Dieter Steichler

Der Konzeptionist


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hatte er bis auf das zentrale Motiv mit den Slogans alles Wichtige bereits gesagt, und man sollte den Zuhörern jetzt keine Zeit zum eigenständigen Nachdenken geben, um keinerlei Zweifel an der Strategie aufkommen zu lassen.

      Deshalb wurde nun die weitere Konzeption zur Umsetzung der Strategie sofort angehängt.

      „Die Textmaximen zur neuen Strategie heißen Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstfindung, Selbstbestimmung, Selbstwertgefühl, mentale Stärke, Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Contenance,

      Überlegenheit, Kampfgeist, Einsatzwillen und Zielstrebigkeit.“

      Die Gestaltungsmaximen definierte Textor von modern sportlich über identitätsvermittelnd bis zukunftsorientiert und siegreich. Auf einen Blick einprägend und nachvollziehbar. Mit einem Seitenhieb auf vorherige Werbekampagnen unterstrich er den Begriff Identitätsvermittlung.

      „Kaum eine Zielgruppe kann sich mit einem Abenteurer oder Cowboy identifizieren, aber in einen sportlichen Sieger können sich alle, Männer wie Frauen, hineinversetzen.“

      Als Höhepunkt präsentierte Textor dann die kreative Umsetzung der Strategie in Wort und Bild sowie deren Kombination zum zentralen Motiv.

      „S m o K i n g“, rief er und zeigte die Grafik eines rauchenden Mannes. Ganz in schwarz-weiß. Euphorisch wiederholte er:

      „S m o K i n g ! Achten Sie bitte auf die Schreibweise! K i n g mit großem K!“

      Dazu proklamierte er folgende Slogans:

      „SmoKing – Du bist der King!“

      „SmoKing – Feel the King!“

      Natürlich wusste Textor, dass die Slogans keiner grammatikalischen Prüfung standhielten, aber das Ungewöhnliche, vor allem wenn es nicht ganz richtig ist, hat nun mal den größten Erinnerungswert beziehungsweise Wiedererkennungswert. Hastig wechselte Textor die Folien.

      „Als Untertitel zur Verdeutlichung empfehle ich folgende Aussagen.“ Er hielt einen Moment inne.

      „SmoKing – Championsliga!“

      „SmoKing – Meisterschaften!“

      „SmoKing – Du kannst Meister werden!“

      „SmoKing – Deutscher Meister!“

      „SmoKing – Europameister !“

      „SmoKing – Weltmeister! Alles ist möglich!“

      Nach diesem Ausruf wechselte er die Stimmlage und die vorletzte Folie und fuhr ironisch lächelnd fort: „Und da ja unser Image als schwer krank anzusehen ist, muss es mit dieser Konzeption unbedingt kuriert werden, müssen wir es schnellstens operieren. Ich schlage deshalb vor, die daraus folgende Kampagne intern als >Operation SmoKing< zu bezeichnen.“

      Damit war das Wichtigste gesagt. Schwer atmend starrte Textor ins Halbdunkel, wartete vor allem auf die Reaktion eines Kopfes mit Kopfhörer, den er als den des Tobacco-Präsidenten einstufte.

      Hagenbächli reagierte zuerst. Mit wohl dosiertem Beifall, totale Akzeptanz vermittelnd. Die anderen schlossen sich teils an oder nickten nur, aber das reichte. Textor war auf der Siegerstraße. Er holte ein zweites Bündel Folien aus dem Koffer. Es folgte die layoutmäßige Umsetzung des zentralen Motivs in Einsatzmittel wie Plakate im Posterstil, Testimonial- und Teaser-Anzeigen, Flyer, Autoaufkleber und Buttons.

      Dem Ausschreibungsprospekt für die Wettkämpfe mit den Teilnahmebedingungen, beginnend auf lokaler Ebene, dem Terminplan und den Datenschutzbestimmungen widmete er sich etwas länger, hauptsächlich um die juristische Bedeutung zu betonen, wobei Hagenbächli eifrig Zustimmung signalisierte. Kernsatz: Jeder Raucher nimmt auf eigenes Risiko teil, Mindestalter 21 Jahre. Eventuelle

      Schadenansprüche sind kategorisch ausgeschlossen.

      Textor stellte dann noch die für einen reibungslosen Wettkampfablauf notwendigen Ausweise, Tickets, Ergebnislisten, Urkunden, Medaillen und die mögliche Ausstattung einer Wettkampfhalle vor. Nur die von ihm grob geplanten Preisgelder erregten spontanen Widerspruch aus dem Halbdunkel. Sie waren zu niedrig angesetzt. Textor korrigierte sofort nach oben. Er spürte förmlich wie die andere Seite Feuer gefangen hatte.

      Er präsentierte nun wie ein Internetauftritt, eine Homepage und Downloads für >SmoKing< aussehen könnten. Selbst Außenwerbung wie Banner, Tafeln Flaggen, Fahnen, Reiter, Türme, Banden und Fahrzeugbeschriftung wurden layoutmäßig lebendig. Auch eine eigene Wettkampf-Zeitung zog Textor in Erwägung, da keine positive Berichterstattung in den unabhängigen Medien zu erwarten war, weil er sich Berichte auf Sportseiten sowie in Funk- und TV schlecht vorstellen konnte. Aber da gab es zum Glück noch den von ihm schon oft praktizierten PR-Media-Mix, der nichts anderes bedeutete als eine Hand wäscht die andere. Soll heißen: Das Medium, das positiv oder wenigstens neutral berichtet, wird beispielsweise bei der Schaltung von großformatigen Anzeigen oder Spots bevorzugt. Dabei muss es nicht um Zigarettenwerbung handeln, es könnten ja auch Kosmetikartikel sein, wozu ist am schließlich auch an anderen Konzernen beteiligt, oder?! Rein theoretisch dachte Textor diese Möglichkeiten der Beeinflussung an, ohne sie breit auszuführen. Denn diese Idee war erst am Gären, seit er sich bewusst wurde, im Konferenzraum eines Kosmetik-Konzerns

      zu sein.

      Der Finanzplan zum Schluss interessierte niemand mehr. Auch die Art der Erfassung und Auswertung der Konzeption, respektive eine Erfolgskontrolle waren wohl zweitrangig. Alles verabschiedet, war demnach alles genehmigt. Den noch angehängten Ausblick mit der Empfehlung einer jährlichen Überprüfung hätte Textor sich schenken können. Keiner hörte mehr zu, endlich ging das Licht an, das heißt, es wurde hell, weil sich die Jalousien öffneten.

      Hagenbächli stand sofort auf und gratulierte Textor zu der gelungenen Präsentation. Der nahm kurz befreit lächelnd an, schaute dann aber in die nun erhellte Runde, um die Reaktionen des Tobacco-Präsidenten und seiner Manager zu erfassen. Er sah in die Gesichter, konnte jedoch keinen Kopf eindeutig als den des Präsidenten identifizieren. Zu sehen waren lauter grau melierte Instanzen. Erst als einer langsam den Kopfhörer abstreifte und die anderen folgten, vermutete Textor diesen als Präsidenten und wusste sich bald bestätigt. Denn der Erstere erhob sich und applaudierte kurz, die anderen folgten mit lang andauernder Zustimmung. Jetzt war Textors Glück vollkommen. Sie hatten die Strategie akzeptiert, dem Zigarettenrauchen ein sportliches Image zu verleihen, auch als Assoziation zu anderen gefährlichen Sportarten wie Boxen, Fußball und Reiten mit allen Kategorien bis hin zu Weltmeisterschaften. Genug Anschubkapital war ja da, damit sich daraus ein Sog entwickeln konnte, dessen Strömung Millionen Menschen mitreißen könnte. Aber auch mit Protesten musste gerechnet werden. Dafür hatte sich Textor einen besonderen Plan zurechtgelegt. Eine Gegenarmee! Finanziert durch die Zigarettenindustrie. Doch das behielt er noch im Kopf.

      Hagenbächli ging nun mit Textor zum Tobacco-Präsidenten. Kurze Vorstellung.

      „Welschhead“, entgegnete dieser und klopfte Textor anerkennend auf die Schulter. Auch die anderen Manager äußerten sich lobend. Textor hasste die Händeschüttelei, doch sie war nicht zu umgehen.

      Beim anschließenden, obligatorischen Arbeitsessen in der Züricher Altstadt, genauer gesagt in der Oepfel-Chammer am Rindermarkt, die Hagenbächli recht angeheitert immer wieder mit Gottfried Keller in Verbindung brachte, wobei das Arbeitsessen mehr ein Arbeitstrinken war, musste Textor noch einige Hände mehr schütteln, vergaß aber die dazu gehörigen Namen sofort. Eine Welle der Euphorie trug ihn bis ins Hotel, das heißt in die Hotelbar, in der er sich mit dem Tobacco-Präsidenten und Hagenbächli als wohl krönenden Abschluss des Tages zwangsläufig in einer Whiskey-Dreierrunde befand.

      Sie hatten die Hotelbar allein für sich. Der Barkeeper hantierte diskret im Hintergrund, wohl wissend, was er dem amerikanischen Stammgast und dessen Gästen servieren musste, einen sehr raren Bourbon aus Kentucky, doppelt pur, das war seit Jahren Ritual.

      Nach dem ersten Schlucken oder Schlürfen, je nach Trinkgewohnheit, begann die Konversation wie von selbst. Mit gelöster Zunge, von Hagenbächli frei übersetzt, dozierte Welschhead:

      „Wir