Катя Брандис

Der Sucher


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von Daresh?«

      Janor dachte nach. »Der Große Udiko, glaube ich. Jedenfalls war er das mal. Inzwischen hat er sich zur Ruhe gesetzt.«

      Ja, natürlich. Das war ein Name, den ich auch schon gehört hatte. Als junger Mann hatte Udiko, der so wie ich zur Wasser-Gilde gehörte, die alten Schriften der Daniquaa entdeckt, später hatte er den Dolch des Gibra Jal gefunden, der Generationen lang verschwunden gewesen war. Und natürlich hatte er zahllosen Menschen geholfen, welche die Dienste eines Suchers gebraucht hatten. Jedes Kind kannte die Geschichten, wie Udiko der Witwe Julika unter Lebensgefahr ihre zauberkräftige Muschel zurückgeholt hatte. Wie er den abtrünnigen Kurier aufgehalten hatte, bevor er das Seenland verraten konnte. Und wie er durch sein Geschick und seine Klugheit im berühmten Wettstreit der Sucher gesiegt hatte.

      Aber ich wusste auch, was für einen Ruf der Alte sonst noch so hatte. »Stimmt es, dass er kleine Kinder zum Frühstück frisst und nur noch Aufträge annimmt, die andere als hoffnungslos abgelehnt haben?«

      »Keine Ahnung.« Janor blickte mich neugierig an. »Willst du's herausfinden? Ich habe gehört, dass er jetzt in der Nähe der Xanthu-Seen lebt.«

      »Immerhin: Ich bin kein Kind mehr und zum Fressen zu groß«, sagte ich, bedankte mich bei Janor für die Deutung und machte mich auf den Weg.

      Ich fand den Großen Udiko ohne Schwierigkeiten; auf meinen Reisen war ich schon einmal in der Nähe von Xanthu vorbeigekommen. Der berühmte Sucher wohnte, wie ich herausfand, in einem kleinen See, der aus dem nahen Vulkangebiet ständig Nachschub an heißem, leicht schwefelig riechendem Wasser bekam. Ich verzog das Gesicht. Hier drin zu schwimmen, war bestimmt furchtbar gesund – für alte Knochen. Mir waren die tiefen, kalten Seen der Colaris-Region, in denen ich aufgewachsen war, sehr viel lieber.

      Eine silbrig schimmernde, altmodisch hohe Luftkuppel war das einzige Gebäude auf dem sandigen Grund des Sees. Ich tauchte hinunter und schlüpfte in den Vorraum der Kuppel. Jetzt bin ich ja mal gespannt, dachte ich gut gelaunt und stieß den traditionellen Begrüßungsruf aus. Seit Tagen hatte ich im Kopf formuliert, was ich sagen würde, wenn ich dem Großen Udiko gegenüberstünde. Natürlich weiß ich, dass Ihr Euch schon zu Ruhe gesetzt habt, aber ich habe schon so viel von Euch gehört und will unbedingt von einem Meister wie Euch lernen ...

      Der Vorhang wurde zurückgerissen, und der Große Udiko stand vor mir. Ein Koloss mit buschigem, weißem Haar, durchdringenden eisblauen Augen und wulstigen Lippen, der eine abgewetzte Schwimmhaut trug. Er überragte mich um einen ganzen Kopf – außerdem war er fast so breit wie hoch. Fasziniert fragte ich mich, wie um alles in der Welt dieser Kerl überhaupt noch tauchen konnte – all das Fett musste ihn an der Oberfläche halten wie ein halbes Dutzend Schwimmringe. Oder waren das alles Muskeln?

      »Was willst du, Kleiner?«, fragte der Große Udiko. Er klang nicht unfreundlich. »Geht es um etwas, das du verloren hast?«

      Ich hatte den eingeübten Spruch schon auf den Lippen. Aber die Frage brachte mich aus dem Gleichgewicht. Verloren. Eine plötzliche Traurigkeit packte mich. Ja, ich habe etwas verloren, dachte ich. Meine Mutter an den Tod. Meinen Vater an die Frau, mit der er jetzt zusammen ist. Lourenca an meinen ehemals besten Freund. Und selbst der beste Sucher von Daresh konnte mir keinen von ihnen zurückbringen.

      Der Große Udiko sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und wunderte sich wohl, warum er keine Antwort bekam. Jetzt reiß dich zusammen, sagte ich mir verzweifelt und zwang mich, die schwarzen Gedanken wegzuschieben. Es hätte gerade noch gefehlt, dass ich vor dem Großen Udiko zu heulen anfing! Ich atmete einmal tief durch und sagte einfach: »Mein Name ist Tjeri ke Vanamee. Ich will Sucher werden.«

      Das wuchtige Gesicht, das auf mich herabblickte, verfinsterte sich schlagartig. »Brackwasser! Schon wieder einer von denen. Hat man dir nicht gesagt, dass ich keine Lehrlinge mehr nehme, schon seit zehn Wintern nicht mehr? Verschwinde!«

      Mit einem Rascheln fiel der Vorhang wieder zurück und versperrte mir die Sicht.

      Gequirlte Schnepfengalle, das hast du ja ganz schön vermasselt, schalt ich mich und schwamm zur Oberfläche zurück. Doch ich dachte gar nicht daran, aufzugeben. Neuer Tag, neues Glück!

      Ich blies die Schwimmhaut, die ich trug, ein Stück auf und machte es mir im Wasser um die Insel bequem. Während ich auf dem See driftete und mich in den leichten Strömungen treiben ließ, fragte ich mich, wieso die Traurigkeit, die ich monatelang erfolgreich unterdrückt hatte, gerade jetzt herausgekommen war. Ich fand keine Antwort darauf.

      Erst am nächsten Morgen tauchte der Große Udiko wieder auf. Er beachtete mich nicht und kletterte auf den schmalen Landsaum, der an den nächsten, weit größeren See grenzte – wohl um zu schauen, ob ein paar Honigblüten reif geworden waren.

      »Na, geht's zum Frühstücken?«, rief ich ihm fröhlich zu. »Ich komme mit.«

      Der Große Udiko blickte mich finster an. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst verschwinden, Junge?« Er stieß sich von dem Fels ab, auf dem er hockte, und verschwand erstaunlich geschmeidig unter der Wasseroberfläche. Ich folgte ihm. Ich merkte, dass der Alte vorhatte, mich abzuschütteln – er schwamm sehr schnell und tauchte fast senkrecht in die Tiefe. Ich schaffte es gerade noch, ihm zu folgen.

      Nahe der Oberfläche war das Wasser klar und grün. Doch je tiefer wir kamen, desto dunkler wurde es um uns. Bald ist es so finster, dass er in der Dunkelheit entwischen kann, dachte ich besorgt. Ich hielt mich knapp hinter Udiko, um die Wasserwirbel seiner Bewegungen fühlen zu können – und merkte so noch rechtzeitig, wie der Meister scharf nach rechts abbog.

      Wir waren mittlerweile so tief, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben gewesen war. Ich spürte, wie mir der Atem knapp wurde. Wenn ich nicht bald auftauchte, riskierte ich, beim Aufstieg zu ertrinken. Meine Brust begann zu schmerzen, und mir wurde schwindelig. Zum Glück stellte ich kurz darauf fest, dass wir am Grund angelangt waren. Meine Füße wirbelten Sand auf und streiften glitschig-weiche Algenstränge. Blindlings griff ich mir ein paar davon und schoss nach oben, so schnell ich konnte.

      Der Große Udiko warf mir einen kurzen, verblüfften Blick zu, als ich direkt neben ihm auftauchte. Ich versuchte, nicht allzu laut nach Luft zu schnappen, und warf einen Blick auf das, was ich in der Hand hielt. »He, das sind ja Blaue Tarlas! Die konnte ich mir auf dem Markt noch nie leisten!«

      »Was meinst du, warum ich meine Kuppel hier gebaut habe?«, brummte der Große Udiko und kaute eine der Algen, die er für sich geholt hatte.

      Ich machte es ihm nach. Kaum zu glauben, die Dinger prickelten auf der Zunge. Trotzdem schuldete ich dem Alten noch eine kleine Revanche. »Esst Ihr die Dinger die ganze Zeit? Ich wusste gar nicht, dass man von Algen und Fisch so dick werden kann.«

      »Pah!«, knurrte der Große Udiko. »So was kann nur einer sagen, der nichts von gutem Essen versteht!« Er steckte seine restlichen Algen ein und schwamm davon.

      Schade – auch einer, der nicht über sich lachen konnte. Ich war zu erschöpft, um dem Alten weiter zu folgen. Morgen, dachte ich und streichelte den Salamander, der sich in meine Halsbeuge schmiegte.

      Am nächsten Tag verließ der Große Udiko seine Luftkuppel noch vor Sonnenaufgang. Doch ich hatte mir schon so etwas gedacht und wartete bereits auf ihn.

      »Brackwasser, hast du denn nichts Besseres zu tun, als in meinem See herumzupaddeln?!«, schnauzte mich Udiko an.

      »Nicht in den nächsten sechs Monaten oder so«, erwiderte ich höflich.

      Der Meister stöhnte.

      Wenn der Große Udiko dachte, dass mir das Warten vor seiner Kuppel irgendwann langweilig werden würde, täuschte er sich gewaltig. Mir war fast nie langweilig, und in einem fremden, unerforschten Gewässer, das vor Leben wimmelte, erst recht nicht. Ich schwamm eine Weile mit einem Schwarm Grashechten, bis ich in einer Unterwasserhöhle ein Nest von Großen Karo-Nattern fand. Ich beobachtete, wie zwei Dutzend Junge schlüpften, und nahm mir eines davon mit. Am Nachmittag hatte ich Glück und entdeckte im Ufergestrüpp einen Mondreiher, der bewegungslos auf Beute