Heinz Janisch

Das versteckte Gold - Ein Fall für Jaromir


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Haus wurde 1927 erbaut“, erzählte Franz Heindl. „Wir haben versucht, möglichst viel vom alten Baustil zu erhalten.“

      Auf einem Regal standen Fotografien von seiner Frau Juliane, die mit einer Gruppe von Freundinnen nach Israel gefahren war.

      „Juliane lässt dich schön grüßen“, hatte Franz Heindl gleich beim Betreten des Hauses zu Lord Huber gesagt. „Sie wollte diese Reise schon lange machen.“

      Lord Huber hatte freundlich genickt.

      Beim dritten gemeinsamen Abendessen im umgebauten Stall fragte er plötzlich: „Wann werden denn Juliane und ihre Freundinnen ihre Reise beenden?“

      „Sie machen eine Rundreise durchs Land und werden erst in zehn Tagen wieder zurück sein“, antwortete Franz Heindl.

      „Bis dahin ist der Fall gelöst“, sagte Lord Huber ruhig.

      Herr Jaromir zuckte zusammen. Welcher Fall? Hatte er sich verhört? Waren sie nicht gekommen, um Urlaub zu machen? Bisher hatte es sich ganz so angefühlt.

      Sie waren stundenlang spazieren gegangen, sie hatten vor alten Weinkellern in den Weinbergen gesessen und hatten viel zu viel gegessen.

      Er hatte sich die Zeit sogar mit Wettrennen gegen einen Apfel vertrieben – und plötzlich sollte es einen Fall geben?

      Der pensionierte Polizist sah Lord Huber schmunzelnd an.

      „Du hast mich also durchschaut“, sagte er. „Ich gönne euch diesen Urlaub von ganzem Herzen. Und ich freue mich sehr, euch zu sehen! Aber es stimmt schon – ich brauche eure Hilfe.“

      „Ich dachte es mir“, sagte Lord Huber. „Du hast am Telefon besorgt geklungen. Aber ich wollte nichts überstürzen. Und ich muss sagen, ich habe nicht gewusst, wie schön es hier ist. Ich bin richtig verliebt in diese wunderbare Gegend! Ich fühle mich schon nach drei Tagen hier gut erholt.“

      „Das freut mich“, sagte Franz Heindl. „So war es auch gedacht. Trotzdem würde ich euch gerne etwas zeigen.“

      Er öffnete die Lade des alten Holztisches, an dem sie saßen, und holte eine Ansichtskarte heraus. Wortlos reichte er sie Lord Huber.

      Der nahm sie vorsichtig in die Hand, betrachtete kurz das Bild auf der Vorderseite der Karte und zeigte sie dann Herrn Jaromir.

      „Die Burg Güssing“, sagte Franz Heindl und deutete auf das Bild. „Eine alte Ritterburg.“

      Lord Huber drehte die Karte um. Jemand hatte aus verschiedenen Zeitungen kleine und große Buchstaben ausgeschnitten und sie zu einzelnen Wörtern zusammengeklebt.

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      „Der Rote Ritter ist zurück. Halten Sie sich von der Burg fern!“, las Lord Huber laut vor.

      Er schaute seinen Bekannten erstaunt an.

      „Und das macht dir Angst? Es klingt eher wie ein Streich von jemandem, der zu viele Rittergeschichten gelesen hat.“

      „Nun, vorige Woche hat jemand meine Tür mit roter Farbe beschmiert“, sagte Franz Heindl leise. „Da weiß jemand, wo ich wohne.“

      „Ich habe mich schon über diese … künstlerische Gestaltung deiner Eingangstür gewundert“, sagte Lord Huber nachdenklich. „Ich habe dieses sonderbare Kunstwerk sogar fotografiert, mit der kleinen Kamera in meinem Stock, für alle Fälle. Diese Zeichnung soll wohl ein rotes Schwert darstellen. Weshalb bekommst du diese Warnung? Bist du heimlich als Ermittler tätig?“

      Franz Heindl lächelte. „Du kennst mich doch. Wenn etwas Rätselhaftes passiert, dann will ich mehr wissen.“

      „Ist denn etwas Rätselhaftes passiert?“, fragte Lord Huber und sah seinen Bekannten neugierig an. „Und vor allem – was hat das mit der Burg Güssing zu tun?“

      „Aus dem Burg-Museum sind vor einigen Wochen mehrere Dinge verschwunden, darunter ein Ritterhelm, eine Lanze und ein Schild. Ein Freund, der im Museum arbeitet, hat mich um Hilfe gebeten. Die Geschichte ist ihm ein wenig unheimlich. Es wird nämlich erzählt, dass es in den Nächten manchmal spukt auf der Burg. Jugendliche wollen mehrmals einen Ritter gesehen haben, immer in der Nacht. Die Burg ist nachts gut beleuchtet, da kann man einiges erkennen. Der Ritter soll eine Lanze mit einer roten Fahne getragen haben. Und auf seinem Schild soll man ein rotes Schwert gesehen haben. Das Zeichen des Roten Ritters.“

      „Und wer ist der Rote Ritter?“, mischte sich jetzt Jaromir ein, der aufmerksam zugehört hatte. „Hat es je einen Roten Ritter auf der Burg gegeben?“

      „Oh ja“, sagte Franz Heindl. „Das hat es.“

      Er machte eine längere Pause.

      „Das Problem dabei ist nur – das ist siebenhundert Jahre her …“

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      Zweites Kapitel

       in dem heiliges Wasser getrunken wird, Lord Huber mit einem Baum spricht und Herr Jaromir ein Rätsel löst

      „Die Geschichte mit dem Roten Ritter erzähle ich euch, wenn wir auf der Burg sind“, sagte Franz Heindl. „Aber vorher würde ich euch noch gern etwas anderes zeigen. Die Dörfer hier stecken voller Überraschungen.“

      Lord Huber räusperte sich.

      „Keine Sorge, alter Freund“, rief Franz Heindl und rieb sich aufgeregt die Hände. „Ich führe euch auf die Burg. Ich will ja selbst wissen, was hier gespielt wird! Alles, was ich euch zeigen will, liegt auf dem Weg dorthin. Wir müssen nicht einmal einen Umweg machen.“

      „Umwege sind manchmal ganz nützlich“, sagte Lord Huber. „Ich habe mich nur geräuspert, weil ich einen trockenen Hals habe.“

      „Na, dann ist unser erstes Ziel genau das Richtige für dich“, sagte Franz Heindl lachend. „Wir fahren zu einem heiligen Brunnen. Sein Wasser schmeckt nicht nur gut, es soll auch eine heilende Wirkung haben.“

      Herr Jaromir bellte laut und lief zur Tür.

      „Sie haben recht, Herr Jaromir.“ Lord Huber folgte ihm. „Der Nachbarort heißt Heiligenbrunn. Das klingt durchaus so, als könnte es dort einen heiligen Brunnen geben.“

      Franz Heindl zeigte ihnen stolz sein Auto, das in einem alten Holzschuppen hinter dem Haus geparkt war.

      Es war ein kleiner roter Bus mit einigen Beulen und Kratzspuren an den Türen.

      „Das Auto hat schon viel erlebt“, sagte Franz Heindl beim Einsteigen. „Es hat früher der Freiwilligen Feuerwehr von Heiligenbrunn gehört. Als sich die Feuerwehr ein neues, modernes Fahrzeug gekauft hat, wollte sie den alten Bus loswerden. Ich habe ihn billig bekommen. Ich liebe ihn. Und er fährt wie die Feuerwehr!“

      Lord Huber nahm Herrn Jaromir auf den Schoß und hielt ihn gut fest, während Franz Heindl – mit sichtlichem Stolz auf seinen alten Bus – viel zu schnell über die schmale Landstraße sauste.

      „Schön langsam, Franz“, sagte Lord Huber nach einer besonders engen Kurve. „Wenn der Rote Ritter ein paar Jahrhunderte alt ist, dann kann er ruhig noch eine Weile auf uns warten. Und der heilige Brunnen hat es bestimmt auch nicht eilig.“

      „Hinweis verstanden“, lachte Franz Heindl.

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      Gemütlich schaukelten sie – mit offenen Fenstern – weiter, bis sie im Nachbarort Heiligenbrunn angekommen waren.

      Franz Heindl brachte sie zu einem kleinen Parkplatz unterhalb der Dorfkirche. Die Kirche stand auf einer Anhöhe, ihr zu Füßen hatte man eine kleine Kapelle