Irene Dorfner

Du kannst ihm nicht vertrauen...


Скачать книгу

damit zu tun hat.“

      Leo und Hans hatten genug gehört und wollten gehen.

      „Eine Bitte habe ich“, sagte Belzig, der sich per Handschlag verabschieden wollte, worauf Leo und Hans auch aufgrund der Pandemie keinen Wert legten. „Unsere Schule hat es in der momentanen Situation sowieso schon schwer. Wir sind froh, dass die Lockerungen wegen Corona auch uns erreicht haben und wir Stück für Stück wieder zur Normalität übergehen können. Darüber hinaus haben wir als Schule einen Ruf zu verlieren. Bitte hängen Sie das, worüber wir gesprochen haben, nicht an die große Glocke. Die beiden Schüler haben für ihre dumme Tat gebüßt und wir sollten das nicht aufbauschen. Der Selbstmord der Schülerin ist sehr tragisch und ein großes Unglück, das ich aufrichtig bedauere. Wäre es möglich, dass sie so diskret wie möglich ermitteln? Negativschlagzeilen können für uns als Schule zur Katastrophe werden.“

      „Wie wir unsere Arbeit machen, dürfen Sie gerne uns überlassen“, sagte Leo, als er merkte, dass sich Belzig mehr Gedanken um den Ruf seiner Schule, als um die Aufklärung des Selbstmordes machte.

      Ralf Belzig war froh darüber, als die Polizisten endlich gegangen waren. Der Tod der Schülerin war eine Katastrophe. Belzig vergewisserte sich, dass er allein war und griff zum Telefon.

      „Katharina Oberwinkler ist tot! Sie hat sich heute Morgen vom Schulgebäude in den Tod gestürzt!“

      „Von welcher Schule?“

      „Ich spreche natürlich von meiner Schule! Hast du verstanden, was ich dir eben gesagt habe?“

      „Die Kathi ist tot?“

      „Ja! Sie ist tot! Hast du das endlich kapiert?“

      „Ich bin echt geschockt, damit habe ich nicht gerechnet.“

      „Vielleicht hat sie der Vater gefunden und sie sah keinen anderen Ausweg, als den Freitod zu wählen! Ich dachte, sie wäre bei dir sicher untergebracht!“

      „Das mit dem Vater kann ich mir nicht vorstellen. Der Vater war nie hier, die Kathi war in meinem Haus absolut sicher. Ich kann nicht länger mit dir sprechen, ich habe gleich einen wichtigen Termin. Ich melde mich wieder bei dir. Und kein Wort zur Polizei, hast du verstanden?“

      „Natürlich nicht! Ich habe mich dumm gestellt. Vielleicht werden sie herausfinden, dass sie bei dir gewohnt hat.“

      „Wenn du die Klappe hältst, wird niemand davon erfahren.“

      „Du kannst dich auf mich verlassen.“

      „Das hoffe ich!“

      Belzig war fix und fertig. Wenn er geahnt hätte, was da alles auf ihn zukäme, wäre er nie auf das Angebot seines Freundes eingegangen. Er nahm die Flasche Wodka und trank direkt aus der Flasche. Dann klopfte es. Ohne, dass er etwas sagte, trat der Hausmeister Hühnberg ein.

      „Sie kann ich jetzt nicht auch noch brauchen!“, schnauzte Belzig den Mann an.

      „Trotzdem müssen wir uns unterhalten. Die kleine Oberwinkler hat sich das Leben genommen.“

      „Denken Sie, das weiß ich nicht?“

      „Mein lukrativer Nebenjob ist jetzt weggebrochen. Oberwinkler wird hier nicht mehr auftauchen.“

      „Das will ich hoffen! Sie haben ihn erfolgreich vom Schulgelände ferngehalten und ich habe Sie dafür gut bezahlt. Was wollen Sie noch?“

      „Ich bin der Kleinen gefolgt und weiß daher, wo sie gewohnt hat.“ Hühnberg pokerte hoch, denn er hatte keinen blassen Schimmer, wo das Mädchen gewohnt hatte.

      Belzig war leichenblass geworden.

      „Sie wissen, wo Kathi….?“

      „Ja, das weiß ich. Wenn ich gegenüber der Polizei den Mund halten soll, kostet das extra. Für fünfhundert Euro kann ich schweigen wie ein Grab.“

      „Sie sind ein ...“

      „Wir wollen doch ruhig bleiben und uns wie ganz normale Geschäftspartner benehmen, Herr Belzig.“

      „Wir sind keine Geschäftspartner, Hühnberg! Sie sind bei mir angestellt und ich bin Ihr Chef. Sie wissen, dass ich Sie jederzeit rausschmeißen kann?“

      „Ja, das weiß ich. Trotzdem sollten Sie sich mein Angebot überlegen. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit. Die Polizei ist noch im Haus und hätte nichts gegen ein Gespräch einzuwenden.“

      Belzig war stinksauer. Er nahm seinen Geldbeutel und übergab Hühnberg dreihundert Euro.

      „Mehr habe ich nicht, den Rest bekommen Sie morgen.“

      „Einverstanden“, grinste Hühnberg.

      „Gehen Sie der Polizei aus dem Weg, verstanden?“

      „Sie können sich auf mich verlassen!“

      Diana Nußbaumer und Toni Graumeier saßen auf der alten Couch in dem biederen Wohnzimmer des alten Einfamilienhauses in der Mühldorfer Innstraße bei der Familie Oberwinkler. Ihnen gegenüber saß das Ehepaar, das optisch aus längst vergangenen Tagen schien. Die Frau trug ein dünnes Kopftuch, das die graudurchzogenen Haare nur wenig bedeckte. Der Rock war lang, die Strickjacke über der weißen Rüschenbluse war vermutlich selbstgestrickt. Der Mann trug einen Anzug und eine Krawatte, beides schon sehr alt. Das Haar war nach hinten gekämmt und wurde durch irgendeine klebrige Masse streng zusammengehalten. Beide musterten vor allem Diana, die in ihrem hellblauen Kostüm, den passenden, hohen Schuhen und der üppigen, modernen Handtasche hier absolut nicht hergehörte. Der farblich abgestimmte Mundschutz rundete das Bild ab. Diana war sehr hübsch und legte großen Wert darauf, dass sie immer perfekt aussah. Das hatte ihr die Oma beigebracht und war ihr in Fleisch und Blut übergangen. Dass Diana missbilligend gemustert wurde, war ihr gleichgültig. Sie kannte das bereits und es war ihr egal, was andere über sie dachten. Sie musste sich selbst gefallen und nur das zählte.

      „Wir haben noch einige Fragen bezüglich Ihrer Tochter. Sehen Sie sich dazu in der Lage?“, wandte sich Diana an die Eltern, die daraufhin nickten.

      „Der Arzt und Doktor Braun haben sich rührend um uns gekümmert“, flüsterte Frau Oberwinkler und sah ihren Mann an, der daraufhin nickend zustimmte, auch wenn er froh darüber gewesen war, als beide endlich gegangen waren.

      „Bevor wir anfangen, möchten wir Ihnen unser tiefempfundenes Beileid ausdrücken.“

      „Danke“, murmelten beide gequält. Es war offensichtlich, dass die beiden sehr unter dem Verlust litten und sich im Augenblick sehr unwohl fühlten.

      „Mit wem hatte Ihre Tochter Umgang?“

      „Unsere Tochter war ein gutes Kind, sie hat uns nie Probleme gemacht.“

      „Das glaube ich Ihnen gerne. Mit wem war sie befreundet? In welchen Vereinen war sie Mitglied? Welchen Hobbys ging sie nach?“

      „Sie ging zur Schule und half meiner Frau bei der Hausarbeit. Sie ging einkaufen und erledigte Post- und Bankgänge. Als sie volljährig wurde ist sie einfach gegangen. Wir wissen nicht, wo sie wohnte und vor allem nicht mit wem. Unser kleines Mädchen ist uns entglitten und jetzt haben wir sie für immer verloren.“

      Diana musste schwer schlucken und sich sammeln, um mit der Befragung fortfahren zu können.

      „Katharina war kein Mitglied eines Vereines?“

      „Nein.“

      „Was hat sie in ihrer Freizeit gemacht?“

      „Ich weiß nicht, was Sie von uns wollen“, sagte Greta Oberwinkler, die von ihrem Mann Jürgen dafür einen strengen Blick kassierte. „Unsere Katharina war ein anständiges Kind und hat uns nur Freude bereitet. Irgendjemand hat sie gegen uns aufgebracht – diese Person müssen Sie finden!“

      „Um das herauszufinden sind wir hier. Mit wem hatte Katharina Umgang? Was waren ihre Hobbies? Was mochte sie besonders gern? Welche Talente hatte sie?“

      Greta Oberwinkler