Michael Schenk

Für Freiheit, Lincoln und Lee


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Schwarzer nicht mehr ausgepeitscht wurde oder dieser arme Schwarze plötzlich die gleichen Rechte erhalten sollte.

      Abraham Lincoln reagierte schließlich auf die Worte von Douglas. „Alles, womit man mir die Idee einer vollkommenen sozialen und politischen Gleichstellung unterstellt, ist nichts als trügerische und absurde Wortklauberei, mit der man auch beweisen kann, dass eine Rosskastanie ein kastanienbraunes Ross ist. Die Farbigen haben einen Anspruch auf all die natürlichen Rechte, welche in der Unabhängigkeitserklärung aufgeführt sind. Das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Aber ich verstehe nicht, warum ich eine Negerin, nur weil ich sie nicht zur Sklavin haben will, notwendigerweise zur Frau nehmen muss. Ich befürworte weder heute, noch habe ich dies jemals getan, Bestrebungen, die soziale und politische Gleichstellung der weißen und der schwarzen Rasse herbeiführen. Ich befürworte weder heute, noch habe ich dies je getan, dass Neger zu Wählern oder Geschworenen gemacht oder zur Ausübung eines öffentlichen Amtes befähigt werden oder dass Mischehen zwischen Weiß und Schwarz zugelassen werden sollten. Auch will ich hinzufügen, dass es einen physischen Unterschied zwischen den Rassen gibt, der es nach meinem Dafürhalten auf immer verbieten wird, dass beide auf der Basis sozialer und politischer Gleichstellung leben. Lasst uns all diese Haarspalterei über diesen und jenen Mann, diese und jene Rasse und die Minderwertigkeit jener beenden. Man sollte sich im ganzen Land als ein Volk zusammentun, bis wir aufs Neue aufstehen können und erklären, dass alle Menschen gleich geschaffen sind. Ob Weiße und Schwarze an geistiger und moralischer Begabung ebenbürtig sind oder nicht, in dem Recht, das Brot, welches er mit seiner Hände Arbeit verdient hat, zu essen, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen, darin ist er sowohl mir als auch Richter Douglas ebenbürtig.“

      Der Versuch Lincolns, die Wogen zu glätten, schlug fehl. Neben den hitzigen politischen Debatten trug auch die Tat John Browns dazu bei.

      John Brown, als fanatischer Gegner der Sklaverei, rechnete fest damit, Sklaven befreien und in den bewaffneten Kampf gegen ihre ehemaligen Herren führen zu können. Dazu benötigte er Männer und Waffen. Brown glaubte, die Schwarzen würden wie die Bienen zu ihm schwärmen, wenn er ihnen Waffen böte. Die Waffen, mit denen er dies bewerkstelligen wollte, befanden sich im Unionsarsenal Harpers Ferry in Virginia. John Browns „Befreiungsarmee“ bestand aus 17 Weißen, darunter drei seiner Söhne, und fünf Schwarzen. Er ließ drei Männer zur Bewachung seiner Farm zurück und begann seinen Überfall am 16. Oktober 1858.

      Harpers Ferry lag auf einer Halbinsel, die vom Zusammenfluss des Potomac und Shennandoah gebildet wurde und war ringsum von steilen Höhenzügen umgeben. Eine Eisenbahnbrücke und ein Bahnhof boten die Möglichkeit, den Inhalt des Arsenals im Bedarfsfall rasch an Truppen der Union zu überführen. Die Eisenbahnlinie führte mitten zwischen den Gebäuden des Arsenals hindurch, parallel zum Potomac, bevor sie den Fluss überquerte. In dem Arsenal wurden Waffen und Munition gelagert, und die dort aufgestellten Maschinen erlaubten auch deren Herstellung.

      Das Arsenal hatte eine denkbar ungünstige taktische Position, falls Brown und seine Männer dort belagert würden. Doch er hoffte darauf, so raschen Zuwachs für seine „Armee“ durch Farbige zu erhalten, dass er allem standhalten konnte und ein Fanal der Freiheit setzen werde. Begleitet vom eifrigen erschlagen aller Südstaatler, die dem Zorn Browns und seines Gottes Jehova nicht entkommen würden.

      Das Arsenal wurde nur von einem einzigen Posten bewacht und John Brown nahm es im Handstreich. Der einzige Tote des Überfalls war ausgerechnet ein freier Schwarzer, nämlich der Gepäckaufseher des Bahnhofs, der von Browns Brückenposten getötet wurde. Brown stoppte den Zug, der Harpers Ferry passieren sollte, hielt ihn mehrere Stunden auf, während er darauf wartete, dass seine ausgesendete Patrouille ihm die Scharen befreiter Sklaven zuführen werde. Schließlich ließ er den Zug weiterfahren, worauf das Zugpersonal und die Fahrgäste natürlich Alarm schlugen. Die munteren Scharen von Freiheit beglückter Sklaven blieben aus. Browns Patrouille brachte lediglich eine Handvoll Zwangsbefreiter mit sich, die keine besondere Begeisterung hegten, die Sklavenhalter am Tisch des Teufels zu versammeln.

      Am 17. Oktober wurde John Brown mit seinem Männern von Bürgern des Ortes Harpers Ferry angegriffen, während Milizen aus Virginia und Maryland auf das Arsenal vorrückten. Brown und seine Männer verschanzten sich im Zeughaus. Nachmittags trafen Unionstruppen unter Colonel Robert E. Lee und Lieutenant J.E.B. Stuart ein. Mit Sturmbock und Bajonetten griffen die Unionstruppen an, stürmten das Arsenal, wobei ein Soldat und zwei von Browns Männern getötet wurden.

      John Brown wurde vom Staat Virginia wegen Hochverrats, Mord und Anstiftung zum Aufruhr angeklagt und für schuldig befunden. Am 2. Dezember des Jahres 1958 wurde John Brown in Charleston öffentlich gehenkt und ging in die Geschichte ein.

      Ein alter Mitstreiter John Browns, selbst Farbiger, war empört über Browns Versuch, die Schwarzen zum Aufstand aufzuwiegeln und schrieb: „Ich bin empört über mich und das ganze Negergesindel, Gott verdamme sie alle.“

      Doch für die Gegner der Sklaverei wurde John Brown zu einem Symbol der Sklavenbefreiung stilisiert.

      Auch im Süden zeigte John Browns Tod eine paradoxe Wirkung. Obwohl man im Süden nicht müde wurde, zu versichern, wie gut es den Sklaven gehe und wie wohl sie sich dort fühlten, gab es eine regelrechte Hysterie wegen möglicher Sklavenaufstände. Sie wurde durch das freimütige Bekenntnis vieler Nordstaatler genährt, John Brown habe es immerhin gewagt, den Sklavenstaaten, die ungestraft den Norden schikanierten, die Stirn zu bieten.

      Als in Boston eine Gedenkveranstaltung für John Brown abgehalten wurde, war jener Lafayette zugegen, der als Franzose nach Amerika gekommen war und als General im Unabhängigkeitskrieg für die Freiheit der Vereinigten Staaten gekämpft hatte. „Niemals hätte ich um Amerikas Willen mein Schwert gezogen“, bekannte er in einer Ansprache, „wenn ich geahnt hätte, dass ich dadurch mithalf, eine Nation von Sklaven zu gründen.“

      John Browns Tat spaltete die Nation. Ein Mann aus North-Carolina schrieb: „Ich bin immer ein glühender Unionist gewesen, aber ich gestehe, dass die Billigung des Frevels von Harpers Ferry meinen Glauben in die Union erschüttert hat. Ich will lieber das Unheil in Kauf nehmen, das aus einer Spaltung der Union erwachsen mag, als mich noch weiter den Unverschämtheiten des Nordens auszusetzen.“

      Kapitel 12 1858 – Ein persönlicher Verlust

      Frau Friederike Arguille schüttelte sich instinktiv, als sie aus dem Regen in den Eingangsbereich des Demokratieclubs trat. Hilfsbereit eilte der Butler herbei und nahm Hut und Schirm entgegen, half ihr gekonnt aus dem Mantel. „Es ist eine Freude, Sie wieder bei uns zu sehen, Frau Arguille. Die Herrschaften sind im Kaminzimmer.“

      Die Herrschaften waren meistens im Kaminzimmer, selbst wenn dieser nicht brannte. Es war einfach der gemütlichste Raum im Gebäude des Demokratieclubs, oder Debattierclubs, wie er ebenso genannt wurde, denn noch immer trafen sich hier die ins Exil gegangenen Demokraten aus Deutschland, und tauschten hier Neuigkeiten und Meinungen aus.

      Inzwischen hatte man Friederike endgültig akzeptiert, obwohl die Herren ansonsten die Anwesenheit von Damen nicht schätzten. Vielleicht lag es daran, das Friederike, nach ihrer Hochzeit mit Timothy Arguille, noch an Liebreiz gewonnen zu haben schien. Vielleicht lag es auch daran, dass sie resolut genug war, sich über die Vorurteile der Männer hinwegzusetzen.

      „Kind.“ Karolina Ganzweiler tauchte in der Tür eines Nebenraumes auf und lächelte erfreut. „Ich habe gar nicht mit dir gerechnet.“

      Sie nahmen sich in die Arme und Friederike erwiderte die Geste voller Wärme. Karolina hatte ihre Ehe mit Timothy akzeptiert und Friederike hätte dies eigentlich nicht erwartet. Vielleicht war Karolina einfach froh gewesen, dass ihre Tochter nun endlich unter der Haube war, und Timothy war immerhin Erster Offizier eines großen Postschiffes, mit der Aussicht, bald das Kapitänspatent zu bekommen. Inzwischen galt Karolinas Sorge einem Enkelkind, welches sich noch immer nicht einstellen wollte. „Kind, dein Mann sollte wirklich öfter zu Hause sein“, pflegte sie seufzend zu sagen. „Die ganze Zeit immer auf dieser schrecklichen wackelnden See…“

      „Die anderen sind alle schon da?“, erkundigte Friederike sich und strich eine nass gewordene Locke aus ihrer Stirn.