Stefan Frank

Der Kontrakt des Söldners


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Kopf der Treppe trat ihm Dusch in den Weg: „Successor!“

      „Sag mal, wie redest du mit mir? Ach übrigens erzähl mal, wieso du ausgerechnet das Tischtuch gerettet hast, als sie unser altes Archiv stürmten!“

      „Ich glaube, das war damals in der Heißmangel. Aber spar dir die Ausflüchte. Die Praktikumstelle für Sabine – meinetwegen, aber meine Tochter kann nicht Geld von dir annehmen!“

      „Sie ist eine brillante junge Frau. Trotzdem putzt sie Richard die Spucke vom Kinn, während wir hier zu Gast sind. Dafür kann sie von mir annehmen, was immer sie will, zumal sie in ein paar Wochen volljährig wird ...“

      „Karl ...!“

      „Franz, deine Tochter ist stinksauer. Sie fühlte sich schon als eine von uns, da trug sie noch Zöpfe mit Schleifchen. Jetzt aus der Schusslinie genommen zu werden, empfindet sie als Missachtung, als Respektlosigkeit. Sie kann ein bisschen Kompensation gut gebrauchen.“

      „Aber meine Frau ...“, setzte Dusch an und wurde gleich unterbrochen.

      „Deiner Frau, Herr Dusch, würde ich niemals einen Briefumschlag mit Taschengeld anbieten.“

      „Mit dir ist ja nicht mehr zu reden!“, maulte Dusch.

      „Du redest doch die ganze Zeit. Du überzeugst mich nur nicht.“

      „Karl, wo ist Monica?“ Inzwischen hatten sie die Terrasse erreicht.

      „Und siehe: das Imperium im Streitwagen“, wich Bucholtz aus, als der Neuweltrat tatsächlich in drei noch gar nicht für den Import freigegebenen Hummern über den Kies heran rauschte, als wären dies die Straßen Bagdads. „Das werden sie mir büßen“, flüsterte Bucholtz, während er zum mittleren Geländewagen schritt, die Tür des Fonds aufriss und überschwänglich „Rita!“ schrie. Die Dame in den besten Jahren schoss wie ein Kugelblitz an Bucholtz vorbei und fiel Franz Dusch um den Hals, mit dem sie Erinnerungen vom Kölner G8-Gipfel teilte. Danach erst begrüßte Rita Byron Bucholtz. Die übrigen Begrüßungen fielen recht kühl aus, jeweils ein Händedruck, Kopfnicken und der Vorname. Man kannte sich und hatte einander oft betrogen.

      Es herrschte eine sonderbare Stimmung unter der Villa Dusch im römischen Getreidespeicher, verschüttet von den Sedimenten der Stadt. Die Speziallasur auf dem antiken Rautenmauerwerk optimierte das Tageslicht des winzigen verspiegelten Lichtschachts. Heftig debattierten Peeters, Idrisi und Arnavut. Sie standen an der Konstruktion aus Glas und Aluminium, die eine großzügig bemessene Ecke der Halle als Legatenbüro vom Konferenzraum abteilte, während die Ressorts Nachfolge, Strategie und Auswärtiges in der entlegensten Ecke tuschelten, jenseits des runden Tisches.

      Kaum jedoch traf Amerika ein – ohne Meckern vor der Sicherheitsschleuse – schloss sich die Front der Muslime. Peeters blieb allein an der Glaswand. Nicht, dass die Mitarbeiter zu Idrisi gekommen wären, nein Idrisi musste sich schon zu seinen Leuten bequemen.

      Frank Rawdon, beim Neuweltrat zuständig für Auswärtiges, intern Lobbyist des evangelikalen Bible Belt, wollte die Anwesenheit des offen schwul lebenden Sicherheitspräfekten Arnavut nicht hinnehmen. Arnavut quittierte das Geifern des christlichen Fundamentalisten achselzuckend – er war von Assad Schlimmeres gewohnt. Bucholtz jedoch erklärte, er werde unter keinen Umständen eine Konferenz eröffnen, deren Teilnehmer sich nicht zumindest begrüßten, und so kam endlich doch noch ein flüchtiger Händedruck zwischen Rawdon und Arnavut zustande. Danach eilte Bucholtz wieder hinauf, in der irrigen Annahme, oben warteten bereits erboste Inder, weshalb er gar nicht mehr mitbekam, wie Rawdon seine Hand mit einem feuchten Hygienetuch umständlich säuberte.

      Es nieselte. Als Bucholtz in den Park hinaustrat, sickerten augenblicks fünf Schwarze Hände aus Gebüschen und den Türen der Nebengebäude, um den Raum zwischen Bucholtz und den fremden Chauffeuren zu decken – danach erst wurde der Regenschirm besorgt. Der Halbmond war überpünktlich gewesen, die Neuwelt pünktlich auf die Minute, die Inder jedoch waren nun fast eine halbe Stunde über der Zeit – obwohl doch alle drei Delegationen im selben Hotel logierten. Bucholtz rief sich zur Ordnung. Wenn was passiert wäre, hätte er davon erfahren. Also trödelten die Inder absichtlich, wollten damit den Grundkonsens zwischen Indien und Pakistan relativieren, der letzte Woche auf internationalem Parkett besiegelt worden war – oder sie fühlten sich so sehr als Gewinner, dass sie deshalb alle anderen warten ließen. Wenig später erwies sich ein simpler Auffahrunfall vor der Hotelgarage als Erklärung.

      Radjiv Bhawabhuti, sein Stellvertreter Salman Tyagaraja und die Präfekten für Strategie, Sicherheit und Auswärtiges – Sandjai Bharati, Radjiv Shastri und Morarji Goswami hatten zumindest den Anstand, in mäßigem Tempo und gepanzerten Bentleys vorzufahren und Bucholtz würdevoll zu begrüßen, obwohl der nur Tyagaraja näher kannte, seinen Kollegen und Leidensgefährten im Amt des Nachfolgers, während alle anderen bloß flüchtige Gesichter von flüchtigen Konferenzen waren. So bedeutsam war die Rolle noch nicht, die der Indienrat auf der Weltbühne spielte. Er hatte nach der Unabhängigkeit auf Isolationismus gesetzt, vertrat jedoch inzwischen gut eine Milliarde Menschen, war effizient organisiert und musste natürlich gefragt werden, sobald es – wenn auch nur am Rande – um Kaschmir ging. Deshalb waren die Inder eingeladen.

      Wiederum gab es an der Sicherheitsschleuse kein Problem. Auch die Inder zeigten Verständnis, dass die Gründer im Konferenzraum Hauen und Stechen vermeiden wollten. Doch bei der Begrüßung zwischen nationalistischen Indern aller möglichen Religionen und dem muslimischen Halbmondrat waren dann etliche Hürden zu überwinden.

      Zum Schluss ging es noch um die Sitzordnung. Halbmondrat und Neuweltrat hatten sich so um den runden Tisch platziert, dass auf jeder Seite drei Plätze frei blieben. Es kostete Bucholtz Mühe, die beiden Hauptkontrahenten noch einmal zu bewegen, sodass auch die Inder im Block zu sitzen kamen, während, ihnen gegenüber, Bucholtz zwischen den Chefs von Halbmond und Neuwelt präsidierte. Er schickte Peeters und Dusch vor die Tür. Peeters hatte ihm wirklich einen Schemel an den Platz gestellt, einen Stuhl ohne Rückenlehne oder Armstützen. Also stand er lieber gleich auf und eröffnete die Konferenz mit den Worten:

      „In der Nähe von Bagdad wurden heute sieben spanische Geheimdienstler ermordet. Die türkischen Behörden versuchen, die Anschläge von Istanbul vor laufender Kamera zu rekonstruieren. Nachdem wir nun seit Montag die Vorbereitungsphase glücklich hinter uns haben, müssen wir endlich reden. Zunächst bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für das Grußwort des Princeps.“

      Das würde heikel! Die erste Einstellung zeigte das Hauptquartier der Gründer. Adam Bonaventura Czartoryski im Saal der dreihundert Büsten, den die meisten Anwesenden kannten. Man hatte sich darauf geeinigt, nicht zu skypen – wer wollte schon voraussagen, was böse Menschen einer Geisel in den Tee taten, bevor man sie skypen ließ? Also wurde jetzt eine DVD abgespielt, die aufgezeichnet worden war, kurz bevor Czartoryski seine Geiselhaft antrat. Das bürgte für eine gewisse Authentizität:

      „Liebe Rita, meine Freunde, gestattet mir ein paar Worte zur Begrüßung. Zunächst darf ich meinen Successor Karl Bucholtz nochmals als Moderator der Konferenz bestätigen. Er wird sich gemeinsam mit euch um das operative Tagesgeschäft kümmern. Das sicherheitspolitische Hauptthema jedoch behalte ich mir persönlich vor, obwohl ich körperlich abwesend bin. Ich spreche hier von der gefährlichen Entwicklung, dass nicht nur der uniformierte und bewaffnete Staatsbürger eine immer kleinere Rolle im modernen Krieg spielt – womit die demokratische Kontrolle des Krieges erodiert. Nein, vielmehr wird Krieg durch die fortschreitende Technisierung, etwa auf dem Gebiet computergesteuerter Lenkwaffen, geradezu entmenschlicht. Und dabei dürfen wir uns glücklich schätzen, wenn wir nicht noch in unserer Lebensspanne Zeugen der Vollendung militärischer Gentechnik werden, nicht im Sinne biologischer Waffen, sondern bei der Züchtung menschlicher Hybride als Superkämpfer.

      Schon unsere Gegenwart gibt mehr als genug zu denken. Blackwater etwa, das vor 9/11 eine läppische Hunderttausend-Dollar-Firma war, überlegt heutzutage, viele hundert Millionen weiter, ihr Logo, die Bärenpranke im Fadenkreuz, durch ein Koalapfötchen zu ersetzen. Wessen bedarf es noch, um die Diskrepanz zwischen der Gefahr und ihrem medialen Spiegel als obszön zu entlarven?

      Wie Papst Johannes Paul II. am neunten