D. G. Berlin

Fakten Wissen Denkblasen?


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kosmologischen Konstante versuchte. Auch das war erfolglos, denn auch mit ihr war das Universum nicht statisch.

      Als Friedmann nachwies, Einsteins Allgemeine Relativität würde zwangsläufig zu einem instabilen Universum führen, unterstellte Einstein ihm zunächst mathematische und logische Fehler. Das musste er wenig später etwas kleinlaut zurücknehmen.

      Dann kam Lemaître und machte Einstein ebenfalls darauf aufmerksam, seine, Einsteins, Gleichungen würden zu einem Universum führen, dass expandiert oder kontrahiert, aber einfach nicht stabil sein kann. Zur Abwechslung bestätigte Einstein Lemaître eine exakte Mathematik, bezichtigte ihn aber, eine abscheuliche Physik zu betreiben. Nicht dass Einstein der störrische Alte war, der den jungen Leuten einfach nicht recht geben wollte. Er war gefangen in einem damals von nahezu allen Physikern mit Überzeugung vertretenen Paradigma des schon immer existierenden Universums. Das verteidigte er, obwohl er in diesem Fall besser seinen eigenen Gleichungen hätte vertrauen sollen.

      Als endlich klar war, dass Friedmanns Gleichungen, Lemaîtres Überlegungen und Hubbles Galaxien-Beobachtungen gut zusammenpassen, wurde die Auffassung vom ewig existierenden Universum aufgegeben. Die Vorstellung von der Expansion des Universums war etabliert.

      Deshalb sah Einstein sich nun gezwungen, die Kosmologische Konstante als seine größte Eselei zu bezeichnen und zurückzunehmen. Das hätte man so stehen lassen können. Da hat er sich halt mal geirrt, der Meister. Aber er hat es ja noch rechtzeitig eingesehen und korrigiert.

      Damit war nur leider ein neues Problem entstanden. Wenn das Universum nicht schon ewig existiert, muss es also eine Geschichte haben; es muss irgendwann und irgendwie einen Anfang genommen haben. Und da drängte sich den Physikern eine nahe liegende und einfache Konstruktion auf: Aktuell wird beobachtet, dass sich fast alle Galaxien voneinander entfernen. Wir sehen das Geschehen wie in einem Film ablaufen; von Jahr zu Jahr, besser von Jahrmillion zu Jahrmillion, werden die Entfernungen zwischen den Galaxien größer.

      Wenn man sich nun vorstellen will, wie dieser Prozess begonnen haben könnte, muss man das, was wir aktuell beobachten, nur umkehren. Gedanklich kann man ja den Film auch rückwärts laufen lassen, also so tun, als würde man sich von der Gegenwart in die Vergangenheit begeben. Die Galaxien nähern sich im Verlauf dieses jetzt rückwärts laufenden Films einander an, kommen sich immer näher, verschmelzen miteinander. Die Sterne in ihnen rücken immer näher zusammen. Da sich der Raum permanent zusammen zieht, wird aus dem heute vielfältig strukturierten materiellen Universum schließlich ein einziger großer Materiebrei.

      Aber wo stoppt denn nun der rückwärts laufende Film? Die Kontraktion geht immer weiter, die Moleküle und Atome werden zerquetscht, auch die Teilchen, die die Atome bildeten, werden zu Opfern des Prozesses. Der gewaltigen Kraft der Gravitation, die eigentlich die mit Abstand schwächste Kraft im Universum ist, aber mit immer kleiner werdenden Distanzen und wachsender Materiedichte allen anderen Kräften zeigt, wer im Universum eigentlich das Sagen hat, widersteht bei einer solchen Materiekonzentration nichts mehr. Selbst die anderen drei Grundkräfte werden gezwungen, sich wieder mit der Gravitation zu einer einheitlichen Kraft zu vereinen.

      Die gesamte Materie des Universums wird auf immer kleineren Raum zusammengequetscht; da ist nur noch eine Kugel mit einer gigantischen Dichte von etwa 10^94 Gramm pro Kubikzentimeter, einer Temperatur von circa 10^32 Grad. Diese Materiekugel, die – wenn wir den Film wieder vorwärts laufen lassen wollen – das Anfangsstadium des Universums repräsentieren soll, wäre winzig. Über ihre Größe kann man Verschiedenes lesen. Sie sei von der Größe eines Fußballs oder einer Melone oder einer Pampelmuse oder einer Kirsche oder einer Erbse gewesen, steht geschrieben. Andere Wissenschaftler machen es spannender und taxieren die Größe des ursprünglichen Feuerballs auf kleiner als ein Atom.

      Die Idee, das Universum habe seine Existenz aus einer extrem dichten und heißen Materiekugel heraus begonnen, wurde erstmals vom Pater Lemaître in die Welt gesetzt. Er bezeichnete den ursprünglichen Zustand als Uratom, verstand darunter aber kein extremst kleines Gebilde, sondern ein „Atom“ mit gewissen stattlichen Ausmaßen.

      Heute wird dem ursprünglichen Zustand nur wenig räumliche Ausbreitung zugebilligt. Und hier beginnen die eigentlichen Probleme, die die Wissenschaftler mit dem Urknallmodell haben. Warum sollen wir denn den rückwärts laufenden Film gerade an dieser Stelle anhalten und wieder umkehren? Klar, so würde sich der Beginn beschreiben lassen und so wird er ja auch häufig beschrieben. Da war am Anfang alle Materie auf kleinsten Raum konzentriert und dieses Gebilde begann sich plötzlich und wie bei einer Explosion auszudehnen. Das kann sich sogar unser so genannter gesunder Menschenverstand gut vorstellen. Etwas wird so gewaltig komprimiert, dass es dem so entstehenden Druck nicht mehr standhält und explodiert.

      An dieser Stelle zum Beispiel kollidiert der so genannte gesunde Verstand auf ganz andere Weise mit der Physik. Was wir uns so einfach vorstellen, können wir uns mit der Physik plötzlich nicht erklären. Warum sollte sich ein Gebilde mit dieser gigantischen Dichte und der daraus resultierenden gigantischen Schwerkraftwirkung oder auch Raumzeitkrümmung plötzlich ausdehnen? Wer oder was hat das ausgelöst? Sollte das superschwere und superheiße Materiebällchen unter der Wirkung der Schwerkraft nicht besser noch weiter zusammenfallen und schließlich im Nichts verschwinden? Wenn wir den Film erst wirklich ganz am Schluss stoppen, um ihn wieder normal laufen zu lassen, haben wir einen sehr präzise definierten Beginn des Universums festgelegt: Das Universum begann seine Existenz – aus dem Nichts!

      Das Universum begann seine Existenz aus dem Nichts?

      Wie kann das ganze Universum mit all seinen Sternen und Galaxien, mit diesen gewaltigen Materieansammlungen und diesem bombastischen energetischen Inhalt aus dem Nichts entstanden sein? Und vor allem: Warum? Wenn es so begann, dann begann es ohne jede Ursache. Im Nichts hat nämlich nichts Platz, nicht einmal etwas, das man als Ursache für Folgendes ansehen könnte.

      Hier möchte ich einen Einschub machen. Kürzlich sah ich einem dieser amerikanischen TV-Wissenschafts-Filme, in denen Wissenschaftler – amerikanische oder solche, die früher mal sowjetische waren, jetzt aber amerikanische sind – der staunenden Öffentlichkeit das Universum erklären wollen. Ein Physiker, jedenfalls wurde er im Film im Untertitel so bezeichnet, wollte die Macht des Nichts demonstrieren. Dazu nahm er ein Blechfass, schloss eine Pumpe an, pumpte Luft heraus und siehe da, das Blech gab nach und das Fass verformte sich.

      Was das mit dem Nichts zu tun hat? Nichts, gar nichts! Das Fass gab nach, als der äußere Luftdruck so viel größer war als der Druck im Innern, dass das Blech dem nicht mehr standhalten konnte. Im Inneren war gewiss nicht einmal ein Vakuum, das ist nämlich so einfach auch nicht herstellbar. Und das Nichts war weder im Fass noch außen herum. Erstaunlich, dass Physiker – und Medienverantwortliche – uns solchen Unsinn zumuten.

      Aber auch bei vielen anderen Physikern und ihren Modellen kann man seit Jahren kopfschüttelnd einen lockeren Umgang mit den Begriffen der Leere und des Nichts beobachten. Das Universum sei aus dem Nichts entstanden, da die Quantenfelder des leeren Raumes ein turbulentes Energiefeld repräsentieren, aus dem heraus Fluktuationen entstehen, die schließlich zum Urknall führten, wird häufig gesagt.

      Das ist ebenfalls Unsinn. Ein leerer Raum ist nicht das Nichts, sondern ein leerer Raum.

      Eine Vermischung der Begriffe Nichts und Leere ist unzulässig. Leere oder Vakuum ist die Abwesenheit von Raumerfüllenden. Ein Gefäß, ein Behältnis, ein Raum ist leer, wenn sich in ihm keinerlei Substanz, nichts Gegenständliches befindet. Wenn sich in einem solchen Raum Felder befinden, kann man ihn schon nicht mehr als leer betrachten. Das ist dann eine Frage der Konvention. Akzeptiere ich Raumerfüllendes nur in Gestalt gegenständlicher Stofflichkeit, dann ist er leer, wenn sich in ihm keine Materiepartikel, also Partikel mit Masse befinden. Aber es ist dann immer noch ein Gefäß, ein Behältnis oder ein Raum und nicht das Nichts.

      Wenn das Universum aus dem Nichts, also der Abwesenheit von allem, entstanden sein soll, dann muss sich das Nichts in ein Etwas gewandelt haben. Und das ist die große Schwierigkeit, zu erklären, warum und wie ein solcher Wandel stattgefunden haben könnte. Quantenfluktuationen scheiden aus, denn sie benötigen bereits Raum und Zeit. Also könnte der allererste Schritt vom Nichts in ein Etwas darin bestanden haben, dass sich Raum und Zeit aus dem Nichts