Bärbel Junker

Jagd auf Cosima


Скачать книгу

darauf hatte Connie durch sie dann Piet kennen gelernt. Zwischen den beiden hatte es wie ein Blitz eingeschlagen. Und in sechs Wochen sollte diese Liebe auf dem Standesamt besiegelt werden.

      „Was ist mit dir?“, riss Mimis Stimme Tanja aus ihren Gedanken.

      „Mit mir ist alles in Ordnung“, sagte Tanja und gab ihrer mütterlichen Freundin einen dicken Kuss.

      „Von wegen“, erwiderte Mimi. „Du siehst abgespannt aus, hast Ringe unter den Augen und bist viel zu dünn. Ich wüsste nicht, was daran in Ordnung sein soll, Kind!“

      Sobald sich Mimi um Tanja sorgte, war diese trotz ihrer neunundzwanzig Jahre wie früher ihr Kind und würde es wohl auch bleiben. Und wie schon so oft dachte Tanja auch jetzt wieder, dass sie in Mimi mehr die Mutter sah, als in ihrer leiblichen, zu der sie nie eine so enge Beziehung entwickelt hatte.

      Mimis von ihr innig geliebter Mann war nach nur fünfjähriger, glücklicher Ehe mit sechsunddreißig Jahren einem Krebsleiden erlegen. Mimi hatte nie wieder geheiratet. Auch heute noch, nach nunmehr fünfundzwanzig Jahren, trauerte sie um ihn und so würde es wohl auch bis an ihr Lebensende bleiben.

      Außer ihrer Schwester, die mit Sohn und Mann, einem Fischer, auf einer Hallig lebte, hatte Mimi keine Verwandten. Und als sie dann Tanja kennenlernte, hatte sie diese spontan in ihr Herz geschlossen. Und obwohl sie auch Connie sehr zugetan war, nahm Tanja den ersten Platz in ihrem Herzen ein.

      Mimi musterte sie besorgt. „Isst du auch regelmäßig, Kind?“, fragte sie. Und als Tanja nickte: „Stimmt das auch wirklich?“

      „Ich bin in Ordnung“, versicherte Tanja. „Ich habe in letzter Zeit nur zu wenig geschlafen. Darf ich mich jetzt setzen oder hast du mir als Strafe einen Stehplatz zugedacht?“

      „Freche Göre“, murmelte Mimi liebevoll. Sie nahm Tanjas Arm und dirigierte sie zu einem kleinen runden Tisch, der verborgen hinter hohen Grünpflanzen neben einer Tür mit der Aufschrift Privat stand. „Was möchtest du trinken? Aber vielleicht solltest du erst mal etwas essen. Vielleicht ein leckeres Steak mit Kräuterbutter und Salat?“

      „Nur ein schönes Glas Rotwein“, erwiderte die junge Frau lächelnd. „Und ein leckeres Käsebrot“, fügte sie hastig hinzu, als sie Mimis enttäuschtes Gesicht gewahrte.

      „Kommt sofort“, sagte Mimi glücklich und eilte flink in die Küche. Nachdem sie Tanja mit Brot und Wein versorgt hatte, setzte sie sich zu ihr und beobachtete zufrieden, wie gut es Tanja schmeckte.

      Nachdem Mimi abgeräumt hatte, saßen sie sich bei einer Tasse Kaffee gegenüber. „Was ist an dieser Horrormeldung über diese Wasserkiller wirklich dran, Tanja?“, fragte sie beunruhigt.

      Und Tanja erzählte Mimi alles, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatte und ließ nichts aus. Als sie van Cliffs Namen erwähnte, stutzte Mimi und runzelte nachdenklich die Stirn. „Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor“, murmelte sie. „Na ja, vielleicht fällt es mir ja noch wieder ein.“

      Als Tanja Cosima beschrieb, riss Mimi entsetzt ihre braunen Augen auf. „Das gibt´s doch nicht! Wer erschafft denn ein solches Lebewesen?“, fragte sie schockiert.

      „Das habe ich mich auch schon gefragt, Mimi. Entweder ist der Erpresser total übergeschnappt oder bösartig, bis auf den Grund seiner rabenschwarzen Seele. Auf jeden Fall jedoch ist er absolut skrupellos.“

      „Wird die Regierung zahlen, Tanja? Was meinst du?“

      „Ich weiß es nicht, Mimi. Aber selbst wenn sie zahlt heißt das noch nicht, dass der Erpresser Wort hält und seine Kreatur vernichtet.“

      „Sag mal, Kind. Willst du diesen Videofilm des Erpressers wirklich im Fernsehen zeigen und kommentieren?“, fragte Mimi leise.

      „Meinst du, ich sollte es nicht tun?“

      „Ja, das meine ich. Tu´s nicht, Tanja. Daraus entsteht nichts Gutes für dich.“

      „Wie meinst du das?“

      „Ich denke, dass dich dieser Bartels benutzt. Sollten aus dieser Berichterstattung hinterher irgendwelche Probleme entstehen, wird man ganz alleine dir die Schuld zuschieben. Deine Karriere wäre zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat. Du könntest sogar in Gefahr geraten.

      Denk doch nur mal daran wie schnell dieser Schmidt van Cliff entführt hat; ebenso gut hätte er ihn auch ganz verschwinden lassen können. Diese Geheimdienste machen doch, was sie wollen. Lass lieber die Finger davon, Kind.“

      Tanja war sehr nachdenklich geworden. Wenn die Regierung gewollt hätte, dass der Film im Fernsehen gezeigt wurde, dann hätte sie dafür gesorgt. Und wenn sie jetzt den Geheimdiensten dadurch in die Quere kam, dass sie ihn an die Öffentlichkeit brachte, konnte das böse für sie ausgehen

      Mimi hatte recht. Sie tat besser daran, sich auf die schriftliche Berichterstattung zu beschränken. Sie wollte es Mimi gerade sagen, als das Telefon läutete.

      Mimi sprang auf und lief zum Tresen. „Bei Mimi“, meldete sie sich freundlich und dann ungeduldig: „Hallo? Wer ist denn da? Antworten Sie bitte! Dann eben nicht!“ Sie wollte gerade den Hörer auflegen, als ihre Hand mitten in der Bewegung erstarrte.

      „Piet?! Piet, bist du es? Was ist los mit dir? Tanja ist hier. Bist du noch dran, Piet? So melde dich doch, Junge!“, rief Mimi aufgeregt.

      Tanja eilte zu ihr und nahm ihr den Hörer aus der Hand. Zuerst war da nur Rauschen. Sie lauschte. Und dann Piets Stimme:

      „Tanja...nicht...kom...schlecht...bar...vorsicht...glaube...gift...aaaaaah!“

      „Piet?! Mein Gott, was hast du? Wo bist du?“, schrie Tanja kreidebleich in den Hörer.

      „Wohnung“, keuchte er und dann:

      „Hilf mir, Tanja! Aaaaaaaaaaah!“ Oh Gott, Connie!“, wimmerte Piet.

      „Ich komme! Halte durch!“, brüllte Tanja verzweifelt in die Hörmuschel.

      Piet keuchte und wimmerte schmerzerfüllt, versuchte aber trotzdem ihr etwas zu sagen:

      „Vors...bar...kom...killer...te...te...tel...ha...er....er...“

      Sein herzzerreißendes Gestammel verstummte.

      „Piet?! Bist du noch da, Piet?“, rief Tanja und ihre Nackenhaare sträubten sich vor Entsetzen. Sie presste den Hörer ans Ohr; hoffte seine Stimme zu hören, hoffte, dass sich alles zum Guten klärte, dass nichts Schlimmes geschehen war.

      „Piet?!“

      Nur leises Rauschen antwortete ihr.

      Tanja hob mühsam den Kopf und starrte in Mimis aschgraues Gesicht, bemerkte plötzlich Menschen, die vorher noch nicht da gewesen waren. Langsam legte sie den Hörer zurück. Und dann katapultierte sie ein plötzlicher Adrenalinstoß förmlich aus ihrer Benommenheit heraus.

      „Ich muss zu ihm!“, stieß sie hervor und sprang auf. „Sag Connie Bescheid.“ Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter und rannte zum Ausgang. Krachend schlug die Tür hinter ihr zu. Sie hastete zu ihrem Wagen und stieg ein. Brummend erwachte der Golf zum Leben. Mit quietschenden Reifen jagte sie davon. Sie dachte an Connie und deren innige Liebe zu Piet und daran, dass die beiden in sechs Wochen heiraten wollten.

      WAS IST MIT PIET?! schrie es in ihr; und die Angst hielt sie fest im Griff.

      WAS IST MIT PIET?!

      Dicke Schweißperlen liefen ihr übers Gesicht und verfingen sich im Kragen ihres Polo-Shirts. Sie bemerkte es nicht.

      WAS IST MIT PIET?!

      Mit kreischenden Bremsen stoppte sie den Golf vor dem roten Backsteingebäude, in dem Piet eine urige Atelierwohnung gemietet hatte. Sie hielt sich nicht damit auf den Wagen abzuschließen, sondern hastete ins Haus. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprintete sie zum Dachgeschoss hinauf. Vor der Wohnungstür blieb sie keuchend stehen.

      „Piet! Piet, mach auf“, japste sie und