Nathalie O'Hara

Das Vermächtnis der Kristallkönigin


Скачать книгу

ich es bereits wieder in meinen Händen. Leider hat sich das Amulett die Welt der Menschen gewählt. Mein Wirkungskreis endet an den Grenzen von Astorien. Ich kann das Amulett nicht mehr zurück holen.", sprach die Göttin leise.

      "Ich werde eine Lösung finden!", versprach Camelia aber die Göttin schüttelte nur ihren Kopf.

      "Wenn das Amulett seine Hüterin verlässt, nimmt es etwas von ihr mit", antwortete sie.

      Noch bevor Camelia antworten konnte, versteinerten sich ihre Gesichtszüge. Jeder Teil ihres Körpers wurde immer schwerer und schwerer, bis sie ihn nicht mehr bewegen konnte. Die rosige Farbe ihrer Haut verwandelte sich in durchsichtigen Kristall und der letzte Atemzug entwich aus ihrem Mund. Nach wenigen Minuten war die Verwandlung vollendet und Lady Camelia war zu einer kristallinen Statue geworden.

      Kapitel 1

      Das Aventurianerkloster

      Es war noch stockdunkel, als sich die schwere Eichenholztür knarrend öffnete. Spärliches Licht drang vom Gang in die kleine Steinkammer und eine krächzende Stimme rief: „AUFSTEHEN IHR FAULPELZE!“.

      Maya zog sich die Decke etwas höher ins Gesicht und öffnete müde ihre hellblauen Augen. Die Tür fiel knarrend ins Schloss und sie wusste, es würden ihr nur zehn Minuten Zeit bleiben um sich anzukleiden und in der großen Halle des Klosters zu erscheinen. Sie streckte ihre Hand aus um die Kerze auf dem Nachttisch anzuzünden und kletterte widerwillig aus ihrem Bett.

      „Sarah? ... Sarah? Sarah steh auf“, flüsterte sie ihrer Freundin zu, die sich mit ihr die Kammer teilte. Aber Sarah drehte sich um und schlummerte friedlich weiter. Maya wusste, die Zeit würde knapp werden und die Strafe, die sie bei unpünktlichem Erscheinen zu befürchten hatten war sehr hart. Sie schlüpfte in ihre schwarze Klosterkutte und zog sich die Holzpantoffeln an. Anschließend versteckte sie artig ihre langen, schwarzen Haare unter einem ebenso schwarzen Kopftuch und versuchte abermals ihre Freundin zu wecken. Aber Sarah schlummerte so tief, dass es unmöglich war, sie aus ihrem Traum zu holen. Die Uhr schlug 5 Uhr als Maya die Halle betrat. Sämtliche Klosterschülerinnen, bis auf Sarah waren schon zum Morgengebet versammelt und hielten müde ihre Bibel in der Hand. Die Bibel! Maya hatte ihre Bibel in der Kammer vergessen! Schwester Theresa betrat den Raum und alle Schülerinnen grüßten im Chor: „Guten Morgen Schwester Theresa!“. Schwester Theresa war die Mutter Oberin des Klosters und lebte schon seit 50 Jahren dort.

      Das Aventurianerkloster war ein altes, ausgedientes Schloss, das vor Hunderten von Jahren seine letzte Blütezeit hatte. Da es sehr spartanisch gebaut war und im Laufe der Jahre ziemlich baufällig wurde, wollte kein Adeliger es für sich beanspruchen und so verrottete es immer mehr zu einer Ruine. Eine Gruppe von Gottesanbetern hatte sich in der altchristlichen Zeit zusammengeschlossen um aus dem Schloss ein Kloster zu errichten. Das Ziel dieses Klosters war junge, elternlose Mädchen auf Gottes Weg zu bringen und zu erleuchten. Das zweite Ziel war, mithilfe dieser kostenlosen Arbeitskräfte einen gediegenen Handel an Obst, Gemüse, Getreide, Gewürzen, Tongefäßen und anderen selbstgemachten Waren zu erwirtschaften. Die jungen Mädchen benötigten nichts, außer einer Unterkunft, Kleidung und freier Kost. Somit konnte sich das Kloster sehr gut selbst erhalten. Im Laufe der Zeit hatte es so viel Gold erwirtschaftet, dass die alten Mönche es mehr oder minder gut umgebaut hatten. Das Hauptaugenmerk galt allerdings den öffentlichen Gebetszentren sowie den Gemächern der Obersten. Den Kirchentrakt zierten christliche Wandmalereien, unzählige Skulpturen, die aus reinem Plattgold gefertigt wurden und sogar der marmorne Altar wies Intarsien aus reinem Gold auf. Die besten Gläser der Stadt hatten aus den einzelnen Fenstern wahre Gemälde gezaubert.

      Es wirkte berauschend wenn das Sonnenlicht durch die wallenden Gewänder von Erzengel Gabriel die Räumlichkeiten der Kirche durchflutete. Selbst der Boden und die Wände bestanden aus geschliffenen Marmorplatten. Die Zimmer der Mönche und der Oberschwestern wurden jedes Mal penibel mit einem Schloss verriegelt, damit keines der Mädchen einen Blick hinein werfen konnte. Man erzählte sich unter den Schülerinnen, dass der Prunk hinter diesen Türen die Schönheit des Kirchentraktes bei Weitem übertraf.

      Die Kammern der Mädchen waren jedoch mit keinerlei Prunk ausgestattet. Sie bestanden aus schlichtem Stein und waren spärlich möbliert. Alte Holzbetten bedeckt mit einer kratzigen Wolldecke und einem Kissen, ein Nachtkästchen sowie je ein Kleiderschrank bildeten das Mobiliar. Ein einziges Fenster ließ etwas Sonnenlicht in die Kammern. Jedoch war es so winzig, dass man es eher eine Luke als ein Fenster war. Man konnte es auch nicht ganz öffnen, sondern nur kippen. Außerhalb dieser kleinen Luke waren dicke Eisenstäbe befestigt, die mehr an ein Gefängnis als an ein Kloster erinnerten. Sie sollten verhindern, dass keines der Mädchen Reißaus nehmen konnte, obwohl dies in Anbetracht der Fenstergröße ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit war.

      Der Klosteralltag verlief immer gleich, egal ob es am Wochenende oder unter der Woche war. Die Mädchen wurden um 04:50 Uhr geweckt und um 05:00 Uhr mussten sie mit ihrer Bibel im Gebetssaal erscheinen. Dort wurde bis 06:00 Uhr das Morgengebet gesprochen und anschließend gab es ein spärliches Frühstück, meistens bestehend aus einer Scheibe Brot mit Marmelade und einem Glas warme Milch. Als einzige Ausnahme galt die Erntezeit, in der viele Früchte im Klostergarten wuchsen. Das unversehrte, „schöne“ Obst wurde verkauft. Aus den restlichen Früchten kochte man entweder Marmelade, backte Kuchen oder servierte es zum Frühstück. Nach dem Frühstück wurden die Mädchen nach einem strengen Plan ihren Aufgaben zugeteilt. Manche wurden in den Garten geschickt um zu jäten, pflücken und säen.

      Andere hatten Küchendienst und mussten der Köchin beim Mittagessen helfen. Es gab die Töpfergruppe, die allerlei Töpfe, Vasen und Krüge für den Verkauf anfertigte und es gab auch den Basteltrupp, der Wollkleidung strickte, schöne Gewänder nähte und aus Leder kunstvolle Armbänder und andere Gebrauchsgegenstände fertigte. Die ungeschickten Mädchen wurden zum Putzen eingeteilt.

      Für diese Gruppe gab es keinen Plan, sie mussten immer putzen, da sie sonst nirgends einsetzbar waren.

      Die talentierten Schülerinnen bekamen täglich Chorunterricht, da diese Mädchen auch für öffentliche Kirchen gebucht werden konnten.

      Jedes Mädchen hatte jeden Tag ihre Arbeit zu erledigen. Um 12 Uhr gab es Mittagessen und am Nachmittag wurden die Arbeiten wieder fortgesetzt. Um 17 Uhr hatten die Klosterschülerinnen Zeit, sich zu waschen und sauber zu kleiden, damit sie für das Abendessen um 18 Uhr und das Abendgebet danach, fertig waren. Von 20 – 21 Uhr hatten die Mädchen Kammerstunde, die als Freizeit diente. Ab 21 Uhr mussten die Bücher weggelegt und die Kerzen ausgeblasen werden, die Bettruhe hatte begonnen.

      Oberin Theresa galt als die strengste aller Nonnen. Klosterschülerinnen, die ihren Dienst nicht richtig oder schlampig verrichtet hatten, wurden hart bestraft. Auch jene, die zu spät zu den vorgeschriebenen Gebetszeiten erschienen, bekamen eine Strafe. Im Kloster galt nur eine Regel und diese besagte, dass man alles richtig machen musste.

      Maya wurde immer nervöser als die Oberin auf ihr Podest schritt. Sie hoffte, dass sie die fehlende Bibel nicht bemerkte, aber Maya wurde enttäuscht.

      „Maya!“, rief Oberin Theresa in strengem Ton.

      „Ja Frau Oberin?“, stotterte Maya.

      „Wo ist deine Bibel?“. Oberschwester Theresa stierte das Mädchen streng an.

      „Entschuldigen Sie bitte Frau Oberin, ich habe sie wohl in meiner Kammer vergessen“, flüsterte Maya ängstlich.

      Wortlos ging Oberin Theresa auf Maya zu, packte sie harsch bei der Hand und führte sie aus dem Saal. Schweigend ließ sich Maya hinterher ziehen. Die Oberin führte sie durch den langen Korridor und blieb direkt vor Mayas Kammer stehen. „Du bewegst dich nicht von der Stelle!“, fauchte sie, ließ Maya auf dem Korridor stehen und verschwand in der Kammer. Maya zitterte am ganzen Körper, sie wusste nicht was mit ihr passieren würde. Sie blickte aus dem Fenster und sah den blauen Himmel an. Einige Wildgänse flogen über das Kloster hinweg und Maya wünschte sich, mit ihnen mitfliegen zu können. Weit weg von diesem Ort, in die Freiheit. Wie schön wäre es wohl fern dieses Klosters, in einem kleinen Häuschen zu wohnen? Sehnsüchtig blickte sie den Wildgänsen