C. W. Badtke

Measure of Happiness


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des Lärms verstand ich jedes Wort aus seinem Mund. Es war, als wäre ich in einem Vakuum gefangen und würde nur noch seine Worte hören. Scheiße, ich war so was von am Arsch.

      Um mich nicht mit dämlichem Geplapper zu blamieren, deutete ich auf die Bar an der Wand gegenüber und er nickte mir zu. Ein kleines Lächeln umspielte dabei seine Lippen, ehe er sich umwandte und zur Bar ging. Er beugte sich vor und ich starrte schnell zur Decke, um nicht auf seinen möglicherweise perfekten Po zu gucken. Dann stand er plötzlich wieder vor mir, reichte Simon und mir eine neue Flasche Bier, nickte noch mal und verließ dann mit der Blonden im Schlepptau den Raum. Ich hörte sie auch durch die Musik zetern: „Warum hast du mir denn kein Bier mitgebracht, Luke?“

      Perplex stand ich da. Mit einer neuen Flasche Bier aus den Händen des Bad Boys schlechthin, in den ich mich ja leider verguckt hatte, und starrte zur Tür, durch die er längst verschwunden war.

      „Mh, das war doch für den Anfang gar nicht so mies, es hätte viel schlechter laufen können!“, meinte Simon neben mir, aber ich konnte nicht antworten. Dennoch, er hatte recht. Das hätte wirklich viel schlechter laufen können. Nur dass der Typ eben auf Frauen stand und nicht auf Männer. Fuck!

      Am nächsten Morgen stand ich zum Glück ohne Kater auf und schickte Simon eine SMS, damit er ebenfalls aus dem Bett kam und seinen Arsch zum Lernen bewegte. Wenn ich schon nichts mit seinen Fächern anfangen konnte, dann konnte ich ihm wenigstens freundschaftlich in den Allerwertesten treten. Fünf Minuten später bekam ich eine zufriedenstellende Antwort samt Beweisbild und machte mir einen Kaffee, ehe ich mit dem Lernen anfing. Die Klausuren rückten näher und ich hatte noch gar nichts getan. Wenn ich schon nicht das studierte, was meine Eltern wollten, dann musste ich zumindest gute Noten abliefern, sonst kürzten sie mir ganz schnell das Geld. Und auf mein kleines Apartment wollte ich nicht verzichten, denn dann müsste ich ins Wohnheim und das hieße wiederum, Privatsphäre ade.

      Zunächst machte ich mir einen Lernplan, um mir einen Überblick darüber zu verschaffen, woran ich überall verzweifeln würde. Ich war tatsächlich nicht schlecht, musste nicht ständig lernen, aber die Fächer dieses Semester waren alle der absolute Hammer in Sachen Lernpensum. Einen Kurs in Philosophie hatte ich auch mit Luke zusammen, doch hatte ich ihn bisher nur zweimal gesehen. Also schmiss er entweder den Kurs oder er war so drauf, dass es ihm einfach egal war, ob er bestehen würde oder nicht. Schade eigentlich. Wäre er regelmäßiger hingegangen, hätte ich ihn öfter gesehen. Jetzt rechnete ich gar nicht mehr mit ihm. Und auf Jessy konnte ich in diesem Fach auch nicht zählen, sie hatte Philosophie bereits im ersten Semester gewechselt.

      Mein Handy piepste und ich griff danach. Besagte Jessy hatte mir ein Bild von sich in einem fremden Bett geschickt, lächelnd wie eine zufriedene Katze, die gerade Sahne geschleckt hatte. Grinsend schickte ich einen Emoji mit Daumen-Hoch-Zeichen zurück, ehe ich mich wieder meinen Unterlagen zuwandte. Doch so recht konzentrieren konnte ich mich nicht. Meine Gedanken schweiften ständig ab und landeten immer bei Luke. Seufzend schob ich meinen Collegeblock von mir, warf den Stift auf den Schreibtisch und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. So brachte das alles nichts. Weder das Lernen noch meine Gedanken an den Bad Boy der Uni. Jungen wie ich kamen eh nicht an ihn heran. Wie auch bei einem Hetero-Mann? Und mal abgesehen davon, meine Eltern wären alles andere als begeistert, wenn ich einen Mann statt einer Frau mit nach Hause nehmen würde. Ich wäre enterbt, würde in Scham und Schande fallen. Das konnte ich ihnen nicht antun. Erneut seufzend machte ich Musik an meinem Laptop an und warf mich auf mein Bett. Wenn schon Klischee, dann aber bitte vollkommen.

      Der Tag verging langsam und erst als ich mich abends in Simons Wohnung mit ihm und Jessy traf, konnte ich wieder richtig lächeln und klare Gedanken fassen. Jessy plapperte pausenlos von der Silvesterfeier und ihrer hübschen Rothaarigen, die sie bei der gestrigen Party abgeschleppt hatte. Simon schien deutlich abwesend und tippte auf seinem Handy herum. Er wirkte nachdenklicher und in sich gekehrter als sonst.

      „Alles okay?“, fragte ich ihn.

      „Ja, ja, alles gut. Training war heute nur irgendwie mies. Und gelernt hab ich heute auch nicht so richtig“, antwortete er und setzte ein breites Lächeln auf. Ein etwas zu breites.

      „Und mit wem schreibst du da die ganze Zeit?“, fragte Jessy und trat hinter ihren Bruder, um einen Blick auf sein Handy zu erhaschen.

      „Das geht dich nichts an, Schwesterchen“, sagte Simon und ließ sein Handy in die Hosentasche gleiten. Es vibrierte jedoch wenige Sekunden später und seine Hand bewegte sich reflexartig zu ihm zurück.

      Jessy lachte. „Hat da etwa jemand eine neue Liebe? Ich dachte, du wolltest Pause machen von dem ganzen Liebeskram?“

      „Es ist kein Liebeskram. Und es geht euch nichts an. Seid froh, falls ich euch den Jemand an Silvester vorstelle“, grummelte Simon und nahm einen Schluck Bier.

      „Uhh, sie kommt zur Silvesterparty?“

      Jessy ließ sich neben mich aufs Sofa fallen und sah ihren Bruder gespannt an.

      Simon nickte ergeben und seine Schwester klatschte freudig in die Hände, ihre Augen strahlten.

      „Mein Bruder hat eine neue Liebe und wir lernen sie schon ganz bald kennen! Woher kennst du sie denn? Oder ihn? Wie sieht der Mensch aus, den du uns vorstellen wirst?“

      Simon warf mir einen flehenden Blick zu, doch ich grinste. So leicht würde er Jessy nicht davonkommen und ich hatte kein Interesse daran etwas zu ändern. Schließlich war ich auch neugierig.

      „Ja, Simon, erzähl mal alles, was du über diesen Menschen weißt!“, forderte ich ihn auf, lehnte mich entspannt zurück und beobachtete die Inquisition, die Jessy startete. Es war so verdammt schön, wieder zuhause zu sein.

      Die Silvesterparty in der Bar würde der Hammer werden, dessen war ich mir ziemlich sicher. Nicht nur, weil wir Simons neue Liebe kennenlernen würden. Ich zog ein schwarzes Hemd aus dem Schrank, dazu wieder eine schwarze Jeans, und ließ zur Abwechslung mal meine Haare auf. Sie würden sich hoffentlich nicht in irgendwem verfangen, schließlich trugen Frauen ständig ihre Haare offen und hingen nicht plötzlich irgendwo fest. Gwendolyn hatte sich nie beschwert und Jessy hatte sich auch nie darüber ausgelassen. Höchstens dass sie beim Knutschen stören würden, aber dazu würde es bei mir eh nicht kommen. Die Party fand im Pillow statt. Einer Bar, die Jessy, Simon und ich oft besuchten, und so machte ich mich gegen zehn Uhr auf den Weg, um die beiden abends vor dem Lokal zu treffen.

      „Na, alles bereit für den Start ins neue Jahr?“, begrüßte mich Jessy und fiel mir um den Hals. Ich drückte sie an mich und sah mich nach Simon um. Sie bemerkte meinen suchenden Blick.

      „Der ist mit seiner neuen Liebe schon drin und wartet dort auf uns. Ich bin schon ganz gespannt, wie lange das dieses Mal hält.“

      „Du solltest mehr Vertrauen in deinen Bruder haben, Jessy!“, sagte ich und grinste zu ihr runter.

      „Dann lass uns reingehen und sehen, wie viel Vertrauen ich haben muss, Goldlöckchen.“ Sie grinste zurück, zupfte an meinen Haaren und warf ihre eigene Mähne mit einer schwungvollen Bewegung nach hinten. Dann stolzierte sie vor mir in die Bar und ich folgte ihr kopfschüttelnd.

      Durch die Tür kam gerade eine Gruppe von jungen Männern, die Jessy artig den Vortritt ließen, mich aber anrempelten. Ich wollte erst empört stehen bleiben, als ich Luke unter ihnen entdeckte. Er trug wieder seine Lederjacke, die dunklen Haare fielen ihm zerzaust ins Gesicht. Als er mich sah, blitzte ein Funken des Wiedererkennens in seinen Augen auf und er nickte mir grüßend zu. Ich nickte zurück, froh darüber, kein Wort mit ihm wechseln zu müssen. Darauf wäre ich jetzt nicht vorbereitet gewesen. Stattdessen folgte ich Jessy in die Bar und widerstand dem Drang, mich zu Luke umzudrehen, um einen Blick auf seinen Hintern in dieser Jeans werfen zu können.

      „Dein Traumprinz und du, ihr versteht euch selbst ohne Worte“, wisperte Jessy mir zu und ich gab ihr einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Sie schob schmollend die Lippen vor und rieb sich die Stelle, an der ich sie erwischt hatte. Doch sie vergaß ihren Schmerz schnell wieder, als wir Simon in einer Ecke an einem Stehtisch entdeckten. Und mit seiner Begleitung hätte ich wirklich nicht gerechnet.