Fae Clarke

Bitter Elation


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Sommer stellen sie selbst Eis her und das ganze Jahr über verkaufen sie belegte Baguettes oder Sandwiches. Deshalb haben sie auch keine große Küche, dafür gibt es schließlich genügend Restaurants und Imbissbuden in Landsbury. Gebäck und Kuchen lassen sie sich jeden Tag frisch vom örtlichen Bäcker anliefern. Hier soll man sich nur wohlfühlen. Dafür kann man nebenher extra ausgelegte Bücher lesen oder eben gleich im Nebenraum kaufen oder bestellen.

      Das Geschäft ist von Haus aus in zwei große, offene Räume unterteilt. Zwischen den riesigen Fenstern befindet sich auf der Buchladenseite die Eingangstür aus Glas. Der hintere Teil ist dem Buchlager auf der linken und der kleinen Küche sowie den sanitären Anlagen auf der rechten Seite vorbehalten. Manchmal, wenn kaum etwas los ist, sitzt sie in dem Café, das sie nach wie vor an eine kubanische Bar erinnert, und bewundert die Aussicht aufs Meer. Nie wieder könnte sie sich vorstellen, woanders als hier in Landsbury zu leben und zu arbeiten.

      Nachdem sie einen Schluck ihres Cappuccinos getrunken hat, geht sie in ihren Laden, ihr Baby, hinüber. Laura tippt gerade fleißig etwas in den PC. Seit dem ersten Tag arbeitet diese liebe Seele in ihrem Geschäft. Es war damals reiner Zufall, dass sie sich auf der Promenade über den Weg liefen. Da ein Gesuch für verschiedene Angestellte in dem Fenster hing, kamen sie schnell ins Gespräch, obwohl sie nicht einmal wusste, wer Lilith war, da sie nur die Fenster putzte und nicht als Inhaberin ersichtlich war. Sie war ihr so sympathisch und brachte etliches Wissen an, dass sie sie sofort einstellte.

      Sorgsam achtet sie seitdem darauf, dass jeder Kunde schnellstmöglich sein bestelltes Buch in Händen halten kann. Zudem organisiert sie Lesenachmittage und arbeitet gern mit Kindern an Schulen oder in Kindergärten in der Umgebung. Ab und an schafft sie es tatsächlich, Autoren in der Hochsaison vor Ort einzuladen, damit sie ihre Bücher vorstellen können. Eine bessere Mitarbeiterin hätte sie sich nicht wünschen können.

      Das fleißige Bienchen ist alleinstehend und arbeitet gern mehr, als sie sollte. Wenn sie dann doch einmal Urlaub nimmt, packt jemand aus dem Café mit an. Noch nie kam es zu Problemen und wenn wirklich Not am Mann war, halfen sogar die Freunde ungefragt aus. Darüber sind die beiden sehr dankbar. Es funktioniert alles reibungslos und sie mussten sich bisher keinerlei Sorgen machen.

      Aufgrund das sie tagtäglich geöffnet haben, bleibt ihnen sehr wenig Erholung, trotz allem unternehmen sie am Wochenende immer etwas mit ihren Freunden. Dafür schließen sie am Samstag und Sonntag ihr Büchercafé später als gewöhnlich auf. Dieses Recht haben sie sich genommen und gönnen gleichzeitig ihren Angestellten mehr Freizeit.

      Ohne lange zu fackeln, quetscht Laura sie über den gestrigen Abend aus. Nur zu gern erzählt sie von dem überwältigenden Konzert und wie nett doch der Sänger im Anschluss war. Gespannt lauscht die Angestellte und fragt hier und da nach. Eigentlich ist sie kein Fan der Band, aber sie hat ihr bereits einige Male zu verstehen gegeben, dass sie ihre Zuneigung zu Chris nachvollziehen kann. »Er ist schon ganz schön schnuckelig«, hatte sie einmal gesagt.

      Kurz blickt Lilith sich im Geschäft um und bemerkt einen großen Bücherstapel auf der mahagonifarbenen Theke, der wohl heute noch einsortiert werden soll. Die gesamten Wände sind mit dunklen, deckenhohen Regalen vollgestellt. Nur hier und da sind leere Stellen zwischen den Abertausend Büchern zu sehen. Schmunzelnd erinnert sie sich an die Anfänge, als die Regale nicht einmal zur Hälfte bestückt waren. Stufenweise richtete sie den Laden getreu dem Namen ein und er wurde wirklich bald zu einer kleinen, gemütlichen Bücherhöhle. Vereinzelt stehen sehr bequeme Stühle herum und zwei große, rotbraune Ohrensessel aus Leder laden regelrecht zum Verweilen ein. Manche Kunden, zumeist Kinder oder Teenager, sitzen sogar auf dem dicken Teppichboden, um durch ein Buch zu blättern.

      Rasch bespricht sie mit Laura den Sonntag und gibt ihr für den morgigen Samstag frei. Aber sie weiß bereits jetzt, dass die Mitarbeiterin auftauchen wird. Zu sehr liebt sie gleichfalls wie Lilith den Laden und schmökert immer wieder selbst in den Büchern. Anschließend geht sie zurück ins Café und trinkt ihren bereits lauwarmen Cappuccino aus. Tim fragt gerade Sonja über das Konzert aus. Diese erzählt nur allzu gern alles bis ins kleinste Detail. Er schmunzelt, sobald sie Liliths Zuneigung zu dem Sänger erwähnt. Dabei legt er seinen Arm um sie und sagt: »Du wirst dich doch nicht etwa ernsthaft in diesen Typen verknallt haben?«

      »Wer weiß«, antwortet sie keck.

      »Aber einen ungewöhnlicheren Mann hast du dir nicht aussuchen können? Ich meine, jahrelang bist du Single und dann fasst du ausgerechnet einen Typen ins Auge, der schlichtweg unerreichbar ist?«

      »Ach, du kennst mich doch. Ich liebe Herausforderungen!«, erwidert sie lachend.

      Feixend begibt er sich hinter die Theke, da sich die Tür öffnet und Gäste das Café betreten. Sogleich erkennt man, dass es sich um neu eingetroffene Touristen handelt. Mit großen Augen schauen sie sich um und setzen sich an einen der runden, mahagonifarbenen Tische. Lächelnd registriert sie, dass sie sacht über die samtige Polsterung der Stühle streichen.

      Damals waren sie sehr darauf bedacht, das Geschäft stimmig einzurichten. Alles passt farblich zusammen, der Bücherladen ist dementsprechend gestaltet worden. Die kleinen Kronleuchter und goldgerahmten Spiegel sowie Fotografien runden das Gesamtbild ab. Obendrein harmoniert die Musik mit der Einrichtung, mal ertönen leise kubanische oder lateinamerikanische Klänge, dann ist wieder Swingmusik zu vernehmen.

      Insgesamt sind sie sehr stolz darauf, was sie geschaffen haben. Nur ab und an wünschten sie sich noch eine Bar im selben Stil. Dafür würde sich das bald leerstehende Geschäft nebenan perfekt eignen. Der Eigentümer möchte gern in den Ruhestand gehen und bietet die Räumlichkeiten zum Verkauf an. Aber leider würde dies die eh schon knappe Zeit der beiden nicht erlauben. Schweren Herzens hatten sie vergangene Woche das Angebot abgelehnt.

      »So, Süße. Dann lass uns mal wieder nach Hause gehen. Ich muss Wäsche waschen«, unterbricht Sonja ihren Gedankengang und steht auf, um sie mit hochzuziehen.

      »Okay. Ich werde mal den Garten wässern, nicht das Mrs Biggs noch auf die Idee kommt und bei mir loslegt, weil ihr mein Garten leidtun würde.«

      Auflachend verlassen sie zum Abschied winkend das Books Cave.

      Am Abend schnappt sie sich nach getaner Arbeit ihr Notebook und einen Teller mit Sandwiches, um es sich draußen auf der Terrasse gemütlich zu machen. Kauend loggt sie sich in das Netzwerk ein und stellt fest, dass er ihr noch immer nicht geantwortet hat. Ein kleines bisschen ist sie enttäuscht, aber was hatte sie schließlich erwartet? Er wird bestimmt nicht ihretwegen ununterbrochen vorm PC sitzen, um ihr umgehend zu antworten. Im Grunde genommen wäre sie schon froh darüber, wenn er sich im Laufe des Wochenendes nur kurz bei ihr melden würde. Erwarten kann sie es nicht, auch wenn er sie aufgefordert hatte, ihm zu schreiben. Vielleicht hatte er sie ja doch schon vergessen.

      »Hm«, lässt sie achselzuckend verlauten und checkt ihre E-Mails. Wie immer nichts Interessantes. Nachdem sie fertig ist, zündet sie sich eine Zigarette an und raucht, währenddessen die Sonne langsam untergeht. Schlagartig fällt ihr ein, dass sie sich ja für morgen Abend mit ihren Freunden verabredet hatten und in den Club fahren werden. Wie konnte sie das nur vergessen! Entspannt blickt sie in den allmählich dunkler werdenden Himmel und freut sich bereits darauf, die ganze Nacht durchzutanzen. Das wird ihr mit Sicherheit guttun.

      Als es so dunkel ist, dass sie ihre Hand vor Augen nur noch schemenhaft erkennen kann, geht sie wieder hinein. Auch das ist ein Vorteil an einer kleinen Stadt, die Lichtverschmutzung gibt es so gut wie nicht. Mit einem Glas Wasser setzt sie sich vor den Fernseher und schaltet durch die Programme. Da wie üblich nichts Aufregendes läuft, verbringt sie den restlichen Abend mit alten Gruselfilmen aus ihrer umfangreichen Sammlung, die sie zwar schon etliche Male gesehen hat, aber nach wie vor amüsiert anschaut.

      Erst als sie weit nach Mitternacht im Bett liegt, denkt sie noch einmal an den Sänger, schläft allerdings bald darauf mit einem Lächeln auf den Lippen ein. Ob sie wegen ihm so glücklich ist?

      L