit der leeren Kaffeetasse.

      »Ich verschwinde ja schon. Aber du gehst doch zur Show, ja? Ich komme auch als dein Wingman mit.« Kurschakov machte ein Kleinjungengesicht, als könnte er kein Wässerchen trüben.

      »Ist ja gut. Wenn es dich so unglaublich glücklich macht, spiele ich mit. Und jetzt hau ab.« Viktor fuchtelte mit der Kaffeetasse, bis Kurschakov lachend rausging. An die Sache mit den Wingmen hatte er gar nicht gedacht. Jeder Kandidat durfte bis zu zwei Leute als Unterstützung mitnehmen, er musste da also zumindest theoretisch nicht allein durch.

      Und ihm fiel außer Kurschakov beim besten Willen niemand ein, den er mit ins Studio nehmen konnte. Großartig.

      Single, frustriert und ohne Freunde. So einen suchte bestimmt jede Frau!

      4. Anna

       Fassungslos hielt Anna den knallpinken, an ›Anna Edmundovna Schlee‹ Umschlag mit spitzen Fingern so weit wie möglich von sich, als wäre er vergiftet. Das Logo einer der bekanntesten russischen TV-Sendungen prangte darauf und glitzerte im Licht der Lampen ein wenig. »Ihr habt was getan?«

      »Du wirktest bei dem Referatstreffen so trübsinnig, weißt du? Und so geheimniskrämerisch, wie du nach der Arbeit getan hast, dachten wir, du hast Liebeskummer.« Tanja schlug ihr auf die Schulter und grinste breit. »Da dachten wir, du brauchst ein bisschen Abwechslung. Erst dachte ich, ein Kuchen würde es tun, aber dann hatte Sabrina eine viel bessere Idee.«

      »Und da meldet ihr mich ausgerechnet für ›Liebling, lass uns heiraten‹ an? Weil ihr dachtet, ich habe vielleicht Liebeskummer?« Anna starrte ihre Freundinnen fassungslos an.

      »Na ja, wir haben nicht nur dich, sondern auch uns angemeldet. Zu dritt wird das sicher lustig, Anna.« Sabrina lächelte aufmunternd.

      »Aber ich will nicht!« Anna dachte an den Mann aus dem Restaurant und errötete. »Ich will niemanden kennenlernen. Nicht jetzt.« Der Gedanke, dass sie ihn nie wiedersehen würde und vermutlich ohnehin nicht in seiner Liga spielte, tat weh. Vermutlich wartete in seiner aufgemotzten Oligarchenvilla eine neunzehnjährige Blondine mit Silikonbrüsten auf ihn. Jemanden, der so gewöhnlich aussah wie sie, konnte der Mann gar nicht bemerkt haben.

      »Anna, sei keine Spielverderberin.« Tanja rückte näher an sie heran. »Wenn wir auch hingehen, kannst du schlecht zu Hause bleiben und schmollen.«

      »Kann ich wohl.« Sie verschränkte die Arme. Noch eine ganze halbe Stunde bis zur nächsten Lehrveranstaltung und die würde sich ziehen wie Kaugummi. Wenn sie außerdem bedachte, dass sie gleich gemeinsam in einer Vorlesung zum russischen Formalismus sitzen würden, war die Wahrscheinlichkeit erst recht gering, von ihren zwei Freundinnen in Ruhe gelassen zu werden. Dafür war das Thema zu trocken.

      »Nein, kannst du nicht. Was, wenn eine von uns dabei ihren Traummann findet und du warst nicht dabei?« Sabrina hakte sich bei ihr ein und schaute sie aus großen Augen an.

      Anna seufzte. »Wenn ich jetzt zusage, lasst ihr dann das Thema für eine Weile fallen?«

      »Für eine Weile.« Tanja kicherte.

      Besser als nichts. Anna nickte genervt. »Gut. Ich bin dabei. Ich schulde euch die Anmeldegebühr, oder? Wie viel macht das?«

      »Für Frauen gratis, sonst hätten wir auch nicht mitgemacht«, sagte Sabrina.

      Na immerhin musste sie kein Geld für diesen Unsinn ausgeben. Hastig ließ sie den knallpinken Umschlag in ihrer Tasche verschwinden, ehe noch jemand danach fragte. In einem Slawistenseminar war es leider mehr als wahrscheinlich, dass jemand die Sendung kannte. Sie musste davon ausgehen, dass jeder das Logo sofort erkennen würde.

      Verdammt, vermutlich würde so gut wie jeder am gesamten Institut einschalten und ihr dabei zusehen, wie sie sich in einer Datingshow blamierte, zu der sie eigentlich gar nicht gehen wollte.

      Dozenten inklusive.

      Nervös lief sie zwischen ihren Freundinnen eingekeilt zum Hörsaal und versuchte den Gedanken daran zu verdrängen, wie alle sie anstarren würden. Der voraussichtliche Drehtermin lag zwar kurz vor Semesterende und danach müsste sie die Leute nicht wiedersehen, aber trotzdem würde es ein Spießrutenlauf, davon war sie überzeugt. Abschlusssemester hin oder her.

      »Ihr hättet das echt nicht tun sollen, ohne mich zu fragen.« Sie sagte es aber mehr zu sich und so leise, dass ihre Freundinnen es auch ignorieren konnten. Immerhin würde sie sich nicht alleine blamieren, sondern zusammen mit den anderen beiden.

      Nicht, dass das wirklich irgendetwas besser machte.

      Hoffentlich schaute wenigstens der Betreuer ihrer Masterarbeit kein russisches Trash-TV. DAS würde sie definitiv nicht überleben.

      5. Nora

       Sie war sich nicht sicher, was sie getrunken hatte und vor allem wie viel, bevor sie für diesen Irrsinn unterschrieben hatte. Wie kamen eigentlich die Verantwortlichen beim Fernsehsender auf die Idee, ihre Show auf Europatour zu schicken?

      Soweit sie wusste, wurde ihre Sendung ohnehin weltweit ausgestrahlt und bisher waren die Kandidaten aus dem Ausland immer angereist. Menschen aus den USA, aus Spanien, aus Israel und Deutschland. Sogar aus Japan kamen sie zu ihr. Nicht umgekehrt.

      Wieso änderte der Sender also auf einmal ein Konzept, das bisher immer aufgegangen war? Sie verstand es nicht.

      »Nora, das wird großartig«, hatten sie gesagt. »Du wirst neue Orte und neue Menschen kennenlernen«, hatten sie gesagt. »Es wird dir viel Spaß machen, du wirst schon sehen!«

      Was sie sah, waren dieselben Fernsehstudios mit demselben aus Moskau mitgebrachten Personal, das sie auch in Ostankino umsorgte und an das sie schon gewöhnt war. Mit Kulissen, die so naturgetreu versuchten, ihr Originalset nachzubauen, dass sie bis auf Kleinigkeiten gar keinen Unterschied feststellte. Oder man hatte einen Teil der Originalkulissen eingeflogen – so genau wusste sie es auch nicht.

      Und Arbeit im Akkord. Das Einzige, woran Nora erkannte, dass sie nun in Frankfurt drehten und nicht mehr in Moskau oder wie vor einigen Tagen während dieser vermaledeiten Tour in Berlin, war der unvermeidliche Flug zwischen den einzelnen Städten.

      Das würde sich auch auf den folgenden Stationen ihrer Europatour nicht ändern. Paris, London, Lissabon. Und Tel-Aviv, das streng genommen gar nicht zu Europa gehörte, aber wer fragte sie schon?

      Sie würde von all den Städten nur die Flughäfen und Hotels sehen. Und eben die unvermeidlichen Fernsehstudios.

      Gelangweilt las sie sich die vier ausgefüllten Interviewbögen durch, um sich vorzubereiten. Drei