ständige Mitarbeit zahlreicher Leser Ansporn, Niveau und Ausstattung der Zeitschrift ständig zu verbessern. Karl May – das Phänomen, das noch heute große Leserscharen begeistert, behielt im MAGAZIN stets Vorrang bei den Themen.
Dieses Kompendium ist eine leicht überarbeitete Neuauflage einzelner Ausgaben dieses Magazins, das zwischen 1974 und Anfang der 1990er Jahre erschien und teilweise antiquarisch kaum noch zu bekommen ist.
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MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur
Band 1
Herausgegeben von Thomas Ostwald
Vorwort
Die vorliegende Auswahl meiner Zeitschrift „MAGAZIN für Abenteuer, Reise- und Unterhaltungsliteratur enthält einige der interessantesten Artikel aus der Frühzeit der Zeitschrift.
Als im Juli 1974 das erste Heft dieser Zeitschrift mit bibliographischen Angaben zu den Werken Karl Mays erschien, konnten wir an einen derartigen Erfolg nicht denken. Rasch war die erste, bescheidene Auflage vergriffen, ständige Neuauflagen mussten erfolgen. Das gab uns Mut, diese Zeitschrift weiter auszubauen, neben den rein bibliographischen Angaben folgten bald Artikel über die einzelnen Schriftsteller von Sammlern und Kennern der Materie. Mit zunehmender Abonnentenzahl konnte auch die technische Ausstattung verbessert werden, ein regelmäßiges Erscheinen war gesichert.
Ende 1976 erfolgte dann die Umbenennung in „MAGAZIN für Abenteuer, Reise und Unterhaltungsliteratur“, um den mehr und mehr als Kunden hinzukommenden Buchhandlungen eine Auslage in den Geschäftsräumen zu erleichtern. Aus der einstigen Kunden-Service-Zeitschrift war eine eigenständige Zeitschrift geworden, die dann durch das Presse-Grosso zu beziehen war. Für die Herausgeber war die ständige Mitarbeit zahlreicher Leser Ansporn, Niveau und Ausstattung der Zeitschrift ständig zu verbessern. Sollte dies nicht immer gelungen sein, bitten wir zu bedenken: keine Zeitschrift kann immer nur gute Artikel veröffentlichen. Dass wir nicht kritiklos neue Methoden in der Karl-May-Forschung hingenommen haben, hat uns nicht nur Freunde geschaffen, bringt und aber auch nicht davon ab, sachliche Gegenartikel zu veröffentlichen. Karl May – das Phänomen, das noch heute große Leserscharen begeistert, wird in unserem Magazin immer eine Sonderstellung einnehmen. Die ständig neu hinzukommenden Abonnenten äußerten oft den Wunsch nach früheren Ausgaben unserer Zeitschrift. Mit diesem Kompendium wollen wir diesem Wunsch entsprechen – 1978 so wie auch heute mit der vorliegenden Auswahl.
Thomas Ostwald, Braunschweig 2022
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Thomas Ostwald
Die Entwicklung der Indianergeschichten bei Karl May, dargestellt am Beispiel der Wandlung Winnetous vom Gewaltmenschen zum Edelmenschen
Winnetou! Ein Name, der auch heute noch die Herzen zahlreicher Karl-May-Leser höherschlagen lässt, ein Name, der auch nach Jahrzehnten nichts von seiner Faszination verloren hat. Der edle Häuptling der Apachen, Blutsbruder Old Shatterhands, zieht junge und alte Leser immer wieder in seinen Bann. Die Entstehung der Gestalt des berühmten Häuptlings und sein mögliches historisches Vorbild beschäftigte schon sehr früh die Karl-May-Forscher. Man bemühte sich, Licht in das „Leben“ des Mannes zu bringen, auf dessen Wort zahlreiche Stämme hören sollten. Wie bei vielen Dingen, so gingen auch hier bald die Anrichten auseinander. Die einen sind sicher, dass der Apachenführer Geronimo das Vorbild gewesen sei, die anderen dagegen widerlegen es und sagen: Alles Quatsch. Die Apachen waren ein räuberisches Volk, von den anderen Stämmen verhasst und verachtet gewesen. Außerdem wären autokratische Häuptlingsgestalten bei den Indianern völlig unbekannt. Den Karl-May-Leser mag das alles bei der Lektüre wenig gestört haben, ob Winnetou tatsächlich gelebt hat oder ob er ein historisches Vorbild hatte – die Frage zu klären wäre müßig. Zwar trug Karl May nicht unwesentlich dazu bei, Verwirrung unter seinen Lesern anzurichten, mit seinen offensichtlich präzisen Angaben zu Winnetou und seinem Stamm – doch: Wer hier Antwort erhofft hatte, erhielt sie in der Form der Reiseerzählung, in Romanform! Wie viele Beispiele in der Literatur mag es wohl geben, dass die erfundenen Romanhelden von Lesern verehrt wurden. Nicht nur wenige, nein Hunderte pilgerten beispielsweise in die Baker Street, um Conan Doyles Sherlock Holmes aufzusuchen! Dass dies nicht nur Erscheinungen des 19. Jahrhunderts waren, das manch einer gern als „romantischer“ hinstellen möchte, als es gewesen ist, beweist ein Beispiel aus jüngerer Zeit: Rex Stouts Krimiheld Nero Wolfe, schwergewichtiger Schnelldenker und Kombimeier, hat auch heute noch einen „Fan“-Kreis, der sich in seinem „Leben“ besser auskennt als der Autor! Das beweisen nicht nur Gespräche zwischen Autor und Lesern, sondern auch die Tatsache, dass ein besonders eifriger Leser eine überaus köstlich zu lesende Biographie Nero Wolfes schrieb, die 1969 auch in deutscher Sprache bei Ullstein erschienene Biographie „Nero Wolfe of West Thirtyfifth Street“ von William S. Baring-Gould. Sie ist leider inzwischen vergriffen. Der Autor hatte einige Jahre vorher bereits „Sherlock Holmes of Baker Street“ veröffentlicht. Es wäre also gar nicht so abwegig, Winnetous „Biographie“ zu erstellen. Genau wie sich Baring-Gould mühsam seine Einzelheiten aus Stouts bzw. Doyles Veröffentlichungen zusammengesucht hat, müsste man dies auch mit Sicherheit bei Winnetou schaffen können. Die Frage bleibt allerdings, wer das will – zumal selbst eingefleischte May-Freunde heute ohne Bedenken eingestehen, dass Winnetou zumindest in der von Karl May geschilderten Weise kaum gelebt haben kann. Doch ist eine tatsächliche Existenz der Romanfigur für den Leser sowieso nebensächlich, solange er sich mit den Taten und Abenteuern
identifizieren kann. Nach meinen Erfahrungen im Buchhandel, unterstützt durch Befragungen im Laden und bei verschiedenen Gelegenheiten, fällt das „Entdecken“ der Abenteuer Winnetous meistens in das Alter von etwa 11 bis 13 Jahren. Das heißt, in dieser Zeit entdeckt der Jugendliche „seinen“ Karl May. Interessanterweise greifen die meisten „Anfänger“ zu einem der Winnetou-Bände, und auch Eltern verlangen diese Bände als Geschenk für den „Erstleser“. Trotz der Aufgeschlossenheit der heutigen Heranwachsenden für alles Technische geht noch immer von den Erzählungen Karl Mays ein „Zauber“ aus, dem sich selbst die älteren „Erstleser“ schwer entziehen können. Doch – nach eigenem Erleben – beginnt eine Kenntnis von Mays Helden Winnetou und Old Shatterhand schon wesentlich früher. So verblüffte mich mein heute sechsjähriger Neffe vor einem guten Jahr mit erstaunlichem May-Wissen. Zwar ist er „vorbelastet“, da er häufig bei mir ist und nicht nur die „grünen“ Bände sieht, sondern auch die übrigen Karl May-Artikel, die in meiner Sammlung stehen, wie May-Comics und May-Figuren. Dennoch war sein Wissen erstaunlich, zumal er noch nicht lesen konnte und wir eigentlich wenig über Winnetou und Old Shatterhand’s Abenteuer gesprochen hatten. Eines Tages überraschte er mich mit der Aufforderung zum Indianerspiel, wobei er Winnetou sein wollte, „der immer siegt und der Stärkere ist“. Was ich mit diesem Beispiel sagen will ist, dass selbst die Jüngsten schon Indianer immer mit Winnetou und seinen Kriegern gleichsetzen. Diese Erfahrung wurde durch das gerade durchgeführte Karl May-Preisausschreiben für Kinder und den Besuch des Winnetou-Darstellers (Bad Segeberg) H.I. Hilger noch bestätigt. Selbst ABC-Schützen kannten „ihren“ Winnetou und Einzelheiten aus den Karl-May-Büchern. Interessieren sie sich eist einmal für das Indianerspiel, stellen sie ihren Eltern Fragen, und in den meisten Fällen erinnert sich der Vater an die gelesenen May-Bände. Es beginnt auf diese Weise schon ein sehr frühes Hineindenken in die Indianergeschichten Karl Mays, das nicht zuletzt durch die Filme unterstützt wurde, die jetzt im Fernsehen wiederholt wurden. Keineswegs möchte ich dem Elfjährigen absprechen, dass er nicht genau weiß, dass das, was da vor ihm über die Leinwand flimmert, doch nur „Kintopp“ ist, also erfunden. Trotz allem drängten sie sich um Herrn Hilgers bei der „Winnetou-Autogrammstunde“. In diesen Augenblicken ist Winnetou real, tatsächlich da, und selbst die, die sagen: „Ist ja doch kein echter Indianer!“ holten sich schließlich ihr Winnetou-Autogramm.
Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem älteren Herrn, und wir kamen auch auf Karl May und den „Winnetou“ zu sprechen. Dabei gestand mir mein Gesprächspartner, wie sehr ihn Winnetous Tod als jugendlicher Leser bewegt hatte, wie er mit Tränen in den Augen zu seinem Freund gelaufen sei und nur ausrufen konnte: „Winnetou