als würde man dich hinrichten«, sagte ihre Mutter zu ihr, während sie verständnislos den Kopf schüttelte.
»Kannst du mir bitte sagen, warum ich mich freuen sollte? Es schmerzt mich im Unterleib und ich blute. Außerdem bin ich traurig.«
Mata lächelte sie an. Sie setzte sich neben ihre Tochter und legte ihr freundschaftlich den Arm über die Schultern.
»Ach Kleines, das gehört einfach zu uns Frauen. Außerdem ist es doch etwas Wunderbares, jetzt zu wissen, dass du fruchtbar bist. Jetzt kannst auch du deinen Beitrag dazu leisten, dass unser Volk wächst.
»Wer sagt denn, dass ich das überhaupt möchte? Woher weißt du überhaupt, dass ich überhaupt ein Kind will?«, maulte ihre Tochter.
»Aber Solana, warum solltest du kein Kind bekommen? Damit wärst du die Erste in unserem Volk!«
»Na und? Dann bin ich eben die Erste. Ich mag keine Kinder! Ich möchte am Leben teilhaben und Arbeit verrichten wie die Männer. Ich möchte auch die schönen Steine aus der Tiefe holen und sie dann schleifen- so wie die Männer und ...«
Mata hatte genug und unterbrach den Redeschwall ihrer Tochter.
»Hör mit diesem Unsinn auf! Wir werden wegen dir nicht unsere Arbeitsteilung ändern, es bleibt, wie es ist, wir Frauen kümmern uns um die Familie und bekommen Kinder und die Männer arbeiten! Ich weiß überhaupt nicht, wer dich auf so dumme Gedanken bringt?«
Die Tür öffnete sich und Solanas Vater kam herein. Schwerfällig trat er ein und ging auf das Kissenlager zu, auf dem beide Frauen saßen. Die reichlich vorhandenen silbernen Fäden, die sein Haar durchzogen schimmerten im Kerzenlicht. Er schmunzelte vor sich hin, als er beide Frauen ansah, dass er ein Mutter–Tochter-Gespräch unterbrach, war ihm in diesem Moment bewusst.
»Was führt ihr hier denn für heimliche Gespräche?« Mata sah ihn lächelnd an.
»Sota …, unsere Tochter ist heute Morgen zur Frau geworden.«
Solana legte ihren Kopf schmollend auf die angezogenen Knie und wich dem Blick ihres Vaters aus.
»Wo ist das Problem?«, fragte er.
»Unsere Tochter wird damit nicht fertig«, erklärte Mata. Sota warf einen bösen Blick auf Solana.»Was heißt das – du wirst damit nicht fertig?«
»Ich möchte mein Leben genießen, so wie es die Männer tun! Ich möchte arbeiten und …«
Das war für Sota zu viel.
»Halt deinen Mund! Was ist das denn für eine Anschauung? Du bist jetzt eine Frau und du wirst das Gleiche tun, wie alle Frauen der Gomas seit Generationen. Basta!«, sprach der Vater in unerbittlichem Befehlston.
»Nein!«, schrie Solana und dicke Tränen kullerten über ihre Wangen. Doch ihr Vater winkte lässig mit der Hand ab.
»Du bleibst so lange in diesem Raum, bis du dich eines Besseren besonnen hast, verstanden?«
Mit diesen Worten verließ Sota die beiden Frauen.
Ihre Mutter erhob sich ebenfalls.
»Du hast gehört, was dein Vater befohlen hat? Entweder du wirst vernünftig, oder du bleibst für immer hier in diesem Raum. Solana, du kennst deinen Vater …, was er sagt, das hält er auch, also überlege dir gut, was du tust!«
Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von ihrer Tochter, die ihr trotzig hinterher sah.
»Das ist mir doch egal, dann sterbe ich eben hier drinnen«, schmollte Solana leise vor sich hin. Sie legte sich in die Kissen und krümmte sich vor Schmerzen, aber sie rief nicht nach ihrer Mutter.
Wie lange sie so da gelegen hatte, wusste sie nicht mehr, doch als sich die Tür öffnete und ihre Mutter ihr einen Teller mit Fleisch brachte, kam es ihr vor, als wären Stunden vergangen.
»Iss und trink«, sagte Mata knapp und stellte den Teller und einen Krug Wasser neben ihre Tochter. Mit rot verweinten Augen sah Solana ihre Mutter an.
»Hast du Schmerzen?«
Das Mädchen nickte und vergrub sogleich wieder das Gesicht in den Kissen.
»Hier trink das! Es ist ein Saft, der krampflösend wirkt. Gib die Hälfte der Flasche in ein Glas mit Wasser, dann ist er nicht so bitter.«
Solana griff nach dem Fläschchen und nickte. Jetzt wusste sie, dass sie eingesperrt bleiben würde und nicht einmal beim gemeinsamen Abendessen anwesend sein durfte. Ihre Mutter verließ den Raum und schloss leise die schwere Tür hinter sich.
Lustlos kaute sie auf dem Fleisch herum und trank anschließend den verdünnten Saft. Dann legte sie sich wieder in ihre Kissen, und als ihre Schmerzen aufhörten, schlief sie schließlich ein.
Nach vielen Stunden erwachte Solana. Sie lag auf dem Rücken und starrte an die kahle Felsendecke. Sie ließ ihre Blicke an den Steinwänden entlang wandern und setzte sich auf.
Nachdenklich betrachtete sie den kalten Boden, der mit selbst geknüpften Teppichen ausgelegt war.
Woher kamen die Materialien, mit denen man solche Dinge machen konnte? Sie hatte ihre Mutter schon einmal gefragt, aber nur die vage Auskunft bekommen, dass Sota sich darum kümmere. Das Geheimnis, woher ihr Vater diese Besitztümer hatte, wurde streng gehütet.
»Nein, mein Leben wird nicht in diesem Steinhaufen enden!«, schimpfte sie laut vor sich hin.
Plötzlich wurde die schwere Holztür geöffnet und Mata kam herein.
»Hast du eine ruhige Nacht verbracht?«, fragte sie und lächelte ihre Tochter dabei an. »Hm …«, gab Solana von sich.
»Ich kann dich überhaupt nicht verstehen! Kannst du mir eine verständliche Antwort geben?«, hakte die Mutter unwirsch nach.
»Ja, ich hatte eine ruhige Nacht«, gab Solana immer noch leicht verstimmt von sich. »Das ist gut. Hast du dich wieder etwas beruhigt?« Solana war die alberne Fragerei sehr lästig, aber sie versuchte Ruhe zu bewahren und freundlich zu wirken.
»Ja, das habe ich«, entgegnete sie artig. Ihre Mutter sah sie prüfend an und Solana zwang sich ein Lächeln auf ihre Lippen.
»Nun gut, dann darfst du am gemeinsamen Frühstück teilnehmen«, beschloss Mata gnädig und legte ihr frische Kleider auf die Kissen. Solana erhob sich und trat an die große steinerne Waschschüssel. Sie schob den großen Riegel an der Wand zur Seite und aus einer kleinen Öffnung floss kaltes Wasser.
»Beeil dich aber, wir warten auf dich«, sagte die Mutter und verließ dann den Raum.
Solana beendete ihre Körperpflege und zog sich eine Leinenhose und das dazugehörige kurzärmelige Hemd darüber – das ihr Mata gebracht hatte. Dieses band sie in der Taille mit einem Leinengürtel zusammen. Sie kämmte ihr Haar mit einem großen Holzkamm, den ihr Onkel geschnitzt hatte. Anschließend verließ sie ihr Zimmer und lief durch die spärlich beleuchteten Gänge in den tiefen Gewölben, zum großen Gemeinschaftssaal.
Als Solana ihn betrat, saßen schon alle an den zwei großen Tischen in der Saalmitte – Frauen und Mädchen an einem, die Männer mit ihren Söhnen am anderen. Sie hatten sich streng getrennt gruppiert, so wie es die Etikette verlangte.
Während Solana auf den Frauentisch zusteuerte, musste sie unmittelbar am Tisch der Männer vorbeigehen und ihrem Vater einen guten Morgen wünschen. Sie trat direkt auf ihn zu und grüßte im Vorbeigehen auch alle anderen am Tisch Sitzenden.
»Guten Morgen Vater«, sagte sie, reichte ihm die Hand und machte zugleich eine tiefe Verbeugung, denn Sota war der Stammesvater und somit eine große Respektsperson.
Neben ihm saß Janis, ihr zukünftiger Mann, und musterte sie leicht schmunzelnd von oben bis unten.
Solana sah ihn giftig an, denn sie wusste, dass er sicherlich schon informiert worden war. Ab jetzt würde er es als selbstverständlich ansehen, seiner Pflicht nachkommen zu müssen.
Eilig