Bärbel Junker

Jagd auf Cosima


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starrte Tanja auf Cosima, die den gesamten Bildschirm ausfüllte. Das konnte doch nicht wahr sein! Welcher Verrückte züchtete denn so ein Monstrum? dachte sie gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen.

      Als die Computersimulation des Bodensees auf dem Bildschirm erschien, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Diese Szene erinnerte sie fatal an den Albtraum der vergangenen Nacht.

      Der Teilungsprozess der Wasserkiller jedoch war ihr nicht neu, den hatte sie schon am Forellenteich in van Cliffs Wasserflasche beobachtet.

      „Na, was sagen Sie? Ist das ein Knüller oder nicht?“, fragte Bartels leutselig, als die Vorführung beendet war. Aber da war noch ein anderer Ausdruck in seinem feisten Gesicht. War es Schadenfreude oder Spott? Doch bevor sich Tanja darüber klar werden konnte, war der Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden. Vielleicht hatte sie es sich ja auch nur eingebildet.

      „Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, oder was?“, knurrte Bartels gereizt.

      „Der Film ist unglaublich. Aber welcher Irre erschafft eine solche Kreatur? Wozu soll das gut sein? Diese Cosima und ihre makabre Brut erfüllen doch keinen anderen Zweck als zu töten. Sie zerstören die Existenzgrundlage der meisten Lebewesen. Und was dann?“, fragte Tanja schockiert.

      „Gut gebrüllt Löwe“, feixte Bartels. „Aber dieser Film ist Ihre ganz große Chance. Sie werden ihn in unserem Fernsehsender PFL zur besten Sendezeit dem Publikum mit sämtlichen Fakten vorstellen, die Sie bisher zusammengetragen haben. Das ist Ihre ganz große Chance, Tanja“, sagte Bartels schleimig.

      Weshalb tut er das? war Tanjas erster Gedanke. Was für eine enorme Chance für meine Karriere ihr Zweiter. Und ihr dritter Gedanke gefiel ihr überhaupt nicht, denn er appellierte an ihr Gewissen.

      „Haben Sie daran gedacht, dass Cosimas Anblick und das, was sie bewirkt, die Angst der Menschen so schüren könnte, dass sie in Panik geraten?“, fragte Tanja aus ihrer dritten Überlegung heraus.

      Bartels starrte sie verständnislos an. „Ach was“, winkte er ab. „Sie übertreiben mal wieder. Die Zuschauer werden doch ununterbrochen mit Gewaltmeldungen überschüttet. Die sind abgebrüht. Und die paar sensiblen Menschen die das aus der Fassung bringt, die zählen nicht.“

      „Aber ich ...“

      „Kein aber! Stellen Sie sich nicht so mimosenhaft an. Schließlich sind Sie Journalistin und nicht Mutter Theresa“, knurrte er unwirsch. Und nachdem er noch eine Weile auf sie eingeredet hatte, erklärte sie sich trotz ihrer Skepsis einverstanden.

      Nach ihrem Gespräch mit Bartels machte sich Tanja auf die Suche nach Piet, den sie wie immer bei einer der Sekretärinnen erwischte, der er schöne Augen machte. Schon von weitem wies ihr sein feuerroter Haarschopf den Weg.

      „Sie hatte sich schon fast in mich verliebt“, grinste Piet, als er neben ihr ging. Allerdings meinte er das keineswegs ernst, denn er war in den festen Händen ihrer Schwester, die er von ganzen Herzen liebte.

      „Und was glaubst du unverbesserlicher Don Juan würde Connie dazu sagen?“, fragte Tanja lächelnd.

      „Sie hätte es ja gar nicht gewusst“, konterte er. „Es sei denn, du hättest mich verraten. Aber jetzt mal im Ernst, Tanja, wo drückt dich der Schuh?“

      „Ich benötige deinen analytischen Verstand, Piet. Ich möchte mit dir über Bartels und meine Wasserkiller-Story sprechen. Hast du heute Abend Zeit? Wir könnten uns bei Mimi treffen. Vielleicht hat Connie Lust mitzukommen. Es ist sehr wichtig“, bat Tanja.

      „Für dich habe ich immer Zeit, Schatz, das solltest du doch wissen“, sagte Piet schlicht.

      „Von wegen Schatz! Lass das bloß niemanden hören, sonst kommen wir noch ins Gerede.“

      „Na, wenn schon! Mir wäre es eine Ehre, mit dir ins Gerede zu kommen, dir etwa nicht?“, flachste Piet.

      Tanja knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. Lachend steppte er zur Seite. „Hör auf damit, Piet, sonst glaubt es tatsächlich noch jemand“, bat sie. „Du kennst doch unsere lieben Kollegen.“

      Er nickte. „Okay, Kleines. Aber ich wollte dir noch etwas sagen, du Superjournalistin. Dein heutiger Artikel war zwar nichts für schwache Nerven, besonders der Fotos wegen, aber er war ganz große Klasse. Du bist zurzeit der absolute Star, doch hüte dich vor den Neidern. Sie lauern schon in den Startlöchern“, warnte er.

      „Ich weiß“, beruhigte sie ihn. „Aber vielen Dank für die gut gemeinte Warnung.“

      „Okay, Süße, halte die Ohren steif. Neunzehn Uhr bei Mimi, passt dir das? Ich muss mit Connie nämlich noch einen Krankenbesuch machen. Ach so, noch was. Ich habe etwas über unseren lieben Chef erfahren, was vielleicht für dich von Interesse sein könnte. Ich erzähle es dir heute Abend, vielleicht weiß ich dann sogar noch mehr“, versprach Piet etwas geheimnisvoll.

      „Okay. Neunzehn Uhr ist in Ordnung. „Ach herrje! Da hinten kommt Bartels. Lass uns bloß von hier verschwinden, bevor er uns sieht.“

      „Der hat mir gerade noch gefehlt. Tschüss dann, bis heute Abend“, rief Piet und eilte auf seinen langen Beinen davon.

      Tanja machte eine hastige Kehrtwendung und stieß heftig mit Bartels Sekretärin zusammen.

      „Verdammt noch mal! Passen Sie doch gefälligst auf, Sie Trampel“, keifte diese unverschämt und hob ihre heruntergefallene Mappe auf. Die Frau war genauso unsympathisch wie Bartels und kaum ansehnlicher als ihr widerlicher Chef. Sie war der Inbegriff einer Megäre und ihre keifende Stimme passte perfekt dazu.

      Tanja murmelte eine lahme Entschuldigung und machte sich vor der Gift sprühenden Sekretärin aus dem Staub. Sie war ihr zu dumm. Außerdem hatte sie noch eine Verabredung mit ihrem Ex-Lebensgefährten, Bernd Weidner, einem Top-Mann des Sonderkommandos GSG 9.

      Sie hatten nicht zusammengepasst und sich als gute Freunde getrennt. Bernd lebte jetzt mit einer üppigen Blondine zusammen, die besser mit seinem machohaften Gehabe zurechtkam. Sie sei ihm zu selbständig, zu intellektuell, hatte er Tanja beim Abschied gestanden. Außerdem gefiele ihm weibliche Üppigkeit besser, als durchtrainierte Schlankheit. Na ja, warum auch nicht.

      Sie war froh gewesen, ihre Beziehung so reibungslos und freundschaftlich zu beenden. Aber das hatte sie natürlich für sich behalten. Sie hatte seine männliche Eitelkeit nicht verletzt und dafür einen treuen Freund gewonnen.

      Bei ihren Treffen sprachen sie nie über seine gefährlichen Einsätze, die selbstverständlich der Geheimhaltung unterlagen. Jetzt, wo sie kein Liebespaar mehr waren, freute sich Tanja auf das Treffen mit ihm. Beschwingt machte sie sich auf den Weg.

      TRAURIGES ENDE EINER FREUNDSCHAFT

      Pünktlich um neunzehn Uhr öffnete Tanja die prachtvolle Jugendstiltür zu Mimis Kneipe und betrat den gemütlichen, mit wunderschönem alten Mobiliar, Spiegeln und üppigen Pflanzen ausgestatteten Schankraum.

      Mimi ließ alles stehen und liegen, umrundete flink einige Tische und schloss Tanja liebevoll in ihre molligen Arme. Sofort verschwand deren Ärger darüber, dass Bernd sie versetzt hatte; und nach mehreren herzlichen Küsschen auf beide Wangen fühlte sie sich gleich wieder wie zu Hause.

      Sie kannte die kleine, korpulente Besitzerin der Jugendstilkneipe schon seit neun Jahren und war ihr in Dankbarkeit und inniger Zuneigung verbunden. Unzählige Male hatte sich Mimi geduldig ihre Sorgen angehört, ihr Trost gespendet und ihr in der winzigen Küche eine warme Mahlzeit zubereitet, wenn sie wieder mal pleite war.

      Ihr Vater war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie gerade mal ein Jahr alt war. Bereits im Jahr darauf hatte ihre Mutter Robert geheiratet, der sie kurz darauf adoptierte. Zwei Jahre später wurde dann Connie geboren, die Tanja vom ersten Tag an über alles liebte.

      Vor nunmehr sieben Jahren waren ihre Eltern dann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Tanja hatte sich um ihre