Michael Stuhr

DAS GESCHENK


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uns, dass wir in dieser Reihenfolge auftreten sollen.

      „Also die eins zuerst?“ fragt Celine unnötigerweise und erntet damit spöttisches Gelächter. Ich kann nicht anders, ich muss grinsen, während ich sie ansehe. Schön, dass nicht nur ich mich blamieren kann. Ich denke, damit sind wir quitt. Celine denkt es wohl auch, denn sie wird ganz rot vor Wut, als unsere Blicke sich treffen.

      Vor dem Vorhang, wird gerade die Lautstärke der Musik heruntergedreht und wir hören, wie der Moderator dem Publikum das erklärt, was wir schon wissen. Dann ist es so weit.

      Gruppe um Gruppe geht und kommt. Das anfängliche, aufgeregte Geschnatter hinter der Bühne ebbt allmählich ab. Zunehmende Niedergeschlagenheit macht sich im Garderobenzelt breit. Die, die zurückkommen, ärgern sich und die, die raus müssen, werden immer mutloser.

      „Mann, was für Scheiß-Fragen, wer soll denn so was wissen?“ Eines der Mädchen lässt sich mit gesenktem Kopf auf einem Stuhl nieder und stützt ihr Kinn in die Hände. Als sie meinen neugierigen Blick auffängt, murmelt sie nur bedeutungsvoll: „Viel Spaß!“

      „So schlimm?“ frage ich sie.

      „Schlimmer!“ ist die erschütternde Antwort.

      Hier, hinter dem Vorhang, hören die Fragen sich für mich gar nicht so schwierig an, aber wenn man auf der Bühne steht, und alle einen anstarren ...

      Felix grinst aufmunternd, als ich sie zweifelnd ansehe. Ich muss wohl ziemlich angefressen wirken, denn sie grinst noch breiter und flüstert: „Komm Lana, wir gehen raus und just do it! Du wirst sehen. Wir schaffen das“, sie breitet mit großen Augen die Arme aus, „und peng sind wir Miss.“

      Plötzlich sind Felix und ich schon dran. Kaum stehen wir blinzelnd im Sonnenlicht, als es schon losgeht:

      „Wieviele Départements hat ...“

      „101!“ rufe ich laut, „96 in Europa, also Frankreich, die anderen fünf in Übersee - Martinique, Guadeloupe, Réunion, Französisch-Guayana und Mayotte.“ Atemlos schaue ich den Moderator an, der mich mit offenem Mund anstarrt.

      „Äh, ja“, sagt der Moderator zögernd und erstaunt in meine Richtung, um dann in der nächsten Sekunde ins Publikum zu brüllen: „diese Antwort ist richtig!“ er hebt bei dem Wort ‚richtig’ die Stimme wie ein Marktschreier. Alle klatschen und mir geht’s richtig gut.

      Alain hockt mit ein paar Jungs vor der Bühne im Sand. Sie klatschen wie wild. Pascal steht etwas abseits und wirft mir einen finsteren Blick zu. - Was hat der denn?

      „Wow, ein Punkt“, flüstert Felix, „woher hast du das gewusst?“

      „Geschi“, antworte ich, „Hausarbeit!“ Ich merke, wie sie mich mit großen Augen anstarrt, aber ich will mich nicht ablenken lassen, jetzt habe ich Blut geleckt.

      „Okay, nun die nächste Frage.“ Der Ton des Moderators wirkt herausfordernd, so als wolle er uns aufs Glatteis führen: „Also“, beginnt er umständlich und sortiert seine Zettel, „Hier die nächste Frage.“

      Nun mach mal hin Alter, Lana will’s wissen! Weiter bitte.

      „Mit welchen Worten beginnt die französische National ...“ Wieder bin ich schneller: „Allons enfants de la Patrie, le jour de gloire est arrivé!“ intoniere ich mit zitternder Stimme und bemerke zu meiner Verblüffung, dass über die Hälfte des Publikums sich erhebt, in meinen Gesang einfällt und die Strophe zu Ende singt. Beifall brandet auf.

      „Zweiter Punkt für Lana“, ruft der Moderator mit übertriebener Betonung auf meinem Namen laut und der Gesang aus dem Publikum verebbt. Alle schauen gespannt auf die Bühne.

      „Nun solltet ihr die Frage wirklich aufmerksam bis zu Ende anhören, rate ich euch!“ Mir einem kleinen Seitenblick streift er mich und ich fühle mich verpflichtet zu nicken. Gleichzeitig wandert mein Blick irritiert über die Zuschauer zu einer der Pinien rechts von der Bühne. Ich dachte, nein eigentlich war ich mir sicher, ich hätte Diego dort gesehen. Aber da ist niemand.

      „Also“, fängt der Moderator an, „3 Katzen fressen 3 Mäuse in 3 Minuten. 100 Katzen fressen 100 Mäuse in wie vielen Minuten?“

      Ich suche mit meinen Blicken immer noch das Publikum nach Diego ab, sehe aber stattdessen nur Alains breites Grinsen vor mir am Bühnenrand. Felix antwortet: „Wenn der Katze drei Minuten für Maus braucht, hundert Katzen wohl drei Minuten für hundert Maus braucht, oder sie fressen nacheinander? Nein! Also: drei Minuten genauso“, während ich noch dabei bin, die Frage zu sortieren, da ich nur mit halbem Ohr hingehört habe.

      „Super! Das ist ein Punkt für Felicitas!“ brüllt der Moderator in das freundliche Gelächter des Publikums hinein, während Felix das Gesicht verzieht. „Warum habe ich dumb dora nicht Felix in der Zettel geschrieben?“ murmelt sie mir verzweifelt zu. Schon kommt die nächste Frage. Dieses Mal zwinge ich mich, aufmerksam zuzuhören.

      „Wie viele Tiere von jedem Geschlecht nahm Moses mit auf die Arche?“ Der Moderator grinst uns triumphierend an. Allerdings fällt seine Miene in Sekundenschnelle in ein einziges Staunen zusammen, als wir beide wie aus einem Mund antworten: „Moses hatte keine Arche, also keine Tiere!“ Felix drückt es zwar ein wenig anders aus, aber es ist eindeutig dieselbe Antwort in derselben Sekunde.

      Der Moderator fängt sich schnell, es ist ja schließlich sein Job. Er ruft ins Publikum „Das ist richtig! Aber jetzt müssen diese beiden wirklich intelligenten Ladies noch eine richtig kniffelige Frage beantworten. Passen Sie auf: Teile 30 durch 1/2 und addiere 10. Was ist die Lösung?“ Verschmitzt grinst er uns an.

      Nach kurzem Überlegen antworten wir beide wieder fast gleichzeitig. Felix ruft „70“, während ich „25“ rufe.

      Felix und ich schauen uns an „Wieso 70?“ brummele ich, während sie flüstert: „Wie machst du die 25 bitte?“

      Der Moderator freut sich. Laut verkündet er: „70 ist natürlich richtig!“ Ich sehe, wie Alain sich unten vor der Bühne aufstöhnend die Hand vor die Stirn klatscht und mache in Gedanken dasselbe. Na, ja, Bruchrechnen war noch nie meine Stärke. Pascal grinst mich offen an. Es wirkt ziemlich spöttisch, geradezu gehässig.

      „Jeweils zweieinhalb Punkte für Lana und Felicitas, meine Damen und Herren. Einen Abschlussapplaus für diese beiden nicht nur hübschen, sondern auch wirklich intelligenten Mädchen!“ ruft der Moderator, so als wolle er uns meistbietend versteigern.

      Willig spendet uns das Publikum Applaus. Ich traue meinen Augen nicht, denn ich sehe meinen Vater doch tatsächlich aufstehen und durch die Finger pfeifen! Meine Mutter klatscht wie eine Wilde und selbst Didier ist hin und weg, so wie er strahlt und klatscht. Wir verbeugen uns und gehen hinter den Vorhang.

      „Puh!“ meint Felix, „das haben wir gut gemacht, haben wir?“ Sie grinst mich an.

      „Haben wir!“ bestätige ich und denke schon mit Grausen an die letzte Aufgabe. Tanzen – Blitzchoreografie - oh Mann!

      Pauline kommt angelaufen und flüstert aufgeregt: „Ihr wart klasse! Was der für ein dummes Gesicht gemacht hat.“ Ohne Luft zu holen fährt sie fort: „Aber nun muss ich euer Make Up auffrischen, setzt euch mal hierher und haltet eure Haare nach hinten. Ihr seht ja ganz verschwitzt aus, da muss ein bisschen Puder her.“ Japsend wendet sie sich dem Schminkkoffer zu.

      „Du darfst den Luft nicht vergessen!“ Felix legt Pauline eine Hand auf die Schultern und wiederholt gespielt besorgt „An den Luft denken, verstehst du?“

      Pauline schaut sie mit großen Augen verdutzt an. „Die Luft?“ Schließlich lacht sie. „Ach so. Ja, ja, klar! Wir setzen uns einfach zum Ventilator, dann werden eure Gesichter schon trocken.“

      „Ich glaube, Felix meint, dass du zwischendrin mal einatmen solltest“, erkläre ich, während sie uns an den Händen zum Ventilator zieht.

      „Das kann ich nachher immer noch“, erwidert Pauline bestimmt, „jetzt müssen wir erst Mal sehen, dass ihr gewinnt.“ Sie dreht sich zu uns um und grinst verschmitzt. „Sonst