Fae Clarke

Bitter Elation


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erwartet verläuft die Befragung gleichartig. Fortwährend dasselbe nervige Ausquetschen über seine Ehe. Doch diesmal erkundigt sich die Moderatorin tatsächlich, ob er schon eine neue Flamme an seiner Seite hätte. Dies wäre die meistgestellte Frage der Fans im Vorfeld gewesen. Schmunzelnd verneint er die Annahme, obwohl er es etwas dreist findet, schließlich ist das sein Privatleben, und das versucht er vehement aus den Medien herauszuhalten. Haben die Groupies eigentlich auch noch andere Hobbys? Irgendetwas sagt ihm allerdings, dass die Frage mit Bestimmtheit vom Sender kam, man muss immerhin Neuigkeiten schnell verbreiten. Unterdessen grinsen die anderen Bandmitglieder in sich hinein.

      Doch auch Andy kommt diesmal nicht ungeschoren davon und wird über seine Freundin ausgequetscht. Keiner von außen weiß etwas, nicht einmal von der Verlobung. Dementsprechend kalt und uninteressant antwortet er auch. Lässt keinerlei Emotion nach außen dringen, damit bloß keiner spekulieren kann. Man möchte meinen, dass man es am Ring sehen könnte, doch alle Bandmitglieder tragen Ringe an den verschiedensten Fingern und Andys Verlobungsring steckt auf seinem Daumen. Was ziemlich geschickt ist, wenn man darüber nachdenkt.

      Nach über einer Stunde ist es endlich vorbei. Er ist froh, dass der Rummel um die Band ab sofort etwas nachlassen wird. Nun kann er sich voll und ganz auf sein Leben konzentrieren. Ein schwerer Schritt steht ihm in einer Woche bevor, aber auch das wird er meistern, da er es eh nicht ändern kann und zugegebenermaßen nicht mehr will. Viel zu lange hatte er gekämpft.

      Vor dem Studio schieben sie sich durch eine kleinere Fanmenge. Dieses Mal gibt er beinahe widerwillig Autogramme, was ihn selbst etwas verwundert. Er ist seinen Fans zutiefst dankbar, dass sie ihn und die Band so schnell hochkatapultiert haben. Doch heute ist ihm alles zuwider, er will endlich seine wohlverdiente Ruhe genießen. Weg von dem Trubel und den Massen.

      Gemeinsam fahren sie ein letztes Mal ins Hotel, um zu packen. Im Hotelzimmer verabschieden sie sich voneinander. Aber nur für kurze Zeit, denn sie werden sich spätestens auf Andys Junggesellenabschied, der bei Chris’ Eltern stattfinden wird, und natürlich auf seiner Hochzeit wiedersehen. Kurz darauf fährt er mit Norman zu dessen Hauptwohnsitz im Norden Londons. Morgen werden sie sich auf den Weg zu dessen Cottage in einem kleinen, beschaulichen Ort an der Ostküste machen.

      In den nächsten Wochen hat er viel zu tun, da kommt ihm die Abgeschiedenheit sehr gelegen, auch wenn die Fahrerei an die verschiedenen Orte aufwendiger wird. Nichts geht ihm über die Ruhe, und da er bereits mehrfach in dem Häuschen war, weiß er, dass er genau das dort vorfinden wird. Ungestört kann er stundenlang am Strand spazieren oder sich ins Meer stürzen. Am liebsten wäre es ihm, wenn er dort in der Nähe irgendetwas für sich finden würde. Zumal sein bester Freund größtenteils da wohnt und auch Andy gar nicht weit entfernt sein Domizil aufgeschlagen hat.

      Man sollte meinen, dass sich die Kollegen in ihrer Freizeit aus dem Weg gehen würden, wie bei so vielen anderen Bands. Aber das ist bei ihnen gar nicht der Fall. Sie sind alle sehr gut befreundet und spätestens nach einer Woche müssen sie miteinander sprechen, sonst fehlt jedem Einzelnen etwas.

      In Normans Wohnung legt er sich zunächst einmal im Gästezimmer auf das Bett, um kurz Kraft zu schöpfen und schläft prompt ein. Erst am frühen Abend erwacht er aus einem völlig konfusen Traum. Die Tour hat ihn wohl mehr geschlaucht als gedacht.

      Noch einen Moment bleibt er liegen und genießt die Stille, das Alleinsein. Bei dem Gedanken daran, dass er selbst dieses kleine Zimmer als Luxus empfindet, weil er darin für sich sein kann, muss er schmunzeln. Zudem kann er es noch nicht so recht realisieren, dass ihn für die nächsten Wochen und Monate kein Termindruck aus dem Bett treibt. Das alles liegt erst einmal hinter ihm und die Freiheit vor ihm.

      Leise schlurft er ins Wohnzimmer und entdeckt Norman vor dem Fernseher sitzend. Chris geht in die Küche, um sich etwas zu Essen zu machen. Danach gesellt er sich zu seinem Freund auf die Couch. Bis tief in die Nacht schauen sie einen Film nach dem anderen und trinken endlich wieder einmal Bier.

      Dabei vergisst er die Zeit und auch Lilith. Erst als er in den frühen Morgenstunden ins Bett kriecht, fällt ihm schlagartig ein, dass er sie gar nicht kontaktiert hatte. Sie wartet sicher bereits sehnsüchtig auf ein Lebenszeichen von ihm. Doch er ist noch viel zu müde, um auch nur ein einziges, vernünftiges Wort verfassen zu können. Er nimmt sich fest vor, ihr gleich morgen nach dem Aufstehen zu antworten.

      Mittags wacht er auf und schnellt sofort hoch. Hatte er nicht etwas vergessen? Nein, es ist Samstag, fällt ihm schlagartig ein und er hat erst nächste Woche einen wichtigen Termin. Erleichtert lässt er sich aufs Bett zurückfallen. Der Blick auf den Wecker verrät ihm, dass es bereits 13 Uhr ist. Lächelnd dreht er sich um, so lange hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Und er fühlt sich pudelwohl dabei.

      Wie ein Blitzschlag fällt ihm diese fremde Schöne wieder ein. Zuerst will er aufspringen, um ihr sofort zu schreiben, doch dann überlegt er es sich anders. Gemächlich steht er auf und macht sich fertig, um sich danach Kaffee zu kochen. Doch Norman war schneller. Eine Kanne steht schon auf dem Küchentisch, nur der Freund ist nirgends zu finden. Sicherlich ist er Einkaufen. In wenigen Stunden fahren in sein Cottage und er meinte gestern, dass er einige Dinge vorab besorgen müsse.

      Also schnappt er sich sein Notebook und geht mit einer Tasse auf den Balkon, um zu rauchen. Dabei schaut er sich genauer von hier oben in dieser noblen Wohngegend um. Etliche Promis wohnen in der direkten Nachbarschaft. Große, prunkvolle Villen zieren die gegenüberliegende Straßenseite. Hier zu leben ist purer Luxus, das weiß er nur zu gut.

      Schlussendlich setzt er sich hin und startet sein Notebook, um endlich ihr Profil zu suchen. Interessiert betrachtet er ihre Fotografien. Auch sie scheint die Ruhe zu mögen. Dafür tut sie einiges. Die Bilder ihres Gartens, der ihm seltsamerweise vertraut vorkommt, belegen es. Nach einer Weile beginnt er zu schreiben:

      ›Hallo Lilith,

      natürlich erinnere ich mich an euch. Wie könnte ich euch auch vergessen? Zudem ist dein Name ziemlich außergewöhnlich und dadurch sehr einprägsam. Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Seid ihr gut nach Hause gekommen?

      Liebe Grüße Chris

      PS: Du hättest die Gesichter der Jungs sehen sollen, als ihr an uns vorbeigedüst seid.‹

      Im Grunde genommen könnte er viel mehr schreiben, doch er drückt auf Senden. Er will es nicht übertreiben, erst einmal langsam vortasten. Immer wieder betrachtet er ihr Foto, das er vollkommen faszinierend findet. Allmählich liest er in ihrem Profil. Dabei entdeckt er die vielen Musiker, die sie favorisiert hat, sie scheint musikvernarrt zu sein. Ihm kommen nur wenige Namen bekannt vor. Seine Band fällt dabei etwas aus dem Rahmen, wie ihm scheint. Wie kommt sie bloß auf Bitter Elation, da sie größtenteils eine andere Musikrichtung bevorzugt? Das macht sie gleich noch einmal interessanter. Ihr Filmgeschmack bringt ihn zum Schmunzeln, querbeet ist beinahe alles dabei.

      Neugierig liest er die letzten Beiträge ihrer Freunde auf ihrer Pinnwand. Die meisten Themen drehen sich um Clubs, Events und Musik, das scheint ihnen wichtig zu sein. Wie er dadurch erfährt, tanzt sie gern und viel. Und tatsächlich hat sie das gestrige Konzert erwähnt, allerdings bereits vor einer Woche. Sie wäre sehr nervös und freue sich unheimlich darauf, liest er schmunzelnd. Nach und nach stellt er fest, dass er sich mit ihr stundenlang über so vieles unterhalten könnte. Hätte er gestern nur mehr zu ihr gesagt, einfach ein Gespräch begonnen. Aber dafür können sie sich nun über so vieles schreiben, falls sie ihm antwortet.

      Kaum loggt er sich aus, kommt Norman zur Wohnungstür herein und begrüßt ihn lautstark. »Na? Hast du ausschlafen können?«

      »Oh ja! Danke, dass du mich nicht geweckt hast! Das tat wirklich verdammt gut!«

      »Dachte ich mir. Ich bin aber auch erst vor einer Stunde raus. Ich habe nur rasch das Nötigste gekauft. Wenn du soweit bist, sag Bescheid, dann können wir losfahren.«

      »Lass mich noch schnell unter die Dusche springen.«

      »Keine Eile, die Küste rennt uns nicht weg«, meint der Kumpel abwinkend und geht in die Küche, um wahrscheinlich alles Notwendige vorzubereiten.

      Chris steht seinerseits