Heinz Janisch

Das versteckte Gold - Ein Fall für Jaromir


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ist die Bründlkapelle des heiligen Ulrich“, sagte er. „Und das ist der heilige Brunnen, der dem Ort seinen Namen gibt. Angeblich wurde diese Quelle schon 1198 urkundlich erwähnt. Steht alles auf dieser Tafel dort!“

      Er zeigte auf eine hohe Tafel neben der Kapelle.

      „Das Wasser soll schon vielen Leuten geholfen haben, besonders gut soll es für die Augen sein.“

      Lord Huber trank vom Wasser und benetzte seine Augenlider mit den Fingern, die er lange unters Wasser gehalten hatte. Dann formte er mit beiden Handflächen eine Schale und sammelte darin Wasser für Herrn Jaromir.

      Das Wasser war kühl. Es schmeckte gut, klar und rein.

      Herr Jaromir war begeistert.

      „Die Leute kommen mit leeren Flaschen hierher und holen sich das Wasser als Trinkwasser“, sagte Franz Heindl. „Ich hole mir selbst jede Woche ein paar Flaschen vom heiligen Wasser.“

      „Das würde ich auch machen, wenn ich hier wohnen würde“, sagte Lord Huber. „Es schmeckt erfrischend. Und meinem trockenen Hals geht es schon viel besser.“

      Der Gehstock in seiner Hand vibrierte.

      Herr Jaromir wusste, was das zu bedeuten hatte. Das war das Telefon, das in Lord Hubers Stock eingebaut war.

      „Bitte entschuldigt mich kurz“, sagte Lord Huber. Er drückte auf einen Knopf am Stock und trat zur Seite. Den Stock hielt er ans Ohr. Er lauschte konzentriert.

      Franz Heindl schaute fasziniert zu.

      „Ganz schön praktisch, so ein Stock“, sagte er zu Herrn Jaromir. „So etwas würde mir auch gefallen.“

      „Im Stock sind auch noch eine Lupe und eine Filmkamera versteckt“, sagte Herr Jaromir. „Und wahrscheinlich birgt er noch ein paar Überraschungen in sich, von denen ich noch gar nichts weiß.“

      Franz Heindl lachte.

      Lord Huber wandte sich ihnen nachdenklich zu. Er stützte sich auf seinen Stock und sah seine beiden Begleiter irritiert an.

      „Das war eine Nachricht von Ferdinand, einem guten Freund von uns. Er arbeitet für Scotland Yard.

      Er scheint in der Nähe zu sein und möchte sich mit uns treffen. Das überrascht mich. Was hat Ferdinand mit dem Roten Ritter zu tun? Ich fürchte, hier geht es um eine größere Sache.“

      „Gib ihm ruhig meine Adresse“, sagte Franz Heindl und wunderte sich, dass Lord Huber kichern musste.

      „Da kennst du Ferdinand schlecht“, sagte Lord Huber. „Er liebt geheimnisvolle Botschaften. Bevor man ihn zu Gesicht bekommt, muss man meistens ein bis zwei Rätsel lösen.“

      „In diesem Fall auch?“, fragte Franz Heindl.

      Lord Huber nickte.

      „Ich habe ihn gefragt, wo und wann wir ihn treffen sollen.“

      „Und? Wie war die Antwort?“

      Lord Huber seufzte. „Frag Jonathan. Dann hat er aufgelegt.“

      „Frag Jonathan? Das war’s? Na gut. Kennst du einen Jonathan?“

      Lord Huber schüttelte den Kopf.

      Er sah Herrn Jaromir fragend an. Auch der schüttelte den Kopf.

      „Ich kenne hier auch niemanden, der Jonathan heißt“, überlegte Franz Heindl. „Aber – wir werden das Rätsel schon lösen. Lasst uns weiterfahren. Auf zur nächsten Station!“

      Sie gingen zum Auto.

      Franz Heindl zeigte ihnen eine Abkürzung nach Strem, dem nächsten Ort Richtung Güssing. Sie fuhren kurz durch ein Waldstück, dann kamen links und rechts ausgedehnte Wiesen, auf denen schwarze und weiße Pferde zu sehen waren. Nach einigen Kurven standen sie vor der Ortstafel.

      Franz Heindl fuhr die Hauptstraße entlang, am Dorfrand bog er plötzlich ab und blieb nach einigen Metern bei einer Abzweigung stehen.

      „So, da wären wir“, sagte er. Er deutete auf eine schmale Straße, die vom Dorf wegführte. Sie sah aus wie eine Allee, links und rechts standen alte, knorrige Bäume.

      „Der Apfelweg“, sagte Franz Heindl. „Er führt über Urbersdorf bis nach Güssing. Er ist wie ein Freilichtmuseum – ein Museum der Apfelbäume. Hier findet ihr viele unterschiedliche Apfelsorten. Jeder Baum trägt andere Früchte. Lasst uns ein paar Schritte gehen!“

      Sie stiegen aus und atmeten die frische Luft ein. Ein intensiver Apfelduft lag in der Luft.

      Sie spazierten langsam die Allee entlang. Beim dritten Baum blieb Lord Huber stehen.

      „Ich begrüße Sie“, sagte er zum Erstaunen von Herrn Jaromir und Franz Heindl laut. „Ich kenne Sie.“

      „Mit wem sprichst du?“, flüsterte Franz Heindl. Er sah sich vorsichtig um.

      Lord Huber klopfte mit seinem Stock gegen den Baumstamm vor ihm. „Ich rede mit diesem Apfelbaum. Er sieht genauso aus wie der Apfelbaum im Hof meiner Eltern. Wahrscheinlich ist er ein naher Verwandter.“

      Lord Huber verbeugte sich vor dem Baum. „Ihr Verwandter war der wichtigste Freund meiner Kindheit“, sagte er ernst. „Ich bin stundenlang in seinen Ästen gesessen. Er hat mir immer zugehört. Und er hat mir viele Äpfel geschenkt. Schön, an ihn erinnert zu werden.“

      Franz Heindl sah abwechselnd Lord Huber und den Apfelbaum an. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

      Da bellte Herr Jaromir los.

      Er rannte aufgeregt vor einem kleinen, schiefen Apfelbaum auf und ab und hörte gar nicht mehr zu bellen auf.

      Lord Huber und Franz Heindl gingen mit raschen Schritten zum kleinen Baum, der Herrn Jaromir so zu beschäftigen schien.

      „Jonathan. Würziger Tafelapfel“ las Lord Huber den Namen laut vor, der auf einem kleinen Schild neben dem Baum zu lesen war.

      „Natürlich!“, rief Franz Heindl. „Jonathan! Eine bekannte Apfelsorte! Die Äpfel kenne ich! Sehr schmackhaft!“

      „Frag Jonathan. Frag Jonathan“, murmelte Lord Huber. Er stocherte mit seinem Stock in der Wiese herum und klopfte dann auf einige Äste des Baumes.

      Herr Jaromir war inzwischen ganz nahe an den krummen Stamm des Apfelbaums herangelaufen. Er hatte etwas Weißes aufblitzen sehen.

      Vorsichtig zog er mit den Zähnen einen kleinen weißen Zettel aus einem Loch in der Baumrinde.

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      „Danke, Herr Jaromir! Auf Sie ist Verlass“, sagte Lord Huber und nahm den Zettel.

      Dann kratzte er sich am Hinterkopf.

      „Das nächste Rätsel. Also, manchmal übertreibt es Ferdinand ein wenig.“

      Er las laut vor. „Wir sind drei. Ich bin in der Mitte.

       Um 12 hab ich frei.“

      Franz Heindl klatschte in die Hände.

      „Also, zu meiner Zeit als Polizist war das einfacher. Wo bist du? Wann kommst du? Treffpunkt da oder dort. So haben wir miteinander geredet. Ich hätte die Rätsel gar nicht lösen können.“

      „Ferdinand sieht das als Training. So muss man immer wieder neu das Nachdenken üben“, sagte Herr Jaromir. „Ich liebe Ferdinands Rätsel. Bisher konnten wir noch alle lösen.“

      Lord Huber sah sich um.

      „Ich denke, die zweite Lösung werden wir nicht mehr hier finden. Sie wartet bestimmt in der Stadt auf uns.“

      Er beugte sich vor und pflückte sich einen Jonathan-Apfel vom Baum. Er schaute Herrn Jaromir