Tanja Neise

Love Rules - Geheimnisse


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einschläfernd wirken würde, schon viel eher.

      Müde kickte ich die hochhackigen Schuhe von den Füßen und stöhnte zufrieden, da meine Zehen endlich aus dieser unnatürlichen Haltung befreit waren.

      Dann schlüpfte ich entspannt in die flauschigen Socken, die ich immer in der Wohnung trug, kochte mir einen Chai Latte und zündete eine Duftkerze an. Kaum, dass ich mich mit meinem Laptop auf das Sofa gesetzt hatte, begann ich mit der Recherche.

      Hochmotiviert scrollte ich mich durch die Angebote eines Online-Buchhändlers. Es gab so viele Millionärsromane, dass ich bereits nach kurzer Zeit den Überblick verlor.

      Von den Covern schauten mich erfolgreich aussehende Männer an oder ich sah lediglich den Torso, der vorzugsweise in einem Anzug steckte. Um zu wissen, über was ich da eigentlich schrieb, lud ich mir einen der Bestseller auf mein Tablet und begann zu lesen.

      Innerhalb kürzester Zeit war ich mitten in der Story um einen heißen Typ, der, wie könnte es anders sein, auch noch ein sehr wohlhabender Mann war.

      Normalerweise, von Urlauben mal abgesehen, las ich keine Belletristik, da ich mich hauptsächlich mit Fachliteratur oder der Recherche im Internet beschäftigte. Abends waren meine Augen dann oft zu müde, als dass ich noch mehr hätte lesen können. Stattdessen sah ich mir Filme oder Serien an - am liebsten Schnulzen.

      Das war eins meiner bestgehüteten Geheimnisse und passte so gar nicht zu der harten Nuss, die die Kollegen bei Cosmostar in mir sahen. Das sollte auch so bleiben.

      Hätte die Snyder von meiner heimlichen Leidenschaft gewusst, wäre ich vermutlich nie in den Genuss dieser Spezialaufgabe gekommen und müsste zukünftig dann wohl den Postwagen durch die Flure schieben.

      Neugierig las ich in dem Buch weiter: ... und schon wurde ich feucht, doch Malcolm war sogleich an meiner Seite und seine gierigen Hände ...

      Ach ja, wie schön für die Protagonistin des Romans. Mich hatten das letzte Mal gierige Hände berührt, als ich bei meiner Schwester auf meinen Neffen und meine Nichte aufgepasst hatte und die beiden unbedingt ein Stück Schokolade haben wollten. Bis auf die wenigen Ausnahmen, wenn ich meine Familie besuchte, lebte ich ausschließlich für meinen Beruf. Privates gab es nicht. Weder traf ich mich mit Kollegen noch besuchte ich ein Fitnessstudio, in dem ich einen echten Kerl kennenlernen konnte. Denn im Grunde genommen wollte ich das gar nicht, weil in der Realität die Männer nicht annähernd mit den Helden aus den Filmen, die ich mir ansah, mithalten konnten.

      Das letzte Mal Sex hatte ich im College gehabt und es war der absolute Reinfall gewesen. Das war mit ein Grund für mein enthaltsames Leben. Für mich stand meine Karriere im Vordergrund, deshalb vermisste ich nichts und brauchte auch bestimmt keinen Mann, um mich vollständig zu fühlen. Dafür gab es jede Menge nützliches Spielzeug für Frauen.

      Dieser Protagonist Malcolm ließ mein Herz höherschlagen, aber nicht, weil er stinkreich war, sondern meiner Vorstellung eines echten Mannes verdammt nahekam. Er war keiner dieser Milchbubis, denen man in der Verlagsbranche begegnete, sondern glänzte durch sein gepflegtes Äußeres und schien zu wissen was Frauen wirklich wollen. Wo gab es so etwas im wahren Leben? Nirgends! Reale Männer rochen nach Bier und Schweiß. Sorry, aber das törnte mich nicht unbedingt an. Körperhygiene fand ich ausgesprochen wichtig und auf Alkoholiker stand ich auf keinen Fall!

      Zwei Stunden später war ich ganz wuschig von den erotischen Szenen, die diese Art von Lektüre mit sich brachte. Das ging zu weit, ich hatte eindeutig zu viel Fantasie, dass ich mich von einem solchen Groschenroman dermaßen durcheinanderbringen ließ.

      Um mich ein wenig abzulenken, öffnete ich mein Schreibprogramm und fing an, die ersten Zahlen meiner Recherche zu übertragen. Der Markt war überlaufen von Autoren, die Millionärsromane schrieben und die Bücher, vorzugsweise E-Books, wurden in Massen gekauft. Dementsprechend musste es enorm viele Leser geben, die sich gern wuschig machen ließen und das vermutlich täglich. Zugegebenermaßen war ich nun ebenfalls ein Opfer dieser Art von Romanen geworden, und es hatte mir gefallen. Und was noch schlimmer war, ich wollte weiterlesen. Das wurmte mich, das machte mich wahnsinnig. Ich hatte einen Universitätsabschluss, hatte der Männerwelt abgeschworen, las so gut wie nie Belletristik und ließ mich dann vom erstbesten Millionärsroman einfangen. Wahrscheinlich sollte ich mich in Zukunft von solcher Literatur fernhalten und vorsichtshalber meinen Film- und Serienkonsum einschränken. Dieser Wunsch nach Romantik in meinem Leben kollidierte mit dem Lebensziel, das ich mir gesetzt hatte – Karriere machen. Das ging eindeutig zu weit.

      Nachdem die ersten Seiten getippt waren, bekam ich langsam ein Gespür für das Geschäft, für die Leserschaft und für die heimlichen Wünsche der Frauen dieser Welt. Warum träumten Frauen von einem dominanten, reichen Mann, der ihnen teilweise sogar das Denken abnahm? Diese Shades-of-grey-Generation hatte offenbar noch nichts von Emanzipation gehört. Das war furchtbar. In mir steckte keine bekennende Feministin, aber dennoch war ich der Meinung, dass das weibliche Geschlecht auf eigenen Beinen stehen sollte, und auch in Sachen Sex durften wir selbstständig entscheiden. Zum Beispiel wann wir unsere Jungfräulichkeit verlieren wollten und wann nicht. Verantwortung übernehmen bedeutete, zu wissen, was für den eigenen Körper gut ist.

      Okay, ich merkte selbst, dass ich mich da ein wenig in die Grey-Sache hineinsteigerte, aber ich hatte einen Blogartikel zu dem besagten Roman gelesen und war ein wenig geschockt über den Inhalt dieses millionenfach verkauften Bestsellers. Ein Mann, der selbst zugab, nicht lieben zu können, kommt mit einem Vertrag daher und entjungfert die Protagonistin, um sie zukünftig härter rannehmen zu können? Ähm, sorry, aber das war doch nicht romantisch! Waren solche Bücher daran schuld, dass sich das Bild der Frau in der Gesellschaft veränderte? Das wir wieder zurück ins Mittelalter katapultiert werden würden und uns unterdrücken ließen - natürlich freiwillig? Uff, das wäre ja schrecklich!

      Ob diese Autoren wussten, dass sie eventuell die Welt veränderten?

      Vielleicht sollte ich mir mal einen dieser Autoren vorknöpfen. Ein Interview würde sich bestimmt super in der mehrteiligen Reportage machen - vielleicht in Teil zwei. Am besten mit einem der erfolgreicheren Schreiberlinge, das zog dann gleich Publikum an, das bisher noch nicht zu unserer Leserschaft gehörte. Wenn ich den oder die Autorin dabei gut wegkommen lassen würde, wären uns eventuell sogar neue Abonnenten sicher.

      Ich machte mir eine Liste mit den Autoren, die ganz oben in den Bestsellerlisten standen. Morgen würde ich mich an die Pressestellen der ersten zehn wenden und um einen Interviewtermin bitten. Die Fragen musste ich mir genau überlegen und in eine zeitliche Reihenfolge bringen. Das war doch mal ein guter Plan, dachte ich.

      Nein, auf keinen Fall können wir Ihnen die Telefonnummer von Miss Thompson geben. Interviews gibt sie sowieso nicht, also machen Sie sich dahingehend keine Hoffnungen.« Das war mittlerweile die zwanzigste Absage.

      Ich musste meine Strategie eindeutig ändern. Nun gut, vielleicht sollte ich von meinem hohen Ross heruntersteigen und mir eine der Autorinnen schnappen, die ihre Bücher selbst veröffentlichten. Bisher hatte ich das strikt vermieden, da ich der Meinung war, dass das unserem Magazin nicht gut zu Gesicht stehen würde. Abgesehen davon hatte dieser Weg der Veröffentlichung immer noch den faden Beigeschmack von Schundliteratur. Langsam scrollte ich durch die Listen und schon bald war klar, dass eine der Autorinnen mit gleichzeitig zehn Millionärsromanen in den Bestsellerlisten vertreten war. So schlecht konnten die Bücher nicht sein, ansonsten wäre sie nicht dermaßen erfolgreich. Ich beschloss, dass ich sie interviewen wollte - Clodette Poirot. Der Name hätte gut auch in ein fragwürdiges Etablissement passen können, dachte ich kichernd und suchte bereits nach der Webseite der Frau. Rasch füllte ich das Kontaktformular aus und hoffte, dass Miss Poirot auf das Renommee unseres Magazins anspringen und sich bald zurückmelden würde. Nur wenige Selfpublishing-Autoren könnten dieser Versuchung widerstehen, schließlich waren wir die auflagenstärkste Zeitschrift in ganz Amerika. Weltweit hatten wir einen nicht zu verachtenden Anteil am Kuchen der Zeitungsbranche.

      Leider fand ich auf keiner einzigen Internetseite ein Bild von ihr. Offenbar wollte die Autorin unerkannt bleiben, was ich gut nachvollziehen konnte.