Катя Брандис

Feuerblüte III


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zu fassen bekamen. Dann konnten sie ihn nicht nur straffrei verprügeln, sondern sogar töten, und die Stadtwache würde gar nicht daran denken, einzugreifen. Was für eine Ironie – hatte er die furchtbare Außengrenze Dareshs und den brutalen Stadtstaat Rhiannon überlebt, nur um hier auf seinem Heimatterrain erledigt zu werden?

      Konzentrier dich, Jo, dachte er und schloss die Augen, um seine Kräfte zu sammeln. Wenn dieser letzte Versuch nicht klappte, musste er seinen Dolch ziehen und kämpfen.

      „Moment mal“, sagte jemand laut. Eine klare, weibliche Stimme. Jorak erkannte sie sofort und sein Herz setzte einen Schlag aus. Alena!

      Er riss die Augen wieder auf und sah, dass sich hinter den beiden Männern der Luft-Gilde die schlanke Gestalt eines Mädchens gegen den Hintergrund des Fackelscheins abzeichnete. Alena zog ihr Schwert und ging in Kampfpose, alles in einer einzigen geschmeidigen Bewegung. Das Licht glänzte auf der Klinge, auf dem grünen Edelstein im Griff ihrer Waffe.

      „Ihr hattet doch nicht etwa vor, meinem Freund zu schaden?“ Die kalte Wut in Alenas Stimme ließ die beiden Händler zurückweichen. Sie verzichteten auf eine Antwort und verdrückten sich in eine Seitengasse. Doch gleich darauf echote der Lärm von rennenden Füßen, von aufgeregten Stimmen in der Gasse – die vier Feuerleute waren eingetroffen! Sie starrten Alena verblüfft an, dann rissen auch sie ihre Waffen heraus.

      Besser, ich gehe aus dem Weg, dachte Jorak und zog sich in den Eingang eines kleinen Lagerhauses zurück. Keinen Moment zu früh, schon klang ihm das Geräusch von Stahl, der auf Stahl trifft, in den Ohren.

      Es war ein ungleicher Kampf. Alena kämpfte leichtfüßig, mit kühler Präzision, während die vier Männer plump und langsam versuchten ihrer Klinge auszuweichen und dabei selbst irgendwie anzugreifen. Als ihnen klar wurde, mit was für einer Gegnerin sie es zu tun hatten, war es fast zu spät. Nach zehn mal zehn Atemzügen machten sich die Männer taumelnd und fluchend in Richtung der Gasthäuser davon. Jorak musste grinsen. Wetten, dass die Kerle nie jemandem von dem kleinen Zwischenfall erzählen würden? Wahrscheinlich hätte ihnen sowieso niemand geglaubt, dass sie zu viert nicht gegen ein siebzehnjähriges Mädchen angekommen waren. Aber auch er selbst hatte wenig Lust, jemandem von der Sache zu erzählen. Dass er sich von seiner Freundin retten lassen musste, war schon ein wenig peinlich.

      Alena steckte das Smaragdschwert weg und kam besorgt auf ihn zu. „Alles klar mit dir?“

      Jorak nickte, obwohl ihm noch immer die Knie zitterten. „Die Zeit in Rhiannon hat mich wohl unvorsichtig gemacht. So knapp ist es schon lange nicht mehr gewesen. Was machst du eigentlich hier? Du wolltest doch erst in ein paar Tagen nachkommen?“

      „Bedank dich bei meinem Vater“, meinte Alena. „Der hatte irgendwie eine Vorahnung und hat mir geraten früher abzureisen. Erst habe ich drüber gelacht, dann hab ich´s doch getan.“

      Sie nahmen sich in die Arme, küssten sich. Es war ein unglaubliches Gefühl, Alena wieder bei sich zu haben, und Jorak genoss jeden Atemzug. Doch viel Zeit hatten sie dafür nicht. „Besser, wir verziehen uns“, sagte er. „Bevor die Stadtwache doch noch auf die Idee kommt nachzuschauen, was hier los ist.“

      ***

      Ohne sich abzusprechen, schlugen sie eine ganz bestimmte Richtung ein. Hier in Ekaterin hatten sie ein Versteck, das ganz ihnen gehörte und das für sie beide ein magischer Ort war. Alena wusste, dass sich der Haupteingang hier in der Nähe befand, aber um ihn zu erreichen, mussten sie ein stückweit in den Schwarzen Bezirk hinein, die Gegend der Gildenlosen. Alena schauderte, als ihr der Gestank nach menschlichen Ausscheidungen und verrottenden Dingen entgegenschlug. Im schwachen Licht konnte sie die ersten Hütten und selbst gegrabenen Erdhöhlen erkennen. Kein Wunder, dass Jorak das Risiko einging, immer irgendwo anders in der Stadt unterzuschlüpfen.

      „Wo hast du eigentlich Cchraskar gelassen?“, fragte Jorak jetzt leise.

      „Ach, der jagt sich gerade sein Abendessen. Ich schätze, er wird bald wieder auftauchen.“

      Sie fanden die richtige Erdhöhle und krochen hinein. Alena war unruhig. Würde alles noch so sein wie letzten Winter oder hatte jemand das Versteck entdeckt? Vielleicht hatte sich irgendein anderer Gildenloser im Vorraum eingenistet, sodass sie nicht durch die geheime Tür in Keldos ehemalige Gemächer kamen?

      „Keine Sorge“, flüsterte Jorak, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Gleich nachdem ihr aus Ekaterin weg wart, habe ich eine Familie von Iltismenschen gebeten, hier einzuziehen. Seither hat sich niemand mehr hergetraut.“

      Alenas Gedanken wanderten zu Keldo. Der reiche Händler war, wie sich erst nach seinem Tod herausgestellt hatte, ihr Verbündeter gewesen. Ohne sein geheimes Wissen hätten sie und ihre Gefährten den Kampf gegen den Propheten des Phönix nicht überlebt. Und Keldos Kammern, in denen er sich vor der Welt zurückgezogen hatte, waren zu ihrem Versteck geworden. Ob es Keldo Recht gewesen wäre, dass sie und Jorak immer wieder hierherkamen? Bestimmt, dachte Alena. Schließlich ist auch er von seiner Gilde – den Wasser-Leuten – ausgestoßen worden.

      Die Iltismenschen waren gerade auf der Jagd, und so durchquerten Alena und Jorak den Vorraum schnell und öffneten die verborgene Tür. Abgestandene Luft flutete ihnen entgegen. Alena nahm einen Kerzenhalter, rief eine Flamme herab und sah sich um. Sie wanderten durch die prächtigen Räume, in denen sich edle geschnitzte Möbel befanden, die Kissen darauf mit Goldfäden bestickt. Auf den Tischen standen kunstvoll geschmiedete Schalen und Kerzenleuchter. Der große Vorratsraum war gefüllt mit ganzen Krügen voller Wasserdiamanten, Ballen edler Stoffe, Gewürze und seltener Kräuter; in einer Ecke häuften sich Oriak- und Schneehörnchen-Felle.

      „Sieht alles noch genauso aus wie zuvor“, stellte Alena fest. Plötzlich war sie verlegen. In jeder Ecke schienen Erinnerungen zu lauern. Als sie das letzte Mal zusammen hier, in Keldos Versteck, gewesen waren, hatte sie Jorak noch nicht ausstehen können. War sie damals ein anderer Mensch gewesen? Oder er? Ja. Und wahrscheinlich einfach zu blöd, um zu kapieren, dass er jemand Besonderes war.

      Rasch durchsuchten sie den Lagerraum neben der Küche und sortierten mit spitzen Fingern alles aus, was in der Zwischenzeit verdorben war. Zum Glück waren noch genügend getrocknete Kräuter da. Sie brauten daraus einen Krug frischen Cayoral und setzten sich an den großen Tisch im Hauptraum. Jorak nahm seinen Becher in beide Hände und wärmte sich daran. Er ist ganz schön still, dachte Alena. Sie hätte gerne gewusst, was ihm durch den Kopf ging.

      „Ich kann so nicht weiterleben“, sagte Jorak plötzlich. Seine Stimme klang gepresst. Als Alena ihm erschrocken die Hand auf den Arm legte, fühlte sie die Anspannung in seinem Körper.

      „Früher hat mir das nicht ganz so viel ausgemacht“, fuhr er fort. „Ein Ausgestoßener zu sein, mich durchschlagen zu müssen, ständig auf der Hut zu sein. Aber seit Rhiannon ...“

      Alena nickte und musste daran denken, was ihr Vater gesagt hatte. „Auf der anderen Seite der Grenze bist du ein paar Wochen lang ein normaler Bürger gewesen. Wenn du dortgeblieben wärst und dem Rat der Fünf nicht die Meinung gesagt hättest, dann müsste ich mich wahrscheinlich vor dir verbeugen und dich ´edler Herrscher´ nennen oder so was. Und hier ...“

      Sie brauchte nicht weiterzusprechen, der Schreck über den Angriff vorhin saß ihnen beiden noch in den Knochen. Also fragte sie einfach: „Was wirst du tun?“

      Jorak blickte hoch, sah ihr direkt in die Augen. „Gilt dein Angebot noch? Du weißt schon, welches.“

      „Das war kein Angebot, das war ein Schwur. Natürlich gilt er.“ Alena wusste noch genau, was sie ihm in der Felsenburg der Regentin gesagt hatte. Ich schwöre, dass ich dir helfen werde von einer Gilde anerkannt zu werden. Und wenn die Vulkane von Tassos dabei verlöschen, dann sei´s drum. Alle hatten sie für verrückt erklärt. Denn Joraks Mutter gehörte der Luft-Gilde an, sein Vater der Feuer-Gilde – Jorak hatte das Pech gehabt, dass keine der beiden Gilden ihn anerkannt hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Inzwischen war er zwanzig Winter alt. Weit über das Alter hinaus, in dem man sich noch um Mitgliedschaft bewerben konnte.

      „Aber du musst dir überlegen, in welche Gilde du überhaupt eintreten willst“,