Fae Clarke

Bitter Elation


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auf die kommenden Wochen Ruhe und Erholung. Auf die ausgiebigen Spaziergänge und den Aktivitäten, zu denen er während der Tour nie kam. Und wie so oft hofft er auf die Muse, die ihn küssen sollte, um erneut erfolgreiche Songs zu schreiben und zu komponieren.

      I

      mmer wieder blickt sie auf ihren Bildschirm. Sie weiß, dass er nicht auf ihre Nachricht warten wird. Er hat bei Weitem Wichtigeres zu tun, als sich um einen Fan zu kümmern oder gar umgehend auf deren Mitteilungen zu antworten. Aber für ihre innere Unruhe kann sie schließlich nichts. Seufzend steht sie vom Küchentisch auf und geht hinaus in den Garten.

      Die Sonne meint es in letzter Zeit gut und verwöhnt sie heute abermals. Hier und da zupft sie welke Blüten von den Sträuchern. Lavendel und Salbei verströmen dabei dezent ihren Duft, den sie so sehr liebt. Bienen umschwirren die Flieder- und Holunderbüsche. Selbst der weiße Oleander blüht derzeit prachtvoll auf der Vorderseite des Grundstücks und verströmt sein betörendes Aroma, welches man ab und an sogar bis hinters Haus wahrnehmen kann. Kamille, Ringelblumen und andere Heilpflanzen und Heilkräuter zieren ihren Garten.

      Sonja und sie mischen selbst Tinkturen gegen alle möglichen Wehwehchen an, so wie sie es von ihren Müttern gelehrt bekommen haben. Deshalb wachsen auch auf beiden Grundstücken Weißdorn, Linden und Ginkgo. Sie sind zudem nicht die Einzigen, die sich mit Kräuterkunde in Landsbury auskennen. Das weiß sie, weil in ihrem Buchladen emsig Lektüren über Heilpflanzen gekauft werden, gerade die älteren Frauen, aber auch die Touristen nehmen dieses doch recht außergewöhnliche Angebot dankend an.

      »Dann wird die Naturheilkunde wenigstens nicht in Vergessenheit geraten«, sagte einmal Mrs Biggs zu ihr, als diese sich in ihrem Geschäft ein neues Buch kaufte. Die ältere Dame wohnt im Nachbarhaus. Ihr Mann verstarb vor wenigen Jahren und seitdem befasst sie sich intensiver mit der Kräuterkunde. Sie ist auch diejenige, die sich ab und zu um die Gärten der Freundinnen kümmert, wenn sie mal einige Tage fort sind, was allerdings äußerst selten vorkommt.

      Manchmal stehen Gläser selbst gemachter Marmeladen und Gelees vor ihren Haustüren. Liebevoll kümmert sich die gute Mrs Biggs um die beiden Frauen, als wären sie ihre eigenen Töchter. Natürlich genießen die beiden dies, da sie ihre Mütter doch so sehr vermissen und somit etwas persönlichen Trost und vor allem weise Worte finden können.

      Langsam schlendert sie über die große Wiese auf der Vorderseite ihres Hauses. Knallroter Klatschmohn sprießt darauf und macht ihr Grundstück damit unverkennbar. Sie liebt diese sehr schlichte Pflanze. Im Gegensatz dazu umrahmen prächtige Rosenranken mit ihren großen weißen Blüten den Hauseingang. Beinahe jeden Tag genießt sie diesen Streifzug durch den Garten, egal ob morgens oder abends nach der Arbeit. Damit verliert sie nie die Verbundenheit zur Mutter Natur.

      Als sie einmal das Haus umrundet hat, steht Sonja unerwartet auf Liliths Terrasse. »Hallo Süße!«, begrüßt diese sie gut gelaunt.

      »Hey. Na, ausgeschlafen? Wollen wir los?«

      Auf der Heimfahrt hatten sie sich vorgenommen, heute am Strand spazieren zu gehen, was sie viel zu selten tun, obwohl dieser unweit entfernt liegt. Wenn sie schon einmal einen zweiten Tag freihaben, dann wollen sie dies doch ausgiebig nachholen.

      »Ja klar! Darum bin ich hier. Ich wollte dich abholen«, sagt die Freundin und gemeinsam gehen sie über die Straße zu dem kleinen Weg, der zum Strand hinunterführt. Nur vereinzelt liegen Menschen in der Sonne, denn die eigentlichen Badebuchten liegen etwas weiter außerhalb. Dort ist das Wasser auch ruhiger und wärmer. Der Schiffsverkehr ist hier viel zu nah.

      Ausgiebig genießen sie die klare Meeresluft, den warmen Sand unter ihren Füßen, die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Immer wieder umspülen die Wellen der fortschreitenden Flut sanft ihre Knöchel, was sich sehr wohltuend anfühlt. Schlussendlich gelangen sie zu dem kleinen Hafen. Die Anlegestelle, an der meist kleine Fischerboote vor sich hindümpeln, bietet den Touristen die Möglichkeit, auf einem der beiden Ausflugsboote an der Ostküste entlang nach Lowestoft zu fahren.

      Sie hingegen flanieren auf der großartig angelegten Promenade. Hier verbringen sie zuweilen auf einer der verzierten Bänke ihre kurzen Verschnaufpausen während der Arbeit. Altertümlich anmutende Straßenlaternen sowie verschnörkelte Beetzäune um die Bäume verleihen dem Ganzen einen unvergleichlichen Charme und runden das Bild wunderbar ab.

      Immer wieder werden sie im Vorbeigehen freundlich von Einwohnern und Touristen gegrüßt. Lilith erinnert sich daran, als sie, wie wohl in jeder kleinen Küstenstadt, anfänglich skeptisch beäugt wurden. Schrittweise wurden sie allerdings eine feste Institution des Örtchens. Selbst die zumeist schwarze Kleidung stört hier keinen mehr. Und vor allem die langjährigen Touristen freuen sich, die beiden jedes Jahr wieder zu sehen und sich mit ihnen unterhalten zu können. Das Büchercafé ist ein wichtiger Anlaufpunkt für alle geworden.

      Von Anfang an haben sie darauf geachtet, dass sie den Pubs und anderen Kaffeehäusern vor Ort keine Konkurrenz machen. Ursprünglich war das Café nur zum Verweilen gedacht, da das Hauptaugenmerk auf dem Buchladen lag. Seit sechs Jahren nehmen die Einwohner sehr gern das breit gefächerte Angebot an, zumal es in dem anderen Geschäft im Ort eher Wanderkarten oder Bücher über England zu kaufen gibt. Das Konzept Buchhandlung und Café wurde mit einem überwältigenden Zuspruch angenommen, sodass sie bereits innerhalb weniger Monate vollwertig in die Ortschaft integriert wurden. Die ursprünglich kritischen Blicke der Mitbürger aufgrund ihres Erscheinungsbildes und da sie dazu noch die Neuen waren, wandelten sich sehr schnell in freundliche Gesichter.

      Erstaunlicherweise hatten sie kurze Zeit später Gleichgesinnte gefunden, die mittlerweile ebenfalls in ihrem Café verkehren. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass sie Geistesverwandte in diesem Dorf finden würden. Vor allem Neil und seine Freundin Mia sind enge Vertraute geworden. Durch die beiden haben sie einen kleinen, aber feinen Freundeskreis aufbauen können, mit dem sie oft ausgehen oder sich am Abend treffen.

      Mittlerweile schlendern sie auf das flache, helle Gebäude zu, welches sich fantastisch zwischen den typischen Strandhäusern fügt. Das hatte sie vor sechs Jahren, als sie es entdeckten, auch auf der Stelle angesprochen. Und diese Aussicht war damals und ist bis heute einmalig! Denn diese wunderschöne Häuserzeile liegt direkt an der Promenade und die drei großen Fenster ermöglichen einen herrlichen Ausblick auf den recht breiten Strandabschnitt und das Meer und den Hafen. Deshalb ist die Lage auch so ideal, da man von der Anlegestelle unumwunden an ihrem Café vorbeikommt.

      Ein großes Hallo ertönt unter den Angestellten, als sie das Geschäft betreten. Laura schlüpft hinter dem Kassenbereich des Buchladens hervor, um sie freudig zu begrüßen. Im Café steht Tim hinter dem Tresen und Lexy bedient soeben einen Gast. Anschließend hüpft die Punkerin ausgelassen auf Sonja zu und umarmt sie, als wäre sie mehrere Wochen fort gewesen.

      Im Grunde genommen fehlt nur noch Ruby, die derzeit durch die USA reist und ihren wohlverdienten Urlaub genießt. Ansonsten wirbelt abends ein kleiner Putztrupp durch das gesamte Geschäft, um wirklich alles auf Hochglanz zu bringen. Dies wird allerdings durch eine externe Firma erledigt.

      Kichernd nehmen die beiden an dem kleinen Tisch für das Personal neben der Theke Platz und als die Freundin noch einmal aufstehen will, um ihnen den üblichen Cappuccino zuzubereiten, winkt Tim ab. »Bleib sitzen, ich mache das schon. Du hast schließlich Urlaub.«

      Er ist ein ruhiger, hellblonder Jüngling, der mit seinem wahrlich guten Aussehen insbesondere die weiblichen Touristen um den Finger wickeln kann. Mitnichten ist er ein Draufgänger, wie man vermuten könnte. Tim ist einfach nur charmant und beinahe wäre sogar Lilith bei ihm schwach geworden, bis sie sich selbst schalt, da er viel zu jung und zudem ein Angestellter ist. Sie hat es ihm glücklicherweise nie gezeigt, somit gab es auch nicht im Geringsten einen Konflikt zwischen ihnen. Und heute ist sie mehr als froh darüber, dass sie es keinesfalls riskiert hat.

      Als er an ihren Tisch kommt, stellt er die Tassen ab und umarmt sie rücklings. Im Anschluss begrüßt er seine Chefin innig. Genau diese Herzlichkeit