Stefan Frank

Der Kontrakt des Söldners


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welchem Holz sind die Tischplatten? Buche wäre ein diplomatisches Fiasko ... da fällt garantiert irgendwem mein Name ein und er unterstellt mir alberne Machtspielchen: Schaut her, ihr sitzt am Tisch von Karl Bucholtz, dem großen Vermittler.“

      „Kunststoffüberzogenes Leichtmetall in Kiefernoptik“, sagte Peeters mit bemühtem Ernst. „Gediegeneres war nicht aufzutreiben. Dusch hat aber noch das Prunktischtuch des alten Kölner Archivs, dezent vergilbtes Leinen mit seidengestickten Wappen am Saum.“

      „Das wird gehen“, sagte Bucholtz. „Und jetzt holen Sie uns bitte zwei schöne doppelte Espressi und wir schließen Frieden!“

      „Ich mach keine Kopien von Ihren Faxen!“

      „Weiß ich doch“, sagte Bucholtz, wobei er dachte: Hoffe ich zumindest gegen jeden Instinkt.

      „Und ich habe ganz bestimmt Frau Ricasolis Anruf nicht mit Absicht abgewürgt.“

      „Klar.“

      Einen Moment zögerte sie, offen Interesse an Bucholtz’ Privatleben zu bekunden, aber dann fragte sie mit dem Unterton der Besorgnis: „Chef?“

      „Hm?“

      „Sie haben doch seitdem noch mal mit ihr telefoniert?“

      „Ich will meinen Espresso!“, schnappte er.

      Das Kölner Archiv war wirklich nicht optimal auf die Konferenz vorbereitet, doch ganze fünf ehrwürdige Provinzialarchive wurden zurzeit umgebaut, und das Große Archiv in Venedig kam schon gar nicht infrage als Tagungsort. Die Gründer hatten Geiseln stellen müssen, mehr Geiseln als jemals zuvor. Für das zweifelhafte Privileg, die verfahrenen Gespräche nach dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak zu moderieren, weilte im Gegenzug der Chef des Rates, Princeps Czartoryski, als Gast bei den Indern. Strategiepräfekt Samjatin und Personalpräfekt Rodil wurden in Alexandria vom Halbmondrat bewirtet, während Finanzpräfekt Polignac und Archivpräfekt Manini am Sitz des Neuweltrates zankten, ob ihr Spiel nun Boule hieß oder Boccia.

      Da wurde es zur Prestigefrage, dass nicht zugleich die Führungsspitzen konkurrierender Räte sich einnisteten in der Zentrale der Gründer. So war die Wahl auf den Tagungsort Köln gefallen, das in der Auswahl am repräsentativsten, sichersten und bequemsten erschien – jedenfalls vor den Querelen um die Sitzordnung. Bucholtz sollte moderieren. Er war derjenige, der nach allgemeiner Übereinkunft das Wort erteilte und entzog. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, hatte er angeboten, die Konferenz von einem Schemel ohne Lehne zu moderieren, als demütiger Knecht des Kompromisses. Doch nun schoss der Halbmondrat quer und wählte zum Sprachrohr ausgerechnet Assad, den Führer der Islamistenfraktion. Blieb abzuwarten, ob Ahmed Arnavut, der Sicherheitschef des Halbmondes, Assad auch diesmal wieder zur Räson brachte. Vielversprechend war das alles nicht, aber es gab nur diesen einen Termin. Scheiterte der, dann träfe das Spitzenpersonal der Verhandlungspartner erst gut ein Jahr später erneut aufeinander, bei der Jahrfünftkonferenz aller Räte, wobei dann noch vier weitere Parteien mit am Tisch säßen, jede mit ihren eigenen Interessen und Empfindlichkeiten.

      Peeters brachte die Espressi und meldete, dass sechzehn Schwarze Hände unter der Leitung des Kölner Legaten Franz Dusch Tischelemente abluden und Folierungen aufschnitten. In Gedanken musterte Bucholtz seine Truppen: Er hatte neunzig Schwarze Hände in Köln zusammengezogen, drei Schichten zu je dreißig Mann. Abzüglich sechzehn machte das im Augenblick vierzehn Mann in Haus und Park. Das schien vertretbar.

      „Er muss den Möbelpackern Trinkgeld geben und ihnen klarmachen ...“

      „Dusch erzählt ihnen, hier feiere der Vorstand der Cäcilia Wolkenburg“, sagte Peeters und schlürfte den Rest ihres Espresso, nachdem sie die Tasse geschwenkt hatte, um ja keinen Krümel Zucker am Boden zu lassen.

      Der rituelle Espresso war ein Moment des Friedens im ewigen Gezänk des Successors mit seiner Assistentin, die sich so dumm gar nicht anstellte, wie Bucholtz oft lästerte, wohl wissend, dass dies kein feiner Zug von ihm war. Doch erstens hatte der Princeps ihm Peeters gegen seinen Willen aufgedrängt – Bucholtz hatte damals Valentin Boduvak schon ernannt und musste ihn vor den Kopf stoßen, um auf Czartoryskis Geheiß für die ehemalige New Yorker Legatin einen Posten in der Zentrale zu schaffen. Zweitens jedoch – und unter diesem Fluch hätte auch Boduvak gelitten – sah Bucholtz bei jeder Handreichung durch Peeters hindurch auf seinen angeschossenen Freund Richard Lank, der ihm vor seinem Wachkoma in derselben Funktion gedient hatte. Heute saß Lank im Rollstuhl. Er konnte wieder klar denken und sprechen, aber dem Job des Majordomus war er nicht mehr gewachsen.

      „Geben Sie her, ich bring die Tassen hoch“, sagte Bucholtz, als das erste Achtel Tisch in der Sicherheitsschleuse prompt den Alarm auslöste.

      Auf dem Flur zur Kaffeeküche traf er den Legaten mit seiner Tochter. Sabine Dusch schnitt Bucholtz schon seit Tagen, weil sie und ihre Mutter für die Dauer der Konferenz in ein Hotel umziehen sollten.

      „Immer noch zum Praktikum nach Vancouver?“, fragte Bucholtz.

      „Wer will das wissen?“

      „Ein durch und durch korrupter Mensch.“ Er hielt ihr den von Peeters bestückten Umschlag hin und verschwand im Bad, bevor Vater Dusch Protest einlegte.

      Er brauchte die heißkalten Bäder. Peeters mochte kickboxen oder joggen, bis ihr die Zunge zwischen den Turnschuhen schleifte. Franz Dusch pflegte die Nerven mit Qui-Gong. Bucholtz jedoch schwor auf die volle Wanne, bis Oberkante Unterlippe kochendheiß, danach eiskalt, bis er krebsrot vor sich hin schnatterte, dann wieder heiß. Das half. Nicht gegen die Furcht – gegen Furcht half nur bewusstes Atmen, aber doch gegen mindere Übel wie Schlafentzug. Heute tauschte er viermal Wasser aus, bevor er, immer noch in der Wanne, die Memos der Fachressorts überflog, wobei ihm der Dampf die akkurat gehefteten Papiere ruinierte. Danach kam das Rasieren ohne Spiegel, vorsichtig längs der Narben.

      Beim Binden der Krawatte sah er durch ein rundes Fensterchen, wie Dusch Frau und Tochter zum Parktor chauffierte und allein den platanengesäumten Weg zurück trottete, mit gesenktem Kopf. Kaum war Dusch im toten Winkel verschwunden, geriet die Wachmannschaft am Tor in Wallung, und Bucholtz eilte hinunter zur Auffahrt.

      Mit Bremsspuren im Kies kamen die drei Mercedes des Halbmondrats zum Stehen, und Idrisi polterte los: „Successor, man behindert unsere Männer bei der Pflichtausübung!“

      „Ihr Begleitschutz hat hier keine Pflichten“, sagte Bucholtz. „Sie halten zwei unserer Präfekten als Geiseln, das muss als Sicherheit genügen. Übrigens haben wir, Ihrem Wunsch folgend, den runden Tisch beschafft.“

      „Was für einen Tisch?“ Idrisi machte gar kein Hehl aus seiner Verblüffung. Offenbar hatte Assad ihn nicht informiert, sondern ins offene Messer stolpern lassen. Bucholtz zwinkerte Idrisi zu. Die beiden hatten schon manchen Deal geschaukelt.

      „Ein überaus ... kurzfristiges Ansinnen Ihrer Entourage, Sir“, sagte er und verneigte sich vor Assad. Freundlich schüttelte er dem türkischen Sicherheitschef die Hand, nickte den beiden anderen zu und geleitete die Delegation zur Sicherheitsschleuse vor dem Konferenzraum. „Sie kennen die Spielregeln – keine Mobiltelefone und kein Metall! Alles bitte in die Kassette, deren Chipkarte Sie an sich nehmen ...“

      „... und Sie verschaffen sich per Nachschlüssel Zugang zu unseren privatesten Dingen!“, maulte Assad.

      Bucholtz ließ sich diesmal provozieren. „Drinnen ist für alles gesorgt, vom Kugelschreiber bis zum Feuerzeug. Um den Verdacht zu zerstreuen, jemand könnte unbefugt Ihre abgelegten Piercings befummeln, mein Freund ...“

      „Oh Allah!“, stöhnte Assad.

      „Trägt der auch Piercings? Wie auch immer – alle Kassetten stehen hier auf dem Tisch. So könnte jede Partei ihre Kassette im Auge behalten – jedenfalls vom langen Tisch aus. Am runden Tisch hat natürlich eine Delegation das Pech, mit dem Rücken zur Tür zu sitzen, mein lieber Assad, aber um das zu korrigieren, ist es jetzt zu spät. Frau Peeters brauche ich nicht vorzustellen. Sie hatten in New York ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt.“ Peeters, inzwischen umgezogen, trug ein Kostüm mit sehr knappem Rock, wovon ihr Bucholtz gerne abgeraten