Ruth Broucq

Leichte Beute


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drei Wochen in der Wohnung, wurde ich langsam ungeduldig, ich musste aus dem Haus, unter Leute. Freunde treffen, tanzen, und sehen was mit unserem Club war. Als erstes wollte ich meine Freundin Edda aufsuchen.

      „Kein Problem“, zeigte sich meine Mutter verständnisvoll, „um Ramona kümmere ich mich schon, aber komm möglichst nicht so spät nach Hause.“

      Die sanfte Tonart, noch dazu als Bitte, statt wie vorher als Befehl ausgesprochen, war mir bei meiner Mutter fremd. Ich war total perplex, wie sehr sich mein Status verändert hatte. Wie einfach es war, plötzlich als erwachsen akzeptiert zu werden. Ich brauchte nur ein Kind zu kriegen, und schon unterlag ich keinerlei mütterlicher Vorschrift mehr. Gewöhnungsbedürftig, aber gut.

      Also machte ich mich Samstagmittags auf den Weg zum Hauptbahnhof, um Edda von ihrer Arbeit abzuholen. Kurz vor Ladenschluss traf ich in dem Friseursalon ein.

      Meine Freundin, und auch die restliche Belegschaft des Salons freuten sich sehr mich zu sehen. Sie gratulierten mir sehr herzlich.

      Nachdem die letzte Kundin gegangen war, half ich meiner Freundin noch schnell bei den Aufräum- und Säuberungsarbeiten, dann verließen wir fröhlich quasselnd und kichernd den Laden.

      „Wie läuft der Club?“, fragte ich.

      „Welcher Club? Du meinst doch nicht den Baby-Club? Den gibt es nicht mehr. Wer soll das denn machen? Seit der Zack beim Bund ist, ist das Lochbachtal nicht mehr gefragt. Das war doch nicht anders zu erwarten“, wunderte sich Edda über meine Frage.

      „Hm, die arme Frau Reichel. Aber wo gehen denn nun die ganzen Leute hin, zur Olly und in den Eckstumpf?“, wollte ich wissen.

      Edda nickte: „Ja, auch. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten. Das Eiscafe Cortina am Werwolf, ist ne Eisdiele mit Musikbox, aber ohne Tanz, und dann hat vor ein paar Tagen ein neuer Club aufgemacht, unten am Ohligs-Bahnhof, in dem alten Kino. Ich war noch nicht da, deshalb weiß ich nicht, was da los ist. Hab aber gehört, dass schon einige den Club ganz gut finden. Wir können ja mal hingehen. Hast du Lust?“

      „Im Bali-Kino? Ist das denn zu?“, staunte ich über so viel Neuigkeiten.

      „Nee!“, lachte Edda laut los. „Doch nicht im Kino, nur in dem gleichen Haus, unten drin. Ich war noch nicht drin, nur davor, weiß nichts genaues, lass uns gucken was da läuft“, schlug sie vor.

      Sofort erklärte ich mich einverstanden, und wir beschlossen gleich am frühen Abend hinzufahren.

      Auch von Eddas Eltern kamen spontan Glückwünsche zur Geburt, und sogar eine niedliche Baby-Garnitur, die Eddas Mutter selbst gestrickt hatte.

      Zeitig zogen wir los, brachten den nicht unbeträchtlichen Weg, bis zur Haltestelle Schlagbaum zügig hinter uns. Mit dem Bus war es noch eine halbe Stunde zu fahren, bis wir am Bahnhof ausstiegen. Das kurze Stück bis zu dem Kino führte uns durch einen Tunnel, auf die Rückseite des Bahnhofs.

      Lange war ich nicht mehr in dieser Gegend gewesen, dennoch bemerkte ich die Veränderung sofort. „Was ist das denn da für ein komischer Wagen? Steht der schon lange hier? Sieht aus wie die Fischbude auf dem Marktplatz“, wunderte ich mich über das große, weiße Gefährt, auf der anderen Straßenseite, dem großen Kino-Gebäude gegenüber.

      Edda grinste: „Das ist die Würstchen-Bude vom Conny. Der Kerl ist ne Nummer für sich, warte nur ab, du lachst dich schlapp. Aber seine Curry-Wurst ist echt lecker“, klärte die Freundin mich auf.

      „Currywurst? Kenn ich nicht. Hast du die denn schon probiert?“, war ich etwas skeptisch.

      „Ja, klar. Komm, ich spendiere dir Eine. Wird dir bestimmt schmecken“, war sich Edda sicher, und zog mich über die Straße.

      Alles Neuland für mich. Die Clubszene hatte sich verändert, ebenso das Landschaftsbild. Die Würstchenbude, in der eine neue Art der Zubereitung angeboten wurde, Brat- anstatt Bockwurst, die hatte bisher nicht zum Straßenbild gehört. Die Zeit veränderte sich, was sich allerdings nicht als Nachteil erwies. Offensichtlich war dieses neue Angebot sehr begehrt, denn viele Leute standen vor dem Verkaufswagen, überwiegend Jugendliche.

      Es kam mir vor, als sei ich nicht nur ein paar Wochen, sondern eine sehr lange Zeit weggewesen, als käme ich aus der Fremde zurück, und gehöre nicht mehr dazu.

      Noch viel fremder kam mir dann dieses „Unikum Conny“ vor. Im Inneren des Wagens, stand der Würstchenverkäufer etwas erhöht hinter einer kleinen Theke.

      Ein fettleibiger Mann mittleren Alters, dessen blonde Haare schon so licht waren, dass die einsame Locke, die ihm in die Stirn hing, den Hang zur Glatze auch nicht mehr verdecken konnte. Sein rötliches, verschwitztes Gesicht, passte zu der Farbe seines rosa Polohemdes, und zeugte nicht nur von hitziger Anstrengung, sondern auch von Bluthochdruck. Mit seinen dicken Pausbacken, unter den kleinen Augen, glich er einem rosigen, schwitzenden Eber. Über den leicht vorstehenden Bauch, war eine weiße Schürze gebunden, die aber schon einige Soßenflecke abbekommen hatte. Trotzdem wirkte der Anblick sehr appetitlich, denn ein köstlicher Geruch, zog, aus dem Inneren des Verkaufwagens, in meine Nase.

      Was mich aber viel mehr faszinierte, als der leckere Bratgeruch, war das seltsame Gehabe des Mannes, und seine kuriosen Vorträge, während er lachend die Kunden bediente.

      „Und was darf ich für dich tun, Baby? Willst du auch ein Würstchen? Aber du kriegst es nicht am Stück, für dich mach ich es nur geschnippelt“, flachste er, unter dem Gelächter der anderen, wartenden Jugendlichen, und während er mit einer Schere eine Bratwurst in kleine Stücke schnitt, fuhr er grinsend fort: „So, Fräulein, wie hättest du denn die heiße Wurst gerne? Scharf, besonders scharf, sehr scharf, oder bist du selbst scharf genug? Ha ha ha“. Dabei bestreute er die Wurststücke mit Currypulver, ohne auf die Antwort zu warten.

      Die ganzen hungrigen, jungen Männer grölten vor Lachen, mit seiner lustigen Art, überbrückte der Wurstmann geschickt die Wartezeit seiner Kunden.

      Ich fand die Szene total fremd, aber faszinierend und beobachtete staunend, das Gehabe des Wurstverkäufers.

      „Sag mal, Edda, der hat aber ne komische Art, sieht aus als wäre der Kerl…. Na du weißt schon“, flüsterte ich meiner Freundin ins Ohr.

      Edda grinste breit, als sie gelassen erwiderte: „Schwul, sag es ruhig. Dem Conny macht das nix aus. Stimmt, das ist er, schwul aber lustig, oder?“

      Ich war über Eddas lautstarke Aussage richtig erschrocken, blickte prüfend zu dem Schwulen hoch. Aber der schien es nicht gehört zu haben, die Erklärung war wohl im allgemeinen Gelächter untergegangen.

      Als der Wurstmann mich ansprach: „Und Sie, Fräulein, möchten Sie die Wurst auch geschnippelt, oder am Stück?“, nickte ich nur verlegen, weil ich nicht wusste was ich antworten sollte. Aber noch bevor Edda bezahlt hatte, wandte sich der schwule Wurstverkäufer schon dem nächsten Kunden zu, und machte seine süffisanten Sprüche über die anderen.

      Die Wurst schmeckte scharf aber köstlich.

      Der neue Tanzclub befand sich im Untergeschoss des großen Gebäudes, unter dem Kinosaal. Der Clubraum gehörte zu der Kneipe, denn man musste erst durch den Schankraum, um in den hinteren Raum zu gelangen.

      Wegen sehr schwacher Beleuchtung, konnten wir im ersten Moment die Größe sowie die Einrichtung kaum erkennen, und ich brauchte einige Minuten, um mich zu orientieren.

      Deshalb blieben wir gleich nach der Eingangstür stehen, und sondierten die Lage.

      Der Saal war schmal und lang, und wir erkannten fast am Ende des Raumes, einige Gestalten in rhythmischen Bewegungen. Nur wenige Gäste waren anwesend, denn die Sitzgarnituren, die auf beiden Seiten standen, waren leer.

      Der Ohrenbetäubende Lärm sollte wohl Musik sein, was ich aber als widerliches, überdrehtes Gekrächze empfand. Nur Eddas Mundbewegung konnte ich entnehmen, dass sie mit mir sprach, zu hören, was sie sagte, war unmöglich. Allerdings sah ich ihrer Mimik an, dass sie genau so unangenehm berührt war, wie ich.

      Plötzlich brach der Krach mit einem hässlich, kratzenden