Катя Брандис

Der Sucher


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Udiko. Er glitt hin und her wie ein Magier auf der Bühne, kostete hier, rührte da um, sprach eine Formel, um den Inhalt eines Topfs noch etwas mehr zu erhitzen, rieb ein paar Gewürze. »Ich hoffe, du magst ein Mousse aus Viskarienblättern, Kleiner.«

      Ich wusste noch nicht mal, was das war. Wahrscheinlich irgend so ein Zeug der Erd-Gilde. Aber ich nickte trotzdem.

      Als wir im Hauptraum mit den Tellern auf den Knien auf dem Boden saßen, stellte ich fest, dass es köstlich schmeckte. Wahrscheinlich musste ich aufpassen, dass ich während dieser Lehrzeit nicht rund wie eine Kugel wurde.

      Schweigend aßen wir. Dann setzte Udiko seinen Teller ab und blickte mich streng an. Mir blieb fast die Blätterpaste im Hals stecken. Kam jetzt die Quittung für meine Blödheit? Aber er sagte nur: »Ich verstehe natürlich, warum du's gemacht hast.«

      »Vielleicht solltet Ihr mir einfach diejenigen Besucher überlassen, die ein ganz normales Anliegen haben«, wagte ich vorzuschlagen. »Damit ich ein bisschen Übung bekomme.«

      »Dafür ist es noch zu früh. Erst ist es höchste Zeit, dass wir deine Ausbildung beginnen«, sagte Udiko. »Deine erste Lektion ist: Jede Suche hat eine verborgene Wahrheit, die unter der Oberfläche liegt. Sie ist es, die du erkennen musst, sonst hat deine Arbeit keinen Sinn.« Er fasste hinter sich und holte ein schwarzes, aus dünnen Terlizzi-Algen gewobenes Stück Stoff hervor. »So, jetzt zu deiner ersten Übung. Bind dir das um die Augen.«

      »Moment mal – ich soll Sehen lernen, indem ich mir die Augen verbinde?!«

      »Du stellst zu viele Fragen, Junge«, knurrte der Große Udiko, und ich tat, was er befohlen hatte. Mir war ein bisschen mulmig zumute. Jetzt war es so finster um mich herum wie bei Neumond an Land.

      »So«, sagte Udiko. »Das behältst du jetzt zwei Wochen lang an. Tag und Nacht. Das wird dein Gehör, deinen Geruch- und Tastsinn schulen.«

      Ich erschrak. Zwei Wochen! Das war eine verdammt lange Zeit, um in Dunkelheit zu leben! Wollte er mich etwa so in den See hinausschicken ... Wie, beim Brackwasser, sollte ich mich da orientieren?

      »Mach dir keine Sorgen – dazu hast du später noch genug Zeit«, brummte Udiko. »Atme jetzt mal ganz langsam und bewusst. Fühlst du deinen Herzschlag, merkst du, wie die Luft durch deine Lungen hinaus- und hineinströmt?«

      »Ja.« Ich merkte, wie ich ruhiger wurde, mich entspannte.

      »Gut. Dann konzentrier dich jetzt auf deine Sinne, darauf, was du von deiner Umgebung wahrnimmst.«

      Langsam drehte ich den Kopf. Der würzige Viskariengeruch hing noch in der Luft, aber es roch auch nach alten Schriftrollen und dem Schlamm, den ich unfreiwillig von meiner Expedition in den Nachbarsee mitgebracht hatte. Es war sehr still, und ich konnte Udikos Atem hören, die Geräusche, als er aufstand, das Klappern, als er unsere hölzernen Essschalen ineinander stellte. Ich spürte den leichten Luftzug, als der Alte an mir vorbeiging, und mir wurde bewusst, wie seidig weich der Buntalgenteppich unter meinen Füßen sich anfühlte. Er war immer ein wenig kühl auf der Haut, weil die Algen unsere Luft rein hielten und auffrischten.

      »Was ist, hilfst du mir nicht beim Abräumen?«, knurrte Udiko.

      »Klar«, sagte ich, griff nach den Schalen – und begann mein Leben als Blinder auf Zeit, indem ich die Finger in die Blättermousse-Schüssel tunkte.

      * * *

      In den Stunden nach dem Aufgang des dritten Monds war Mi'raela oft in den Höhlen und Gängen der Burg unterwegs, tief unten, dort, wohin sich höchstens Halbmenschen und besonders mutige menschliche Diener verirrten. Manchmal schaffte sie es auf diesen Ausflügen, einen Nachtwissler zu reißen, der sich in die Burg verirrt hatte. Die kleinen, schwarzfelligen Nachtwissler konnten sich auf ihren vier dünnen Pfoten so rasch bewegen wie kaum ein anderes Tier, und sie wussten, wie man sich verbarg. Oft verrieten sie sich nur durch ihr ständiges Quietschen, das so hoch war, dass Menschen es kaum hören konnten. Ihnen aufzulauern und sie zu überlisten, war genau die richtige Herausforderung für Mi'raela. Im heißen Rausch der Jagd und wenn sie das salzige Blut auf der Zunge spürte, fühlte sie sich wenigstens ein paar Momente lang lebendig ...

      Sie schlich durch eine Höhle, in der sich wie ein schwarzer Spiegel einer der Speicherseen ausbreitete. Es war kühl und feucht hier und roch nach nassem Stein und Algen. Ab und zu fielen Wassertropfen. Mi'raela mochte diesen Ort nicht, aber sie musste hier durch, um in die hinteren Winkel des Südtrakts vorzudringen. Geschickt balancierte sie einen schmalen, glitschigen Sims entlang, eine Pfotenhand vor der anderen. Doch heute war irgendetwas anders in ihrem Revier. Mi'raelas Schnurrhaare tasteten vor; wachsam hob sie den Kopf, und ihre Schwanzspitze zuckte. Wenige Atemzüge später hatte sie festgestellt, was sie störte. In einer Nische der Wand saß jemand, bewegungslos wie eine Statue. Ein Mensch!

      »Hallo«, sagte eine helle Mädchenstimme, die ein wenig zittrig klang. »Du hast mich ganz schön erschreckt. Ich bin übrigens Jini.«

      Mi'raela antwortete nicht, witterte nur misstrauisch. Was wollte dieses Mädchen von ihr? Elegant drehte sie sich auf dem schmalen Sims, um zu verschwinden. Sie erinnerte sich dunkel, dass sie schon einmal etwas über dieses Mädchen gehört hatte. Es war erst seit ein paar Wochen in der Burg. Es war einfach hier gelassen worden von den Männern, die es mitgebracht hatten.

      »He, warte doch!«, rief ihr das Mädchen hinterher. »Ich kenne dich. Du bist doch Staubflocke, oder? Dienerin dieser Kerle in den schwarzen Kutten?«

      Nein, nein, nein, dachte Mi'raela wütend. Bei ihren nächtlichen Ausflügen war sie nicht Staubflocke, und sie wollte auch nicht daran erinnert werden, dass sie in dieser verwünschten Burg Sklavendienste verrichten musste. Sie machte kehrt und huschte davon.

      Trotzdem zog es sie in der nächsten Nacht wieder zu dem unterirdischen Teich. Nur mal schauen, dachte sie. Sie konnte ja gleich wieder verschwinden, wenn das Mädchen da wäre.

      Schon von weitem hörte sie Geräusche – ein Planschen, das hohl von den Wänden widerhallte. Mit entsetzt zuckenden Schnurrhaaren sah Mi'raela, dass das Mädchen in den Teich gefallen war und nun mit den Armen ruderte, um sich daraus zu retten. Das sonst so spiegelglatte Wasser war in Aufruhr, schwappte an den dunklen Steinwänden hoch.

      Das Mädchen verschwand unter der Wasseroberfläche. Ich muss ihr helfen, dachte Mi'raela, aber ihr Körper war wie gelähmt beim Gedanken an dieses furchtbar nasse Zeug. Gerade, als sich ihre Muskeln doch noch zum Sprung spannten, tauchte das Mädchen wieder auf. Unmittelbar vor ihr. Und es wirkte keineswegs, als sei es in Not.

      »Du wirst mich doch nicht verpetzen, oder?«, fragte das Mädchen verlegen. »Ich weiß, dass es nicht erlaubt ist, im Speichersee zu schwimmen, aber es macht einfach so viel Spaß ...«

      Mi'raela war entsetzt. Spaß? »Das hier Trinkwasser«, sagte sie und tat so, als spräche sie nur ein paar Worte Daresi.

      »Ach, du weißt doch selber, dass die meisten Leute sowieso aus den Tiefbrunnen trinken, das hier ist nur für den Notfall oder einen Brand gedacht.«

      Das stimmte. Mi'raela verlor das Interesse. Sie wandte sich ab, um davonzuschleichen. Noch hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, heute einen Nachtwissler zu erbeuten ...

      »Warte doch!«, rief das Mädchen hinter ihr her. »Wollen wir nicht noch ein bisschen reden?«

      »Nein«, gab Mi'raela zurück. Aber sie blieb trotzdem stehen. Sie kannte den Ton, der in der Stimme des Mädchens mitgeklungen hatte. Einsamkeit. Dieser Ton berührte ihr Herz einen kurzen Moment und ließ sie zögern.

      Doch dann trugen ihre Pfoten sie davon. Nein, so leicht würde sie sich nicht einwickeln lassen. Wer wusste, was dieses Mädchen vorhatte! Trau den Dörflingen nie – sie werden dich tausendmal enttäuschen und dann noch einmal mehr.

      * * *

      Den ersten Tag mit verbundenen Augen verbrachte ich drinnen und erforschte Udikos Wohnkuppel mit Ohren, Fingerspitzen und Nase. Was nicht immer angenehm war. In einer Ecke meines Zimmers fand ich die Leiche eines Flusskrebses,