Thomas Helm

"Blutige Rochade"


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Personalbeschaffung, für die Planung und Kontrolle der Bauabläufe verantwortlich. Und ich lege die Preise fest! Doch zuvor, nun höre bitte genau hin, bin ich für die Geldbeschaffung zuständig. Für die benötigten Finanzen!« Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Schirmer erwartungsvoll an.

      Der hatte den Worten seines Gegenübers gebannt und fast atemlos zugehört. Die Überraschung war ihm anzusehen.

      »Wenn wir es benötigen«, fügte Steincke im Brustton der Überzeugung hinzu, »haben wir das Geld! Hierbei brauchst du dir, mein lieber Frank, vorerst nicht den Kopf zu zerbrechen. Die Bedingung ist allerdings, dass mir achtzig und dir zwanzig Prozent der Firma gehören werden. Genau so wird sobald der Laden läuft unsere Gewinnaufteilung aussehen!«

      Schirmer wollte daraufhin etwas entgegnen.

      Steincke wehrte jedoch mit einer laschen Handbewegung ab. »Du erhältst auf jeden Fall ein Geschäftsführergehalt, das dem meinen nahe ist. Auch sämtliche Aufwendungen bekommst du vergütet. Über irgendwelchen Krümelkäse brauchen wir nicht reden, wird erstattet. OK? Wenn du damit einverstanden bist, kommen wir beide ins Geschäft!«

      Unverhüllt zeigte Schirmer seine Erregung. Glänzende Schweißtröpfchen standen mit einem Mal auf seiner Stirn. Bei dem, was er sich soeben anhörte riss er wiederholt und überrascht die Augen weit auf. Mehrmals wischte er sich mit der Hand übers Gesicht. Jetzt versuchte er offenbar das Gehörte zu überdenken. Verlegen kratzte er sich am Kopf, räusperte sich. »Helmut! Ich möchte, wenn du gestattest zuerst mit meiner Frau darüber reden. Und ich muss eine so wichtige Sache eine Nacht überschlafen. Kann ich dir morgen Bescheid geben?«, fragte er kleinlaut.

      Mit einem breiten Grinsen erklärte sich Steincke einverstanden. Dabei breitete er die Arme aus. »Ja, warum nicht, Frank? Wenn es deiner Entscheidungsfindung zugutekommt«, entgegnete er mit unverblümten Sarkasmus. Er verschränkte die Hände für einen Augenblick im Nacken und dehnte sich. Fränki muss zuerst mit seiner Frau Gattin sprechen, dachte er. Weil er jetzt zu aufgeregt ist, um gleich eine Zusage zu geben! Na, da wollen wir doch mal sehen, ob er von Mutti grünes Licht bekommt!

      Frank Schirmer bekam den Segen seiner Frau. Die beiden vormaligen Funktionäre der FDJ begannen den Aufbau ihrer gemeinsamen Firma vorzubereiten.

      Irgendwie erinnerte Steincke das alles an die Zeiten der Firmengründungen mit Kuragin. Damals, im jetzt so weit entfernten Ural.

       Da taten sich beim Rückblick schon einige Parallelen auf.

      Schmerzhafte Trennung (im Juli 1990)

      Der Tag, an dem Steincke und Schirmer endlich alle notwendigen Antragsformulare ausgefüllt hatten, war rasch herangekommen. Die Unterlagen lagen beisammen. Doch da neigte sich der Monat Juni schon dem Ende zu.

      Am ersten Juli erfolgte in Deutschland-Ost die Umstellung auf die begehrte Währung.

       Die »Deutsche Mark« wurde alleiniges Zahlungsmittel.

      In Steinckes Besitz befand sich die ihm zugestandene legale Umtauschsumme. Dazu kamen annähernd fünfzigtausend DM in bar. Das Geld aus Ikonenverkäufen im vergangenen Jahr, das er nicht angerührt hatte.

       Diese Summe würde jedoch nur knapp als Einlage für die Gründung einer GmbH ausreichen.

      Schirmer hob auf die Frage nach seiner finanziellen Beteiligung hilflos die Hände. »Ich habe es dir doch schon zuvor gesagt, Helmuth! Mit allem das auf meinem Konto lag musste ich im vorigen Jahr das Darlehn an die Sparkasse zurückzahlen. Du weißt für unser Haus in Mahlsdorf?«

      Am darauf folgenden Tag fuhr Steincke mit dem Zug zu seiner Mutter. Dort entnahm er schweren Herzens die seit über zwei Jahren gebunkerten Schätze aus dem Versteck.

       Das bescheidene Startkapital, das man seiner Mutter beim offiziellen Umtausch zugestanden hatte, stockte er mit Fünftausend DM auf.

      »Damit du dir etwas leisten kannst!«, begründeter seine Handlung. Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand wieder.

      Argwöhnisch beobachtete er während der Rückfahrt die Mitreisenden im Zug. Die schwere Tasche mit seinem Kapital hielt er krampfhaft an sich gepresst.

      Mensch, Steincke! Bleib locker, ermahnte er sich. Gleichwohl fühlte er sich erleichtert, als er in Berlin wieder aus dem Zug steigen konnte.

      Der Andrang bei den Geldinstituten in Westberlin erwies sich zum Glück als nicht so stark, wie im Osten der Stadt. Daher eröffnete er am darauf folgenden Tag bei einer Filiale der »Deutschen Bank« am Kurfürstendamm ein Konto.

      Von seinem Bargeld zahlte er nur fünftausend DM ein. Gleichzeitig mietete er dort ein Bankschließfach, um seine Goldbarren zu deponieren. Jetzt musste er nur noch die Edelsteine zu Geld machen.

       Bereits zwei Wochen zuvor hatte er für diesen Fall eine brachliegende Verbindung wiederbelebt.

      In einem protzigen Café am Kurfürstendamm traf er sich mit Regardier.

       Ihr Gespräch drehte sich zum Leidwesen des Franzosen diesmal jedoch nicht um das Thema – Ikonen. Doch zumindest für Steincke lohnte diese Zusammenkunft.

       Er erhielt einige Informationen sowie eine Telefonnummer.

       Etwas irritierend empfand er das fiese Lächeln von Regardier. Das zeigte sich gleich, nachdem er ihm sein Anliegen offenbart hatte. Er beschloss jedoch, dem keine weitere Bedeutung zuzumessen.

      Die Zeit drängte. Telefonisch vereinbarte er einen Termin bei einer Frankfurter Adresse. Wobei er sich auf die Empfehlungen von Monsieur Regardier berief.

      »Sie möchten uns anscheinend recht zeitnah aufsuchen, Herr – Steincke?«, fragte ein Mann am anderen Ende der Leitung. »Nun ja, Geschäfte von solcher Art werden an und für sich nicht so rasch abgewickelt. Da sie Monsieur Regardier jedoch bereits avisierte, geht das in Ordnung! Passt es ihnen morgen zu elf Uhr?«

      Frühmorgens setzte er sich am »Bahnhof Zoo« in den Eurocity.

       Im Aktenkoffer, den er fest an die Brust gepresst hielt, trug er den Gesamtbestand seiner Diamanten bei sich.

      Jeden, der sich ihm näherte, musterte er misstrauisch, behielt ihn angespannt im Auge. Insgeheim bedauerte er sogar, dass er über keine Waffe verfügte.

      Fahrplangemäß kam er in der Mainmetropole an. Mit einem Taxi ließ er sich vom Bahnhof zu der Adresse fahren, die ihn Regardier benannt hatte.

      Es regnete leicht, der Himmel zeigte sich grau, die oberen Etagen der Wolkenkratzer steckten im Dunst.

       Bei einem raschen Blick nach oben schüttelte er den Kopf.

       Nein! Das unfreundliche Wetter wollte er nicht als ein schlechtes Vorzeichen hinnehmen.

      In Vorbereitung auf seine Reise hatte er sich noch am Vortag neu eingekleidet. Bei einem namhaften Herrenausstatter am Kudamm fand er rasch das Nötige.

       Er erwarb nicht nur Hemd, Binder und Schuhe. Er leistete sich zudem einen modischen Seidenanzug.

       Alles nur, um in Frankfurt nicht gleich als einer aus dem Osten aufzufallen.

       Da ging schon mal ein Tausender weg. Seine Zerknirschung unterdrückend betrachtete er diesen jedoch als eine Investition in die Zukunft.

      Die gesuchte kleine Firma befand sich in der ersten Etage eines Hochhauses. Das stammte augenfällig aus den Siebzigern, sah aber noch passabel aus.

      Er verließ den Lift und erblickte direkt gegenüber eine massive Tür. Sie wurde nachts anscheinend durch stählerne Scherengitter gesichert, die jetzt zurückgeschoben waren. Daneben auf der holzfurnierten Wand glänzte ein Messingschild mit dem Firmennamen.

       Er warf einen raschen Blick auf eine klobige Kamera. Die hing unter der Decke und lugte auf ihn herab. Kopfschüttelnd drückte er den Klingeltaster.

       Sogleich ertönte ein leiser Summer, die Tür öffnete sich.

      Nach seinem Eintritt schaute er sich um. Ein geräumiger Geschäftsraum, in dem edle Hölzer dominierten.