Stefan Frank

Der Kontrakt des Söldners


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Riecher!“

      „Ach ja?“

      „Ich komme in letzter Zeit nicht viel herum, lege offen gestanden auch gar keinen großen Wert mehr darauf in meiner Verfassung. Aber dass ich für die Ursulalegende unterwegs bin, wird jeder noch so skeptische Beobachter glauben. Ohne Verwunderung. Worauf es ankommt. Wir haben nämlich einen Notfall, von dem niemand erfahren darf. Und Sie als Außenseiter sind da unser Glück im Unglück. Nur Bucholtz, Sie und ich wissen Bescheid.“

      „Verzeihen Sie, aber wäre es nicht bequemer, man gäbe mir ein Handy mit Prepaidkarte? Nicht, dass ich den Dingern trauen würde.“

      „Bleiben Sie dabei“, sagte Lank. „Im Augenblick bestellt in Köln niemand auch nur eine Pizza per Handy, ohne dass sein Gespräch aufgezeichnet und durch ein Sieb von Algorithmen gequetscht wird. Mehrfach. Und wie gesagt: Unser Problem darf nicht bekannt werden. Nicht mal unsere eigene Security weiß Bescheid.“

      „Weil sie nichts taugt?“

      „Bilden Sie sich keine Schwachheiten ein“, pöbelte Lank. „Weil wir keine Gerüchte in die Welt setzen dürfen!“

      „Was soll ich tun?“

      „Wenn wir das genau wüssten, wären wir beträchtlich weiter!“

      „Aha“, sagte Zett.

      „Monica ist verschwunden, Frau Ricasoli, Karl Bucholtz’ Lebensgefährtin.“

      Zett grinste. Bei NBK hatte er zwar vorwiegend Personenschutz gemacht, doch auch das Management von Beziehungskrisen zählte zum Leistungsprofil des Unternehmens.

      „Grinsen Sie nicht so schmierig!“, fuhr ihn Lank an. „Karl und Monica sind ein glückliches Paar, ein eingespieltes Team. Sie würde niemals einfach so verschwinden, und ganz bestimmt nicht jetzt, bei Konferenzbeginn.“

      „Wer konferiert mit wem worüber?“, fragte Zett.

      Lank überging die Frage. „Entweder hatte sie einen Unfall, oder sie wurde, was wir befürchten, entführt. Es heißt, Sie kennen sich mit Geiselnahmen aus?“

      „Was denn jetzt? Ist Frau Ricasoli in der Gewalt von Geiselnehmern – oder hat sie sich den Fuß verknackst und wartet in der Notaufnahme?“, fragte Zett.

      „Karl hat seit fünf Tagen nichts von ihr gehört.“

      „Ihre Wohnung?“

      „Keinerlei Spuren. Die Reise war auch nicht spontan. Sie hat den Wagen voll tanken lassen, um eine Freundin zu besuchen. Das Fahrzeug wurde nahe der Wohnung dieser Freundin gefunden, verschlossen und leer. Der Besuch fand nicht statt. Und Sie dürfen getrost davon ausgehen, dass Polizei und Krankenhäuser uns umgehend informiert hätten.“

      „Wo steht das Auto?“

      „Kempen, Kleinstadt am Niederrhein.“

      „Als ich Herrn Bucholtz auf Torcello traf, hatte er eine Leibwache. Ich schließe daraus, auch Frau Ricasoli wurde bewacht?“

      „Sie hätte Personenschutz haben sollen, pfeift aber manchmal auf das Protokoll. Das hat sie von Karl – und mir, fürchte ich.“

      „Bekennerschreiben? Forderungen?“

      „Negativ.“

      „Herr Lank! Bitte!“

      „Ja ... ich muss wohl auspacken“, seufzte Lank. „Zunächst einmal, und das ist von nicht zu überschätzender Bedeutung, wissen von der Sache nur Karl, ich und Sie.“

      „Und Frau Ricasoli. Und, falls vorhanden, die Entführer.“

      „Wir brauchen einen Profi, keinen Klugscheißer, Herr ... Thomas Zottnow!“ Zett schluckte. „Wir sind eine international tätige Organisation mit einer Handvoll über die Welt verstreuter Partnerorganisationen. Nennen Sie uns politische Lobbyisten, robuste Think Tanks, ganz egal. Manchmal ziehen wir alle am selben Strang. Manchmal jedoch – und das ist leider hier der Fall – vertreten wir kontroverse Positionen. Meine Gruppe gilt zurzeit als halbwegs neutral in allen strittigen Punkten. Darum bat man uns, den Tagungsort zu stellen und eine Art Friedenskonferenz zu moderieren. Wir sollten vielleicht das Haus verlassen, was meinen Sie? Ich glaube, man will Feierabend machen!“

      Im Aufzug nahm er den Faden wieder auf. „Drei Bruderräte haben ihre obersten Chefs nach Köln geschickt, um zu verhandeln. Das sind misstrauische Leute, Herr Zett, Leute, die stets um ihre Sicherheit besorgt sind. Deshalb mussten wir Geiseln stellen.“

      „Klingt ganz wie Business as usual in einer globalisierten Welt.“

      „Halten Sie gefälligst das Maul und lernen Sie“, knurrte Lank. „Unsere Geiseln mussten halbwegs gleichrangig sein mit unseren Gästen, und da wir nicht nur aus Chefs bestehen, blieb zu entscheiden: Geht der Chef auf Reisen, und sein Stellvertreter moderiert die Konferenz, oder umgekehrt? Aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, ging unser Chef auf Reisen. Was soll’s, wo wir schon mal so weit sind: Unser Chef ist eine große Führungspersönlichkeit aber ein schlimmer Dickkopf. Vermitteln kann er nicht. Er würde gern, bildet sich sogar ein, er könnte, aber er kann es nicht. Unter seiner Leitung geriete die Konferenz zum Fiasko. Darum haben wir diskret dafür gesorgt, dass der Stellvertreter die Konferenz moderiert. Der ist geschmeidig und kann vermitteln, und dieser Stellvertreter ist ...“

      „... Karl Bucholtz“, sagte Zett.

      Die Garderobiere kam hinter ihrer Theke hervor und legte liebevoll eine Pelerine um Lanks Schultern und das obere Gestänge des Rollstuhls. Lank nickte. „In der Tat. Somit dürfte klar sein, was wir befürchten.“

      „Nicht ganz“, sagte Zett.

      „Wenn Monica entführt ist ... und die Entführung wird bekannt, ist Karl draußen. Dann kommt Czartoryski, übernimmt die Konferenz und fährt den Karren an die Wand. Folglich darf nicht bekannt werden, dass Monica entführt ist, um keinen Preis. Ist das klar?“

      „Ich hab’s gehört“, sagte Zett, „aber ich versteh’s nicht. Nehmen wir an, Frau Ricasoli wurde tatsächlich entführt – kriegt Bucholtz da nicht Herzflattern? Wie leitet er unter diesen Umständen die Konferenz?“ Lank schwieg, was daran liegen mochte, dass ihm nun drei flache, schiefe Treppenstufen bevorstanden. Sein Hightechrollstuhl bewältigte das Problem jedoch umstandslos. Summend fuhr er kleine Stützräder aus und beförderte Lank Stufe um Stufe abwärts auf Straßenniveau. Dann schoss ein schwarzer Kastenwagen um die Ecke, bremste vor Lank und klappte eine Rampe aus. „So, wie Sie das berichten“, sagte Zett, „liegt der Verdacht nahe, dass nicht irgendwer Frau Ricasoli entführt hat, sondern eine Partei, die an der Konferenz teilnimmt. Und unter diesen Umständen kann Ihr Freund unmöglich vermitteln. Er ist befangen, spätestens, sobald die Entführer ihm Forderungen stellen.“

      „Lassen Sie das unsere Sorge sein“, sagte Lank.

      „Ich verstehe immer noch nicht, was Sie von mir wollen.“

      „Das ist doch sonnenklar: Sobald wir wissen, wer Monica wo festhält – führen Sie die Befreiung durch, und zwar ohne unsere Sicherheitsabteilung, denn wenn wir die einschalten, erfährt unser Chef davon und entzieht Bucholtz die Konferenzleitung.“

      „Sie müssen ja wissen, was gut ist für Ihre Konferenz“, sagte Zett und konnte sich nicht verkneifen zu ergänzen: „Und für Frau Ricasoli.“

      Fast sah es aus als nickte Lank: „Die Außenseiterlösung.“

      „Aber ich bin kein Unbekannter mehr für Ihren Apparat. Denken Sie nur an die Schnitzeljagd durch Venedig! Eure Frau ... Peeters? Hieß sie nicht so?“

      „So heißt die Dame in der Tat – und kennt Sie als Kunsthistoriker, Herr Doktor Zett. Halten Sie uns nicht für Amateure!“

      „Ich geb mir Mühe“, sagte Zett, der eine Person befreien sollte, die möglicherweise gar nicht entführt war, deren Entführer sich nicht meldeten und deren Aufenthaltsort unbekannt war. „Das ist der unmöglichste Job, den ich je hatte.“

      „Nun –