Michael Schenk

Für Freiheit, Lincoln und Lee


Скачать книгу

die verdammten Yankees sollten ihre Nasen in den eigenen Dreck stecken. Zum Beispiel in die zunehmende Arbeitslosigkeit im Norden und die Krawalle in den Städten.

      Die Niederlage der dem Süden zugeneigten Demokraten in den Wahlen vermittelte vielen Anhängern des Südens das Gefühl, der sich abzeichnenden Stimmenüberzahl der Sklavereigegner durch neue eigene Stimmen begegnen zu müssen. Unter anderem boten sich hier die neuen Territorien im Westen an. Eines der Territorien war Kansas.

      Der stellvertretende Senator des Sklavereistaates Missouri brachte die Wahlkampagne der Demokraten auf den Punkt. „Achtet auf jeden Schurken unter euch, der auch nur im Entferntesten nach einem Abolitionisten, einem Feind der Sklaverei, aussieht und macht ihn unschädlich. Euer Leben und euer Besitz sind in Gefahr. Verschafft euch Zutritt zu jedem Wahlbezirk in Kansas und wählt mit vorgehaltenem Bowiemesser oder Revolver. Elfhundert Männer kommen aus dem Süden, euch beizustehen, und wenn das nicht genügt, so schicken wir weitere Fünftausend, bis jeder gottverfluchte Sklavereigegner tot ist.“

      Die besonderen „Argumente“ des Wahlkampfes überzeugten und das Territorialparlament von Kansas fiel an die Sklavereibefürworter. Der sklavereifreundliche Leavenworth Herald jubelte: „Heil dem Sieger! Auf, ihr Männer des Südens! Bringt eure Sklaven her und besetzt das Territorium! Kansas ist gerettet!“

      Die rüden Methoden in Kansas verstärkten die Kluft zwischen Sklavereigegnern und Sklavereibefürwortern. Idealisten beider Seiten bildeten Banden und Verbände, die gegen den jeweils anders Denkenden die Waffen erhoben, während die Truppen der Union oft tatenlos zusahen, weil die verantwortlichen Politiker befürchteten, ein Eingreifen könne als Parteinahme in der einen oder anderen Weise ausgelegt werden.

      Der Abgeordnete Charles Sumner erregte sich über das „Verbrechen an Kansas“ und prangerte an, räuberische Mörder aus Missouri hätten das jungfräuliche Territorium von Kansas vergewaltigt und in die Arme der Sklaverei gezwungen. Die leidenschaftliche Rede führte zu heftigen Debatten, die der Abgeordnete Preston Brooks, ein Südstaatenanhänger, auf seine Weise beendete. Brooks schlug Sumner am Rednerpult rund dreißig Mal den goldenen Knauf seines Spazierstocks über den Schädel, bis Sumner blutüberströmt zusammenbrach. Er erwies dem Süden einen miserablen Dienst, denn neben dem „Blutenden Kansas“ wurde nun auch der „Blutende Sumner“ zu einem Symbol der Sklavereigegner. Während der Süden ungeniert Brooks als Helden feierte, fragte man im Norden lautstark, ob die Massas im Dixieland nun ungestraft ihre „Sklaven“ im Norden züchtigen dürften, wenn diese anderen Meinungen seien.

      In dieser sich verstärkenden Atmosphäre von Unverständnis und Hass wurde der 56-jährige Abolitionist John Brown zur Legende. Mit sechs Söhnen und einem Schwiegersohn ging er nach Kansas, um dort zu siedeln. Er war tief religiös und ein fanatischer Gegner der Sklaverei, der das Wort der Bibel bereitwillig durch Blei oder eine blanke Klinge ersetzte. Man müsse mit Feuer kämpfen, um die Herzen der Sklavenschinder mit Angst und Schrecken zu erfüllen. Brown zögerte nicht, dies zu tun. In der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 1855 holte er fünf sklavenfreundliche Farmer aus ihren Hütten und schlug ihnen kaltblütig mit der blanken Klinge den Schädel ein.

      Die gegenseitigen Morde ideologisierter Fanatiker wüteten, bis über zweihundert Menschen ihr Leben gelassen hatten.

      John Obediah Jones in Old Church hoffte, dass die Unruhen sich nicht zu seiner friedlichen Plantage ausweiten würden. Geistesabwesend strich er über sein Kinn und musterte Hans Baumgart nachdenklich. „Sag mal, Hans, was ich dich eigentlich mal fragen wollte… du bist jetzt ein Bursche im besten Alter. Hast du schon mal daran gedacht, eine Familie zu gründen?“

      Hans grinste breit. „Ne, Boss, ich denke, das hat noch Zeit. Außerdem braucht man dazu die Richtige.“

      „Nun“, John lächelte Hans treuherzig an. „Ich will ja nichts sagen, aber mir fällt auf, dass sich Charlotte für dich zu interessieren scheint.“

      „Charlotte?“

      „Gesagt hat sie natürlich nichts“, räumte der Plantagenbesitzer ein. Er sah Hans offen an. „Ich könnte durchaus verstehen, wenn du ein gewisses Bedürfnis hast, verstehst du? Ich meine, so als Mann, du verstehst?“

      Hans Baumgart dachte an Bernd Kahlmann und wie dieser es den schwarzen Stuten besorgte. Oh, er wusste schon, was der Boss meinte. Bedächtig schüttelte er den Kopf. „So was ist nichts für mich, Boss.“ Hans errötete. „Ich meine, wenn ich mal die Richtige finde… aber die losen Frauenzimmer sind nichts für mich. Ich meine, nicht das ich glaube, Charlotte wäre…“

      Hans Baumgart schwieg verlegen und John Obediah lachte auf. „Keine Sorge, ich verstehe schon. Nein, sie ist eine sehr freundliche Person, das versichere ich dir. Und durchaus anständig.“ Der Junge musste nicht unbedingt wissen, wie freundlich Charlotte zu ihm war und wie anständig sie es ihm besorgte. Gut. Er hätte es wirklich bedauert, wenn sich zwischen den beiden etwas Ernsthaftes entwickelt hätte.

      „Äh, Boss.“ Hans sah den Plantagenbesitzer unsicher an.

      „Ja?“

      „Meinen Sie“, Hans schwieg einen Moment unsicher, bevor er fortfuhr, „meinen Sie, Charlotte interessiert sich wirklich für mich?“

      Diese Frage machte John Obediah Jones nicht besonders glücklich. Verdammt, jetzt wurde der Bursche vielleicht doch noch scharf auf die hübsche Schwarzhaarige.

      Kapitel 9 Gescheitert und ein Neubeginn

      Das richtige Händchen. Gott, das hatte ihm irgendwie immer gefehlt.

      Karl Baumgart sah nachdenklich über den Hof hinweg. Alles hatte so leicht ausgesehen. Er war mit dem kleinen Wagenzug bis nach Louisville in Kentucky gekommen. Kentucky war ein wundervolles Land. Es schien nur aus Bäumen und Feldern zu bestehen. Ideal, um hier eine kleine Farm aufzubauen oder Holz zu fällen. Etwas außerhalb der kleinen Stadt fand er eine kleine Farm, deren Besitzer gestorben war. Die Murphys, die eigentlich selbst nicht vermögend waren, gewährten ihm einen kleinen Kredit, der ihm den Kauf des Grundes ermöglichte. Sein Interesse an der kleinen Kathy Murphy, die sein Interesse sichtlich erwiderte, hatte wohl zum Beschluss der Eltern beigetragen.

      Es war eine schöne Hochzeit gewesen. Einfach, aber mit irischem Temperament, und ihm taten heute noch die Füße weh, wenn er daran dachte, wie er versucht hatte, bei diesem merkwürdigen irischen Tanz mitzuhalten, bei dem man den Oberkörper merkwürdig steif hielt und nur die Beine bewegte. Kathy war ein richtiger Rotschopf und ein unbändiges Temperament. Als einer ihrer Brüder einmal beiläufig erwähnte, Kathy hätte sich wohl besser einen ordentlichen irischen Mann erwählt, da war sie mit der Pfanne flink zur Hand gewesen.

      Ja, Kathy. Er sah sie noch vor sich. Wie sie sich immer wieder gegenseitig Mut gemacht hatten. Verdammt, der Ackerboden hatte so gut ausgesehen. Er pflanzte Getreide, wie er es damals bei den Mönchen in Frankreich gelernt hatte und die erste Ernte war ganz passabel gewesen. Sie konnten sich sogar zwei Kühe leisten. Alles hatte so gut ausgesehen. Aber dann wurde Kathy schwanger. Gott, wie hatte er sich gefreut und sein Schwiegervater spottete, mit seinem breiten Grinsen werde er bald nicht mehr durch die Tür passen.

      Aber dann war Kathy gestorben. Am Kindbettfieber. Auch der Kleine war so schwächlich gewesen, dass er seine Mutter nur wenige Tage überlebte. Nun lagen sie unter dem Apfelbaum hinter dem Haus. Zwei einsame Hügel, die Karl empfinden ließen, er habe furchtbar versagt. Er ließ sich gehen, obwohl seine Schwiegereltern und die ganze Familie versuchten, ihm Mut zu machen und ihm beizustehen. Aber er war zu dumm gewesen, um das zu begreifen. Hatte es versiebt. Ihre Blicke waren eine einzige Anklage gewesen, als er ihnen eröffnete, den Hof zu verkaufen. Dann war er gegangen.

      Jetzt stand er im Alter von 24 Jahren auf dem Hof, der einmal der seine gewesen war und nahm Abschied von Kathy und dem kleinen Patrick.

      Unten im Tal lag Louisville.

      Ein Stück hinter der Stadt erhoben sich die Gebäude der Militäranlage.

      Seit dem 28. Mai wurde dort das zweite Regiment der US-Kavallerie formiert. Gelegentlich wehte der Wind die schwachen Trompetensignale