Cornelia Rückriegel

Csárdás im Schlosshotel


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Wellness-Paket buchen.“ „Ja, wir sind doch bei weitem nicht ausgebucht, jetzt außerhalb der Saison. Warum buchen Sie ihn nicht ein?“ Verständnislos schaut der Chef seine Empfangsdame an. „Naja, er ist so ein bisschen… also… er passt nicht so wirklich…“ Sie verstummt verlegen. Ferenc erhebt sich. „Na, dann schau ich mir den mal selber an.“ Er betritt das elegante Foyer. Da steht ein Mann, der sich tatsächlich von der üblichen Klientel des Schlosshotels unterscheidet. Er wirkt ungepflegt und ein wenig ordinär. Ferenc hat die Bilanzen im Hinterkopf und sieht die belegungsschwache Zeit vor sich. Auch auf ihn macht dieser Gast keinen guten Eindruck. Aber er ist Hotelbetreiber und kein Sittenwächter.

      „Guten Tag. Ich höre, Sie möchten hier ein Wellness-Paket buchen?“ „Ja, ich hab gehört, dass das hier ein toller Schuppen sein soll. Und da wollte ich mir hier mal n paar Tage gönnen.“ Ferenc verzieht keine Miene. Schauspielerausbildung hat auch Vorteile. „Es ist Ihnen sicher bewusst, dass in einem Etablissement wie dem unseren Vorkasse üblich ist?“ Was selbstverständlich nicht der Wahrheit entspricht, aber in diesem Fall sicherlich angemessen ist. „Ja, klar. Vorkasse. Kein Ding. Ich hab die Kohle, hier guck mal, Meister, hier hab ich alles!“ Und mit diesen Worten breitet der Mann einige Geldscheine vor Ferenc aus. Der überschlägt blitzschnell. Im Moment ist das Hotel in der Nachsaison recht schwach besucht. Erst zum Wochenende wird man wieder Vollbelegung erzielen. Wenn dieser merkwürdige Mensch heute einbucht für maximal drei Tage, dann ist der wieder verschwunden, bis die Stammgäste erscheinen. Und das wäre absolut notwendig, denn denen kann er diesen Kerl nicht zumuten. Er lässt den Herrn einbuchen. Später sitzt er in der privaten Suite und kippt einen Cognac.

      „Ich bin eine Hure“, murmelt er vor sich hin. Seine Frau, vertieft in Geschäftsunterlagen, blickt kurz auf. „Was sagst du?“ „Ich sagte, dass ich eine Hure bin. Ich hab heute einen einbuchen lassen, von dem ich weiß, dass er absolut nicht unseren Gästekreis passt, nur weil ich das Geld brauche. Ich bin eine Hure. Ich verkaufe mich, ich verkaufe unser Hotel an einen, nur weil er Geld hat. Das wollten wir nie.“ Sie klappt den Ordner entschlossen zu. „Jetzt hör mir mal genau zu. Wir führen ein Hotel. Es ist ein hochkarätiges Hotel – auch vom Preisniveau her. Das bedingt schon von sich aus eine gewisse Vorauswahl in Sachen Klientel.

      Aber wenn einer, der eigentlich nicht so richtig in unser Schema passt, mal durch einen glücklichen Zufall zu einem kleinen Extra gekommen ist und dann beschließt, dieses Extra bei uns auszugeben – also, warum sollen wir ihn dann abweisen?“ „Du hast den Kerl nicht gesehen. Der wäre auf dem Kiez besser aufgehoben.“ „Du meinst, der ist kriminell?“ „Naja, so weit will ich nicht gehen. Aber es ist mit Sicherheit nicht das Niveau, das wir hier üblicherweise zu sehen wünschen.“ Sie zieht ihn in eine liebevolle Umarmung. „Ach, Feri, mein Schatz. Sei mal nicht so streng mit dir selbst. Solange dieser merkwürdige Mensch nicht unsere Gäste belästigt, werden wir das einfach aussitzen. Musst halt mal ein Wort mit den Leuten reden, dass sie auch informiert sind.“

      So diplomatisch wie möglich instruiert Ferenc am nächsten Morgen seine Crew. „Der Herr auf Zimmer fünf hat für zwei Nächte eingecheckt. Mit Wellnessprogramm. Also, bitte macht die Termine für Massagen, SPA und so weiter. Wenn aber irgendwelche Sachen vorkommen oder von euch verlangt werden, die nicht im Programm vorgesehen sind, meldet ihr euch umgehend bei mir, ist das klar?“ Bei diesen Worten ruhen seine Blicke besonders intensiv auf den jungen Mitarbeiterinnen des Wellnessbereichs. Diese haben den Wink verstanden. „Alles klar, Chef“, lächeln sie zurück. Kein Gast wird sie am Hintern tätscheln. Dafür wird der Chef sorgen. Immerhin ist dies ein renommiertes Hotel und keine Absteige. Und wehe, wenn so etwas die Chefin erfahren würde. Die kann noch mehr ausrasten als der Chef.

      Der Chefin ist es zuzutrauen, dass sie einen Gast bei solchen Verfehlungen eigenhändig auf die Straße setzt. Aber der Herr mit dem treudeutschen Aussehen und dem melodisch klingenden Namen benimmt sich zumindest im Schlosshotel untadelig. Er hat ein loses Mundwerk und ein gewöhnungsbedürftiges Auftreten, das seine mangelnde Kinderstube verrät, aber zudringlich wird er nicht. Immerhin. Dafür, dass es seine erste und einzige Gelegenheit ist, in einem solch hochkarätigen Hotel abzusteigen, benimmt er sich sogar relativ unauffällig. Hier im Schlosshotel verbringt er einige der schönsten Tage seines Lebens.

      Vatersorgen

      „Du wirst dich nicht mehr mit diesem Menschen treffen, hast du mich verstanden?“ Sie sieht ihn verstockt an. „Ob du mich verstanden hast, will ich wissen“, wird Ferenc jetzt laut. „Gehört hab ich dich. Verstehen kann ich dich nicht“, gibt sie schnippisch zurück. Er fährt sich mit einer Hand durch die ohnehin nicht mehr akkurate Frisur. „Julischka, ich weiß nicht, was mit dir los ist. Aber das, was du in den letzten Wochen hier abziehst, ist einfach unterirdisch. Deine Mutter ist einem Nervenzusammenbruch nahe, weißt du das eigentlich?“ Bisher zwingt er sich zu Ruhe. Als sie weiterhin schweigt und betont an ihm vorbeischaut, reißt ihm der Geduldsfaden. Er schreit sie an: „Weißt du das?“ Sie zuckt die Schultern. „Sie sollte das halt alles nicht so ernst nehmen.“ „Nicht ernst nehmen? Nicht ernst nehmen, wenn unsere Tochter mit einem ehemaligen Strafgefangenen und verurteiltem Dealer rumzieht? Ja, glaubst du denn, dass du uns scheißegal bist? Wir machen uns Sorgen um dich, kapierst du das nicht?“ „Sorgen? Ihr macht euch Sorgen um mich? Da muss ich ja mal lachen. Ihr macht euch doch höchstens Sorgen, dass der Ruf dieses ach so tollen Hotels Schaden nehmen könnte, wenn die Tochter des Hauses nicht so spurt, wie ihr Spießer es erwartet.“ Es zuckt ihm in den Händen. Sich zur Ruhe zwingend versenkt er die geballten Fäuste in den Hosentaschen. Das hat keinen Sinn. So geht es nicht.

      Er geht zum Schrank, gießt sich einen nicht zu knapp bemessenen Cognac ein. Sie beobachtet ihn lauernd. „Ach, das ist dann deine Antwort. Atti ist der Böse, weil er kokst. Aber ihr haut euch den Alk rein bis zum Abwinken. Das ist okay, oder wie?“ Nur mühsam bewahrt er Ruhe. Er muss unbedingt versuchen, Zugang zu ihr zu finden. Sonst verliert er sie. Das steht ihm als deutliche Bedrohung vor Augen. „Julischka…“, will er beginnen. Da fällt sie ihm schon ins Wort. „Mein Name ist Julia. Du kannst auf die niedliche Kleinmädchenanrede verzichten.“ Das verdaut er mannhaft. „Ja, du hast Recht. Also, Julia, ich möchte einfach ein vernünftiges Gespräch mit dir führen.“ „Vernünftig? Klaro. Bei euch geht ja alles nur um Vernunft. Und um die Zukunft. Und um Geld. Ihr widert mich an.“ „Bisher hast du dich nicht beschwert, dass das Geld, das deine Mutter und ich hier verdienen, auch dir zur Verfügung steht“, erinnert er sie. „Bisher hab ich das ja auch alles noch nicht so klar gesehen. Atti hat mir die Augen geöffnet.“ Er wünscht sich mehr denn je seine Frau an seine Seite. Vielleicht könnte eine Mutter hier die richtigen Worte finden. Vielleicht.

      Dieses junge Mädchen, das da vor ihm im Sessel kauert, sprungbereit, aggressiv, keinem guten Wort zugänglich – ist das noch seine Julischka? Seine so zärtlich geliebte Tochter? Doch. Sie ist es. Und für sie und für seine Liebe zu ihr nimmt er nochmals den Kampf auf. „Julischka – entschuldige – Julia. Hör mich doch wenigstens an. Ich weiß nicht, was dir dieser Atti für wirre Gedanken in deinen Kopf gepflanzt hat. Aber denk doch einfach mal darüber nach, was du aufs Spiel setzt, wenn du dich mit solchen Leuten abgibst.“ Sie erwidert kalt: „Du redest da gerade von meinen Freunden.“ „Ja, deine Freunde. Die dich kaltlächelnd für den nächsten Schuss verkaufen würden.“ Sie springt auf. „Du hast kein Recht, so von Leuten zu reden, die du nicht mal kennst!“ „Ich muss sie auch nicht kennen. Ich kenne das Muster, und das läuft immer gleich ab. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du für deine Freunde noch einen Pfifferling wert bist, ohne mein Geld?“ „Na, da haben wir´s ja wieder. Geld, Geld, Geld. Das ist dir das Wichtigste. Du kapierst nicht, dass es andere Werte im Leben gibt, du bornierter Spießer!“ Er wundert sich, dass er immer noch ruhig bleiben kann. „Nun, das können wir ja ausprobieren. Ich werde dir die monatlichen Zuwendungen sperren. Ich sehe nicht ein, dass ich mit unserem Geld eine Bande Drogensüchtiger finanziere. Und dann werden wir sehen, wie weit diese große Freundschaft noch reicht.“ Sie faucht ihn wütend an: „Ach, steck dir dein Kleingeld doch an den Hut! Wir lieben uns, Atti und ich. Und ich lasse mir das von euch nicht kaputtmachen!“ „Dann stell doch diese große Liebe mal auf die Probe!“ „Ja. Ja, das werde ich auch. Aber es ist keine Probe. Ich weiß, dass wir zusammengehören. Du kapierst es nur nicht. Aber ich