Michael Schenk

Sky-Troopers 2 - Die Beutewelt


Скачать книгу

Schiffe eingebaut werden zu können, aber die Forscher arbeiteten daran. Nahed konnte durch die Kristallkuppel die gewaltigen Aggregate und die winzigen Gestalten der Techniker erkennen.

      Vor dem Zugang zur Stadt standen drei Lanzer der Wache, deren metallbeschwerte Gurte sie am Grund hielten. Notfalls konnten die Männer sie rasch lösen, um sich einem Feind zu stellen. Sie legten die Flammenlanzen ehrerbietig an die Schultern und Nahed nickte ihnen grüßend zu.

      Einer der Lanzer wandte sich zur Seite und strich mit einer Hand sanft über eine bestimmte Stelle der Schleuse. Diese schien aus einer halbkugeligen graugrünen Blase zu bestehen, die an der Vorderseite der Kuppel wuchs. Ungefähr in der Mitte dieser Blase befand sich eine längliche Einkerbung, welche die Wache berührte. Ein sanftes Beben schien durch die Schleuse zu gehen und an der Einkerbung wurde ein Wallen sichtbar. Die Kerbe dehnte sich zu einem Schlitz, der sich zu einem riesigen Oval weitete. Die dahinter liegende Kammer bot wenigstens hundert Kämpfern Raum und bestand aus einem grau-roten und zerfurcht wirkenden Material. Wenn man genauer hinsah, erkannte man auch hier leichte Bewegungen. Ein leichter Sog schien Nahed und seine Begleiter in die Schleuse hineinzuziehen. Tatsächlich war die Schleusenkammer eine riesige Wasserpflanze, deren Fähigkeiten sich die Shanyar zu Nutze machten. Sie hatten die Schleusenkuppel direkt an die Pflanze gebaut, die einen röhrenartigen Körper besaß und flach auf dem Boden lag. Die Pflanze saugte Wasser durch das eine Ende ihres Leibes ein und ließ es durch das andere ausströmen. Den Shanyar gelang es, sie so zu manipulieren, dass die Öffnungen auf ihre Berührungen reagierten. Die Schleusenpflanze wurde zur Belohnung mit Wasserlebewesen gefüttert. So konnten beide Seiten mit der ungewöhnlichen Symbiose zufrieden sein.

      Nahed schwamm in die offene Schleuse hinein und seine Leibwachen folgten hinter ihm. Erneut wurde der Mundschlitz der Pflanze manipuliert, der sich nun schloss. Es wurde dunkel in der Schleuse, die eigentlich der Verdauungstrakt der Pflanze war, doch hier konnte man keine Lichtkörper installieren. Sie würden zu einer Entzündung des Pflanzenwesens führen. Die Shanyar warteten gleichmütig in der Dunkelheit darauf, dass die manipulierte Pflanze den zweiten Teil des Verdauungsprozesses einleitete. Sie spürten, wie der Wasserspiegel zu sinken begann, als die Pflanze Wasser aus ihren Membranen presste und dabei versuchte, kleinste Wasserlebewesen in ihre Magenwände zu saugen. Nahed und seine Begleiter waren als Nahrung einfach zu groß und außer Gefahr. Nach einigen Augenblicken verengte sich die Kammer. Der hintere Schlitz begann, sich zu öffnen. Licht fiel ein und das Restwasser strömte aus dem Pflanzenleib. Es sickerte durch Bodengitter in die Auffangtanks hinter der Schleuse.

      Die Gruppe verließ die Schleuse und die Stadt umfing sie, mit einer Mischung aus dem typischen Geruch der See und wilden Blumen des Landes. Überall waren Beete mit Rasen, Blumen und sogar Bäumen angelegt worden, die ihren Teil zur atembaren Luft beitrugen. Vor zehn Jahren waren die Pflanzen von einer Faulkrankheit befallen worden und man hatte die Stadt evakuieren müssen, bis man genug erkrankte Pflanzen durch gesunde Exemplare ersetzt hatte.

      „Ich brauche eure Dienste nun nicht mehr“, wandte sich Nahed an die Lanzer. „Ihr könnt euch erfrischen gehen. Sollte ich euren Schutz erneut benötigen, so werde ich euch rufen lassen.“

      Er schlenderte die Hauptstraße entlang und ließ sich Zeit. Zeit, die Stadt zu sehen und seine Gedanken zu ordnen. Er war sich noch immer nicht sicher, was er dem Botschafter der anderen Stadt sagen sollte. Sein Blick glitt über die Bewohner Elunts. Erwachsene und Kinder gingen ihrem Tagewerk nach, als befände sich die Stadt im tiefsten Frieden und nicht im Überlebenskampf gegen die Flachgesichter.

      Die Gebäude folgten alle der sechseckigen Grundform, aber die Seitenlängen waren nicht immer gleich, sodass sich eine überraschend abwechslungsreiche Architektur bot, denn die einzelnen Häuser waren teilweise wie Waben angeordnet, manche ragten über die Kanten unterer Gebäude hinaus oder waren wie die Stufen einer Wendeltreppe angeordnet. Es schien schwer vorstellbar, dass alle diese Gebäude von Wasser umgeben waren, solange man nicht aus einer der Fensteröffnungen auf die Fische blickte. Das Stück überdachter Straße, dem Nahed zum Regierungssitz folgte, führte zwischen den Gebäuden entlang und das Kristall der Schutzhülle erlaubte es, die Wasserlebewesen zum Greifen nahe zu erleben. In regelmäßigen Abständen erhoben sich die Rahmen der Stützkonstruktion. An jedem Gebäude befanden sich metallene Drucktüren, die im Gefahrenfall geschlossen werden konnten und die Häuser versiegelten.

      Als er das Tunnelsegment verließ und das daran anschließende Gebäude betrat, weitete sich die Straße zu einer Einkaufszeile. Von den vielfarbigen Reflexen, die durch die Wasserspiegelungen hervorgerufen wurden, abgesehen, hätte es sich fast um den Marktplatz einer Landstadt handeln können. Brunnen spien Wasserfontänen in steinerne Becken, Bänke luden zum Sitzen und Plaudern ein und rechts und links der Straße reihte sich Händler an Händler. Kleidung aus den Stoffen der Landstädte wurde ebenso angeboten wie die Schuppenhautgewänder Elunts. Feine Holz- und Metallarbeiten lagen in den Auslagen und darunter viele Dinge, die sich im Leben als nützlich erwiesen oder es angenehmer gestalten konnten. Auch Nahrungsmittel gab es nun wieder in großer Anzahl und Vielfalt.

      Einer der Händler erkannte Nahed und eilte auf ihn zu. „Verzeih, wenn ich dich einfach anspreche, Sha-Elunt, doch die Neugier der Stadt ist groß. Hast du entschieden?“

      Nahed kräuselte ablehnend den Nasenrüssel. Es stand den Bewohnern Elunts zu, seine Entscheidung zu erfahren, doch der Herr der Stadt wollte sich nicht drängen lassen. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, Händler. Ich lasse sie verkünden, wenn es an der Zeit ist.“

      Der Händler merkte, dass er in seinem Eifer ein wenig zu weit gegangen war und zeigte entschuldigend die Handflächen. „Verzeiht, Herr, ich wollte euch nicht verstimmen. Meine Söhne dienen in der Marine Elunts.“

      Nahed nickte bedächtig. „So dienen sie der Stadt, wie auch ich auf meine Weise. So sollten wir nun beide tun, was unsere Pflicht ist.“

      Der Händler zeigte nochmals die Handflächen und zog sich zurück. Nahed war verärgert über die Störung, die ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. Aber er konnte den Mann verstehen. Die Entscheidung Naheds würde großen Einfluss auf das künftige Schicksal Elunts und seiner Bewohner haben und niemand konnte sie ihm abnehmen. Es war seine Pflicht, sie zu treffen. Nahed seufzte leise, als ihm bewusst wurde, dass jeder seiner Schritte ihn jenem Augenblick entgegen trug, an dem er sie verkünden musste.

      Das Regierungsgebäude des neuen Elunt war von einer eigenen Kuppel geschützt. Hier gab es ein metallenes Tor, vor dem Lanzer der Stadtgarde Wache hielten.

      „Willkommen zurück, Sha-Elunt“, grüßte der Wachführer und legte die Flammenlanze salutierend an die Schulter.

      Nahed erwiderte den Gruß, indem er den Handrücken der rechten Hand kurz an die Stirn legte. „Befindet sich Yehed-Sha schon im Palast?“

      Der Wachführer nickte. „Der Kampfherr ist schon da. Auch Korus-Sha-Dor, Sha-Elunt.“ Die Wache zögerte kurz. „Der eine begleitete den anderen, Sha.“

      „Ich verstehe.“ Nahed nickte und legte der Wache anerkennend die Hand auf die Schulter. „Ein wichtiger Hinweis, Kämpfer.“

      Nahed trat durch das Tor in den Tunnel, der zum Hauptgebäude führte. Der gestreute Kies knirschte leise unter seinen Schritten. Der Unterschied der groben Körner zu dem weichen Sand am Strand der Lagune erschien Nahed als Symbol für die unerfreulichen Momente, die nun kommen würden. Also hatten sich Yehed-Sha und Korus-Sha-Dor verbündet, um Naheds Meinung zu beeinflussen. Eigentlich sollte es den Herrn der Stadt Elunt nicht wundern. Auch wenn Nahed die Stadt regierte, so war Yehed immerhin ihr oberster Kampfherr. Er unterstand Naheds Befehl, aber als Truppenkommandeur der Stadt verfügte er über Einfluss. Nahed konnte Yehed nicht ignorieren, und das hatte sich Korus zu Nutze gemacht.

      Er betrat das Haupthaus durch das zweite Tor, nahm dankbar eine Erfrischung entgegen, die ihm ein Bediensteter reichte. „Die Shai-Elunt wartet in der Bibliothek auf Euch, Sha-Elunt“, raunte der Mann. „Sie ist in Sorge und will Euch sprechen, bevor …“

      „Ich kann es mir denken“, unterbrach Nahed und spürte erneut aufflammenden Unmut.

      Glaubte denn jeder Bewohner Elunts an diesem Tag, seinen Herrn manipulieren zu können?